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Zäsur in Trunkenheitsfahrt durch unerlaubtes Entfernen

1. Zu den Anforderungen an die Feststellung relativer Fahrunsicherheit.

2. Zu einer Zäsur der Dauerstraftat der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr wird es regelmäßig auch dann kommen, wenn ein alkoholbedingtes Unfallereignis nur deshalb keinen Unfall im Rechtssinne (§ 142 Abs. 1 StGB) darstellt, weil an dem gegnerischen Fahrzeug wegen Vorschäden keine zusätzliche Werteinbuße eingetreten ist. Fährt der Täter nach einem jedenfalls derart alkoholbedingten Zusammenstoß weiter, so wird dies regelmäßig aufgrund eines neuen Tatentschlusses des sich seiner Fahrunsicherheit nun bewusst gewordenen Fahrers geschehen.

(Leitsätze des Gerichts)

KG, Beschl. v. 12.2.2021 – 3 Ss 5/21

I. Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen fahrlässiger und vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision ist erfolglos geblieben.

II. Entscheidung

Die landgerichtlichen Urteilsfeststellungen tragen nach Auffassung des KG die Verurteilung wegen zunächst fahrlässig und hiernach vorsätzlich begangener Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB). Es sei festgestellt, dass der Angeklagte nach einem Tag mit Alkoholkonsum („drei Flaschen Bier zu je 0,5 l und 100 ml Apfellikör zu 18 Vol%“) in einem Pkw zwei weitere Flaschen Bier zu je 0,5 l getrunken und sich dann vom Fahrersitz aus quer über den Beifahrersitz gelegt habe. Eine offenbar besorgte Passantin habe ihn gefragt, ob er Hilfe brauche, was er mit „Alkoholgeruch, glasigen Augen und lallender Aussprache“ verneinte, um – nach einem kurzen Gespräch über den Zündschlüssel – mit einer „Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,77 Promille“ sowie „mit für die geringe Breite der Straße unangemessener Geschwindigkeit“ davonzufahren. Nach kurzer Fahrstrecke sei er in einer Kurve von der Spur abgekommen und habe einen im Gegenverkehr ordnungsgemäß abgeparkten Anhänger gestreift, an dem nur wegen mannigfacher Vorschäden kein wirtschaftlich messbarer Schaden entstanden sei. Der Angeklagte, so die Feststellungen weiter, habe den Anstoß bemerkt, sei aber weitergefahren, obwohl er „seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nunmehr erkannt hatte“. Eine wenig später entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 2,9 Promille ergeben, die der Angeklagte mit – nicht widerlegtem – Nachtrunk erklärt habe.

Diese Feststellungen rechtfertigen nach Auffassung des KG zwanglos den durch das LG gezogenen Schluss, der Angeklagte sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,77 Promille alkoholbedingt fahrunsicher gewesen. Dafür streite neben der signifikanten Blutalkoholkonzentration und dem Vortatverhalten (Alkoholkonsum im Auto, Schlafen im Auto, glasige Augen, lallende Aussprache) auch die hiernach begangenen Fahrfehler (unangepasst-überhöhte Geschwindigkeit in enger Straße, Nichtbeherrschung einer Kurvenfahrt mit Anstoß an ein im Gegenverkehr (!) abgeparktes Fahrzeug). Der durch das LG gezogene Schluss wäre einer revisionsrechtlichen Überprüfung schon entzogen, wenn er nur vertretbar wäre, tatsächlich erscheine er aber fast zwingend.

Die Feststellungen rechtfertigen nach Ansicht des KG auch die Verurteilung wegen zunächst fahrlässig und hiernach tatmehrheitlich (§ 53 StGB) verwirklichter vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr. Die durch BGHSt 21, 203 entwickelte und seither gefestigte Rechtsprechung sei auch hier anwendbar. Danach ende die Dauerstraftat der Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) regelmäßig, wenn sich der Täter nach einem von ihm verursachten Unfall zur Flucht entschließt, so dass die im Zustand der Fahrunsicherheit erfolgende Weiterfahrt eine rechtlich selbstständige Handlung darstelle. Zwar habe hier das vom Angeklagten alkoholbedingt herbeigeführte Unfallgeschehen keinen Unfall im Rechtssinne gebildet; hierzu fehlte es am wirtschaftlichen Schaden. Der tiefere Grund der gefestigten Rechtsprechung liege aber nicht im wirtschaftlichen, sondern im kognitiven und im normativen Bereich: Die Erkenntnis, einen relevanten Fahrfehler begangen zu haben, lasse den Normappell neu wirken und begründe einen neuen Tatentschluss. Dass sich der Täter „nunmehr sowohl im äußeren Geschehen wie in seiner geistig-seelischen Verfassung vor eine neue Lage gestellt“ sehe (vgl. BGHSt 21, 203), gelte sowohl für den Unfall im Rechtssinne (mit nicht nur völlig belanglosem Schaden) als auch für jeden Fahrfehler, der dem zunächst fahrlässig Fahrunsicheren nunmehr die Erkenntnis verleihe, infolge des Alkoholkonsums nicht mehr fahren zu können und zu dürfen. So sei es hier gewesen, als der angetrunkene Angeklagte einer Kurve nicht folgen konnte und gegen einen auf der Gegenfahrbahn abgeparkten Anhänger stieß. Die Verurteilung wegen zweier tatmehrheitlicher Vergehen nach § 316 Abs. 1 und § 316 Abs. 2 StGB sei daher frei von Rechtsfehlern.

III. Bedeutung für die Praxis

M.E. zutreffend. Denn entscheidend für die Annahme von zwei Taten und die Anwendung des § 53 StGB ist die Zäsur bei der Dauerstraftat „fahrlässige Trunkenheit im Verkehr“ (§ 316 StGB) durch ein Geschehen, das den Tatablauf unterbricht. Ob es sich dabei nun um einen Unfall i.S.v. § 142 StGB handelt oder ein anderes Geschehen, kann keine Rolle spielen. Maßgeblich ist, dass sich der Angeklagte „danach“ neu entscheiden muss und dies dann in Kenntnis seiner Fahruntauglichkeit tut. Damit wird das „neue“ Geschehen als neue Tat – nun eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) – erfasst, die zu der fahrlässigen Tat in Tatmehrheit nach § 53 StGB steht. Für die Strafzumessung ist das dann unschön.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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