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Strafrechtlicher Schutz von Geschwindigkeitsmessvorrichtungen

1. Eine Anlage im Sinne des § 316b Abs. 1 StGB ist eine systematische Zusammenstellung verschiedener Gegenstände für eine gewisse Dauer zu einem Funktionsablauf. Eine feste Verbindung mit dem Boden oder sonstige Ortsfestigkeit sind nicht erforderlich.

2.Im Regelfall stellen Geschwindigkeitsmessvorrichtungen solche Anlagen dar und dienen der öffentlichen Sicherheit.

(Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urt. v. 25.2.2021 – 3 StR 365/20

I. Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen der Störung öffentlicher Betriebe verurteilt. Der Angeklagte erfuhr von Plänen des Mitangeklagten, aus Rache und zur Bestrafung „Blitzer“ zu zerstören. Er teilte dem Mitangeklagten den Standort einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage mit. Er holte den Mitangeklagten ab und fuhr ihn zu dem Radargerät, um dieses einem gemeinsamen Tatplan entsprechend zu entfernen. Während es der maskierte Mitangeklagte an sich nahm, wendete der Angeklagte sein Fahrzeug. Der Mitangeklagte verstaute die Radaranlage zunächst im Bereich der Mittelkonsole. Er entsorgte sie alsdann auf Vorschlag des Angeklagten von einer Brücke aus in einem Gewässer. Der Wiederbeschaffungswert des Lasermessgerätes Leivtec XV3 betrug rund 17.550 EUR. Die Revision des Angeklagten bleib erfolglos.

II. Entscheidung

Das LG habe die Tat zurecht als Störung öffentlicher Betriebe nach § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet. Die Geschwindigkeitsmessvorrichtung stelle eine Anlage dar (im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe DAR 2012, 647 = VRR 2012, 393 [DeutscherFischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 316b Rn 5). Eine Anlage im Sinne des § 316b Abs. 1 StGB sei eine systematische Zusammenstellung verschiedener Gegenstände für eine gewisse Dauer zu einem Funktionsablauf. Eine feste Verbindung mit dem Boden oder sonstige Ortsfestigkeit seien nicht erforderlich. Das allgemeine Wortlautverständnis der Anlage beinhalte keine abgegrenzte Begriffsdefinition. Es impliziere jedoch, dass verschiedene Komponenten zusammenkommen. Allerdings sei in den Blick zu nehmen, dass nicht jeder Gegenstand, der aus mehreren Bauteilen zusammengesetzt ist, zugleich eine Anlage darstellt. Dagegen spreche bereits, dass ein Betrieb der Anlage möglich sein muss, sie also in Funktion gesetzt werden kann. Die bloße Nutzung eines Gegenstandes stelle noch keinen solchen Betrieb dar. Daneben verlange eine „Anlage“ keine Ortsfestigkeit Dies verdeutlichten solche gesetzlichen Regelungen, die sich ausdrücklich auf ortsfeste Anlagen beschränken (beispielsweise § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwGO). Etwas anderes ergebe sich nicht aus der Gesetzessystematik (offen gelassen von BGHSt 58, 253 = NJW 2013, 2916 = VRR 2013, 310 [Deutscher]). Dass in verschiedenen Vorschriften desselben Abschnitts des Strafgesetzbuchs neben Anlagen etwa Beförderungsmittel (§ 315 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder Fahrzeuge (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB) genannt sind, lasse zwar den Schluss zu, der Gesetzgeber habe diese dort nicht als Anlagen verstanden. Dem sei indes nicht zu entnehmen, dass Grund hierfür gerade die fehlende Ortsfestigkeit der genannten Gegenstände ist. Im Übrigen könne der Begriff der Anlage wegen seiner Weite nicht für die gesamte Rechtsordnung einheitlich, sondern lediglich normbezogen ausgelegt werden. Für den von § 316b StGB geschützten ordnungsgemäßen Ablauf der für die Öffentlichkeit bestimmten Unternehmen, Einrichtungen und Anlagen sei auch nicht entscheidend, welchen Umfang eine Anlage hat. Dass eine Sachgesamtheit ihrerseits einer übergeordneten Einrichtung dient, nehme ihr ebenfalls nicht die Eigenschaft als Anlage (OLG Karlsruhe a.a.O.; a.A. OLG Stuttgart NStZ 1997, 342). Zu einer solchen einschränkenden Auslegung des Gesetzes bestehe kein Anlass. Dabei sei zu bedenken, dass eine Anlage regelmäßig Teil einer Einrichtung ist, das heißt einer aus Personen und Sachen zusammengesetzten Mithin liefe der Anwendungsbereich der Anlage bei einer einschränkenden Auslegung weitgehend leer.

Nach den dargelegten Maßstäben handele es sich bei der Messvorrichtung um eine Anlage. Unabhängig davon, dass Gerätschaften für die Geschwindigkeitsmessung im Allgemeinen aus verschiedenen, voneinander trennbaren Komponenten wie etwa aus Messeinheit, Rechnereinheit und Bedienelement zusammengesetzt sind, gelte dies jedenfalls für das im angefochtenen Urteil spezifizierte, mit einem Stativ versehene System (allgemein OLG Karlsruhe a.a.O.). Es sei darauf ausgelegt, für fortlaufende Messungen betrieben und nicht lediglich durch eine vor Ort anwesende Person zu einzelnen Messungen genutzt zu werden. Schließlich überschreite es nicht den Wortlaut, mobile Messvorrichtungen ebenso wie stationäre als Anlagen anzusehen. Die Geschwindigkeitsmessanlage diene der öffentlichen Sicherheit. Diese beinhalte im Sinne der polizeilichen Generalklausel die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung Es sei nicht geboten, den insofern näher konturierten Begriff in dem hier gegebenen Zusammenhang anders zu verstehen. Mithin unterfalle der öffentlichen Sicherheit auch die Beachtung der Verkehrsregeln, insbesondere die Einhaltung der vorgegebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen durch entsprechende Messanlagen solle nicht allein Grundlage für eine folgende Ahndung etwaiger Ordnungswidrigkeiten sein, sondern vielmehr den Gefahren des Straßenverkehrs entgegenwirken. Eine solche doppelfunktionale Ausrichtung von sowohl repressiven als auch präventiven Maßnahmen lasse die angestrebte Gefahrenabwehr nicht entfallen. Dies gelte umso mehr, als allgemeines vorrangiges Ziel der Verkehrsüberwachung die Verkehrsunfallprävention ist. Dafür komme es nicht entscheidend darauf an, ob die Messung angekündigt ist oder verdeckt geschieht (anders OLG Braunschweig a.a.O.).

Die Täter hätten den weiteren Betrieb der Messanlage, indem sie zunächst wesentliche zur Anlage gehörende Sachen beseitigten und dann zerstörten. Da sie gerade durch das Fortschaffen und Entsorgen die Fortführung der Geschwindigkeitsmessung beeinträchtigten, sei der zweiaktige Tatbestand verwirklicht (s. allgemein BGHSt 58, 253 = NJW 2013, 2916 = VRR 2013, 310 [Deutscher]). Liegt eine Anlage im Sinne des Gesetzes vor, könne sich die Tathandlung nicht bloß auf eine, sondern auch auf sämtliche ihrer Komponenten beziehen. Zwar werde eine Zerstörung eines Großteils oder aller Einzelteile regelmäßig ohne weiteres den Betrieb der Anlage stören oder hindern. Dies lasse allerdings nicht den Umkehrschluss zu, wegen der Zweiaktigkeit der Norm könne eine solche komplette Zerstörung nicht tatbestandsmäßig sein, da gleichsam die erste Stufe und die zweite Stufe zusammenfielen.

III. Bedeutung für die Praxis

Wenngleich der BGH sich bereits mit der Anwendung des § 316b StGB bei Einwirkungen auf Messanlagen zu befassen hatte (BGHSt a.a.O.), hat sich der 3. Senat in seinem für BGHSt vorgesehenen Urteil hier erstmalig mit der Frage befasst, ob Geschwindigkeitsmessvorrichtungen eine vom Tatbestand des § 316b Abs. 1 StGB erfasste Anlage sein können. Der Senat hat diese praxisrelevante Frage für den Regelfall bejaht. Das ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Zum einen hat das die h.A. bislang anders gesehen (stv. Fischer a.a.O.). Auch das Erfordernis der Ortsfestigkeit der Vorrichtung spielt keine Rolle mehr. Schließlich ist es für die Voraussetzung, die Anlage müsse der öffentlichen Sicherheit dienen, ohne Belang, dass doppelfunktional sowohl präventive als auch repressive Zwecke mir der Vorrichtung verfolgt werden. Mit diesen überzeugenden Maßgaben kann der Bewertung des BGH gefolgt werden, zumal es sich mit Blick auf den Schutz der Verkehrssicherheit um ein strafwürdiges Verhalten handelt. Zu beachten bleibt aber, dass nicht jede Einwirkung auf die Funktionsfähigkeit einer Messanlage den Tatbestand erfüllt. Nicht erfasst ist etwa das bloße Verdecken des Messtrahls durch ein vor der Anlage abgestelltes Fahrzeug (BGHSt a.a.O.).

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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