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Fahrverbot wegen Beharrlichkeit nach verbotener Nutzung elektronischer Geräte

1. Ein Fahrverbot nach § 25 StVG kann auch wegen mehrerer leichterer Verkehrsordnungswidrigkeiten verhängt werden.

2. Der folgenlos gebliebene vorsätzliche Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO steht wegen der regelmäßig gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsverstößen gleich, weshalb bei Vorliegen entsprechender Vorahndungen die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines (unbenannten) beharrlichen Pflichtverstoßes in Betracht kommt (Anschluss an BayObLG VRR 1/2021, 17 [Deutscher]).

(Leitsätze des Gerichts)

KG, Beschl. v. 4.2.2021 – 3 Ws (B) 6/21

I. Sachverhalt

Das AG hat den Betroffenen wegen vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Geräts – begangen am 17.3.2020 – zu einer Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Am 22.4.2018 benutzte er als Führer eines Kraftfahrzeugs vorsätzlich ein elektronisches Gerät. Noch vor der Rechtskraft jener Entscheidung überschritt der Betroffene am 18.5.2018 die Geschwindigkeit innerorts um 23 km/h. Am 4.1.2019, überschritt der Betroffene erneut die Geschwindigkeit innerorts um 24 km/h. Seine Rechtsbeschwerde blieb erfolglos.

II. Entscheidung

Beharrlich begangen seien Pflichtverletzungen, die ihrer Art oder den Umständen nach nicht bereits zu den objektiv oder subjektiv groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), durch deren wiederholte Begehung der Täter aber zeigt, dass ihm die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche rechtstreue Gesinnung und notwendige Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlen, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen verletzt (Handlungsunwert; OLG Bamberg NJW 2007, 3655). Bei der Anordnung eines Fahrverbotes sei den Gerichten ein Rechtsfolgenermessen eingeräumt. Sind – wie hier – die Voraussetzungen für ein Regelfahrverbot nach der BKatV nicht gegeben, bedürfe es näherer Feststellungen, ob die Anordnung eines Fahrverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Nur wenn die Beharrlichkeit der Pflichtverletzung von ähnlich starkem Gewicht wie im Regelfall des § 4 Abs. 2 BKatV ist, komme daher die Anordnung eines Fahrverbotes in Betracht. Denn nur dann werde es geboten sein, mit dieser Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme auf den Betroffenen einzuwirken. Dem Zeitmoment komme dabei, wie sich § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Taten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben seien insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten.

Der Betroffene sei innerhalb von nicht einmal zwei Jahren viermal bußgeldrechtlich in Erscheinung getreten. Zutreffend habe das AG zugunsten des Betroffenen eingestellt, dass es sich bei der folgenlos gebliebenen Nutzung des Mobiltelefons um einen noch leichten Verstoß handelt. Andererseits habe es das zeitliche Moment berücksichtigt, das eine hohe Rückfallgeschwindigkeit ausweist. Bereits der Umstand, dass die Geldbußen sowohl der ersten als auch der zweiten Voreintragung bereits wegen einer Voreintragung im Vergleich zur Regelgeldbuße erhöht worden waren, demonstriere, dass dieser Appell an das Verhalten der Betroffenen im Straßenverkehr vergeblich war. Es bestehe zwischen den vier Verkehrsordnungswidrigkeiten der erforderliche innere Zusammenhang, der den Schluss auf eine auf mangelnder Verkehrsdisziplin beruhende Unrechtskontinuität zulässt. Der wiederholte Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO stehe wertungsmäßig in einer Reihe mit anderen typischen Massenverstößen gegen bußgeldrechtliche Bestimmungen wie etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen (BayObLG, Beschl. v. 15.9.2020 – 202 ObOWi 1044/20 = VRR 1/2021, 17 [Deutscher]). Diese Wertung werde belegt durch die am 19.10.2017 in Kraft getretene Neufassung des § 23 Abs. 1a und 1b StVO (BGBl 2017 I, 3549), denn dieser Verstoß habe gleichzeitig Aufnahme in Teil II des BKat gefunden (lfd. Nrn. 246.1, 246.2). Außerdem sei § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKatV um die jeweils ein einmonatiges Fahrverbot vorsehenden Nummern 246.2 und 246.3 des BKat (Gefährdung oder Sachbeschädigung) ergänzt worden (BayObLG DAR 2019, 630 = zfs 2019, 588 m. Anm. Krenberger = VRR 9/2019, 23 [Deutscher]). Dies veranschauliche, dass der Verordnungsgeber der besonderen Gefährlichkeit und Unfallgeneigtheit des Verstoßes infolge Blick-Abwendung und der damit zwangsläufig einhergehenden gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung des Kraftfahrzeugführers bei gleichzeitiger massiver Steigerung des Gefährdungspotentials für Leib und Leben Dritter Rechnung tragen will. Es sei vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass das AG unter Berücksichtigung der abstrakten Gefährlichkeit des wiederholten Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO, die jeweils vorsätzliche Begehungsweise und die – wenngleich nicht einschlägigen – zwei Voreintragungen im Ergebnis das Fahrverbot als notwendig und verhältnismäßig angesehen hat. Dass hinsichtlich der Geschwindigkeitsverstöße der in § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV genannte Wert von 26 km/h in beiden Fällen noch nicht erreicht worden ist, ändere nichts daran, dass das AG in der Gesamtschau rechtsfehlerfrei der Beharrlichkeit der Pflichtverletzung ein dem Regelfall vergleichbares Gewicht zugemessen und nachvollziehbar begründet hat.

III. Bedeutung für die Praxis

Das KG gibt hier einen kurzen Überblick über die Voraussetzungen für die Anordnung eins Fahrverbots wegen beharrlicher Pflichtverletzung nach dem Grundtatbestand des § 25 Abs. 1 StVG (näher Burhoff/Deutscher, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 1611 ff.). Angesichts der Vorbelastungen und deren zeitlichen Zusammenhangs erscheint die Anordnung des Fahrverbots hier im Einzelfall auch durchaus nachvollziehbar. Zu bedauern ist allerdings, dass sich das KG im Grundsatz dem BayObLG angeschlossen hat, dass für Fälle wie diesen regelmäßig die Anordnung eines Fahrverbots unabhängig davon postuliert hat, ob der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO Anlasstat oder Vortat ist (DAR 2019, 630 = zfs 2019, 588 m. Anm. Krenberger = VRR 9/2019, 23 [DeutscherWillDeutscher]). Es überzeugt nicht, für die Fälle der Benutzung elektronischer Geräte ohne Gefährdung oder Sachbeschädigung faktisch einen ungeschriebenen Regelfall für die Anordnung eines Fahrverbots anzunehmen, den der Verordnungsgeber gerade nicht geschaffen hat (näher dazu meine zuvor genannten Besprechungen). Es steht zu befürchten, dass auch andere Obergerichte dieser Linie folgen werden. Die Praxis muss sich hierauf einrichten. Für Verteidiger ist es dabei aber umso mehr von Bedeutung, auf die Relevanz der Einzelfallentscheidung hinzuweisen („innerer Zusammenhang“).

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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