1. Wird der Einspruch gegen den Strafbefehl nachträglich, nachdem der Einspruch zunächst auf die Höhe des Tagessatzes beschränkt war, insgesamt zurückgenommen, fällt die entstandene Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 4 VV RVG nicht weg.
2. Für die Einziehung des Führerscheinformulars entsteht die Gebühr Nr. 4142 VV RVG.
(Leitsätze des Gerichts)
AG Freiburg, Urt. v. 6.11.2020 – 4 C 1193/20
I. Sachverhalt
Nach Abschluss des Verfahrens hat der Kläger gegenüber seiner Rechtsschutzversicherung die bei seinem Verteidiger entstandenen Gebühren Nr. 4141 VV RVG und die Nr. 4142 VV RVG geltend gemacht. Die Rechtsschutzversicherung hat die Zahlung abgelehnt. Der Kläger hatte mit seiner Klage beim AG Erfolg.
II. Entscheidung
Dem Kläger stehe – so das AG – die streitige Gebühr nach VV 4141 RVG zu. Durch die Rücknahme seines Einspruchs gegen den gegen ihn erlassenen Strafbefehl habe der Kläger daran mitgewirkt, dass eine Hauptverhandlung entbehrlich ist. Zum Zeitpunkt der Rücknahme sei ein Hauptverhandlungstermin nicht bestimmt gewesen, so dass die Ausschlussfrist des Abs. 1 Nr. 3 nicht greift. Dass zuvor ein Hauptverhandlungstermin angesetzt gewesen sei, vor Rücknahme des Einspruchs aber abgesetzt wurde, spiele keine Rolle. Insbesondere sei die Mitwirkung des Verteidigers an einer Verfahrensbeendigung nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO – Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe mit Schriftsatz vom 14.5.2019 – nicht fristgebunden und habe damit die Verfahrensgebühr selbst ohne Rücknahme des Einspruchs ausgelöst (Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 4 RVG). Dass danach eine Rücknahme des gesamten Einspruchs erfolgt sei, führe nicht zum Wegfall der Verfahrensgebühr.
Die Nr. 4142 VV RVG war mit der vom AG im Strafbefehl angeordneten Einziehung des Führerscheinformulars des Klägers – es handelte sich um eine Trunkenheitsfahrt – begründet worden. Das AG hat die die Gebühr zugesprochen. Die Einziehung des Führerscheinformulars falle unter den Anwendungsbereich dieser Norm (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl., VV 4142, Rn 9).
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung, die in beiden Punkten zutreffend ist, ist m.E. die erste gerichtliche Entscheidung, die sich zu der Frage der Nr. 4142 VV RVG in den Fällen verhält. Und das AG hat die Frage richtig entschieden. Interessant ist in dem Zusammenhang die Frage des Gegenstandswertes. Dazu hat sich das AG nicht geäußert, der Kollege, der mir die Entscheidung übersandt hat, hat mir aber mitgeteilt, dass er 5.000 EUR als Regelgegenstandswert angesetzt hatte und das AG den auch zugrunde gelegt hat (so auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4142 Rn 54 m.w.N.).
RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg