Beitrag

„Bitte melde Dich!“ – Wie oft muss der Pflichtverteidiger den inhaftierten Mandanten besuchen?

I.

Einführung

In Haftsachen ist vermehrt eine Erwartungshaltung zu beobachten, wonach der Verteidiger für den inhaftierten Mandanten quasi rund um die Uhr verfügbar sein und sich neben dem Strafverfahren auch um seine sonstigen haftbedingten Nöte kümmern sowie seine Angehörigen betreuen müsse. Dies, aber auch die Pflichtvergessenheit einiger weniger Rechtsanwälte, die sich nicht in gebotener Weise um das Mandat kümmern und so zum schlechten Ruf der Pflichtverteidigung beitragen, führt in der Praxis immer wieder zu Unstimmigkeiten bis hin zu offenem Streit, der bei Pflichtmandanten nicht selten in einen Entpflichtungsantrag mündet, mit dem dann der Vorwurf erhoben wird, der Pflichtverteidiger erfülle seine Aufgabe nicht, sondern sei stattdessen untätig. Derselbe Vorwurf wird immer wieder auch erhoben, wenn ein neuer Verteidiger selbst zum Pflichtverteidiger bestellt werden will und deshalb – nicht selten nachdem zuvor ein einvernehmlicher Verteidigerwechsel gescheitert war – nach Gründen für eine Entpflichtung des bisherigen Verteidigers gesucht wird.

Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über das vom Pflichtverteidiger in Haftsachen geschuldete (Mindest-)Engagement und zeigen auf, unter welchen Voraussetzungen ein untätiger Verteidiger ausgewechselt werden kann bzw. wann der Verteidiger mit einer Entpflichtung rechnen muss. Darüber hinaus wird auf die jüngst zu dieser Thematik ergangene Rechtsprechung eingegangen.

II.

Vertrauensverlust wegen Untätigkeit

1.a) Eine angemessene, rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Strafverteidigung setzt zwingend ein intaktes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten/Angeklagten und seinem Pflichtverteidiger voraus. Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen und in § 143 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO geregelt, dass die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen ist, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger endgültig zerstört ist. Hierfür genügt indes weder jede geringfügige Störung noch reicht allein der Wunsch des Beschuldigten nach einer Auswechslung des Pflichtverteidigers aus. Vielmehr ist eine Entpflichtung nur dann angezeigt, wenn konkrete Umstände vorgetragen sind, aus denen sich ergibt, dass eine nachhaltige und nicht mehr zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliegt und deshalb zu besorgen ist, dass die Verteidigung nicht mehr objektiv sachgerecht geführt werden kann. Dies ist, ganz ähnlich wie im Befangenheitsrecht, vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus zu beurteilen (s. hierzu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl. 2022, Rn 3522 ff. m.w.N.).

b) Wer unter Berufung auf einen Vertrauensverlust die Entpflichtung des Pflichtverteidigers beantragt, hat hohe Anforderungen an das Antragsvorbringen zu beachten: Der Beschuldigte darf sich zur Begründung seines Ansinnens nicht auf die Erhebung pauschaler, nicht näher belegter Vorwürfe beschränken, sondern er muss eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses substantiiert darlegen (st. Rspr., s. nur BGH, Beschl. v. 22.2.2023 – 1 StR 480/22; Beschl. v. 25.8.2023 – 5 StR 350/23; OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.1.2023 – 1 Ws 6/23). Werden diese Substantiierungsanforderungen – wie häufig – nicht erfüllt, ist der Entpflichtungsantrag chancenlos und auch den Gang zum Beschwerdegericht können sich der Beschuldigte und der ins Mandat drängende neue Verteidiger dann regelmäßig sparen.

2. Es ist in der Rechtsprechung aber anerkannt, dass eine unzureichende Kontaktaufnahme zum inhaftierten Beschuldigten das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstören kann. Bei völliger Untätigkeit halten sich dann ungeachtet der von den Gerichten sonst an den Tag gelegten Strenge auch die Darlegungsanforderungen in Grenzen. Zwar gibt es insoweit keinen festen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen der Verteidiger sich nach erfolgter Beiordnung zwingend zu dem inhaftierten Mandanten begeben muss, und auch für den weiteren Verfahrensverlauf hat er keinen vorgegebenen Takt einzuhalten. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte ist aber anerkannt, dass jedenfalls bei einer über zwei Monate oder gar noch länger ausbleibenden Kontaktaufnahme eine Entpflichtung zu erfolgen hat (so etwa LG Kiel, Beschl. v. 6.4.2022 – 7 KLs 592 Js 48961/21; weitere Rechtsprechungsbeispiele hierzu bei Burhoff a.a.O. Rn 3523).

Zu beachten ist jedoch, dass der Pflichtverteidiger nicht gehalten ist, den Mandanten allzu engmaschig in der JVA zu besuchen oder sich gar auf jede Anforderung sofort dorthin zu begeben. Denn es liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Verteidigers, in welchem Umfang und auf welche Weise er mit dem Beschuldigten Kontakt hält. Der BGH verlangt insoweit lediglich die Einhaltung unverzichtbarer Mindeststandards, freilich ohne diese exakt zu definieren (BGH, Beschl. v. 10.8.2023 – StB 49/23; Beschl. v. 24.3.2021 – StB 9/21).

Diese Rechtsprechung war für die Praxis der Instanzgerichte ebenso hilfreich wie für zu Unrecht der Untätigkeit bezichtigte Pflichtverteidiger, stellte sie doch eine recht effektive Abwehrmöglichkeit gegen Versuche dar, den Pflichtverteidiger aus dem Verfahren zu drängen. Denn es war klar, dass ein Entpflichtungsantrag nicht allein darauf gestützt werden kann, dass der Pflichtverteidiger den Angeklagten nicht so oft besucht hat, wie dieser es sich gewünscht hätte; der Pflichtverteidiger fungiert insoweit nicht als „Kindermädchen“ seines Mandanten (OLG München, Beschl. v. 25.10.2021 – 3 Ws 820/21; s. auch LG Magdeburg, Beschl. v. 10.8.2023 – 2 Ks 2/23). Auch konnten so Versuche von Angeklagten, das Verfahren durch (häufig erst kurz vor Beginn der Hauptverhandlung angebrachte) Anträge auf einen Verteidigerwechsel zu verzögern, unterbunden werden.

III.

Neuere Rechtsprechung

In jüngerer Zeit sind jedoch Entscheidungen ergangen, die die Anforderungen an die Tätigkeit des Pflichtverteidigers bedenklich weit abzusenken scheinen. So hat das OLG München nicht nur entschieden, dass dem Pflichtverteidiger unterlassene Besuche zur Vorbereitung der Hauptverhandlung nicht vorgeworfen werden können, wenn die Hauptverhandlung erst in einigen Wochen beginnt und daher noch genügend Zeit zur Vorbereitung bleibt, sondern darüber hinaus auch ausgeführt, dass der Pflichtverteidiger den inhaftierten Angeklagten nicht ohne Notwendigkeit besuchen müsse (OLG München a.a.O.). Zudem hat das OLG betont, nicht jede Entscheidung bedürfe einer Besprechung zwischen Beschuldigtem und Verteidiger.

Letzterem ist sicherlich zuzustimmen und es liegt auch auf der Hand, dass der Pflichtverteidiger den Beschuldigten nicht lange vor Beginn der Hauptverhandlung besuchen muss, wenn zu deren sachgerechter Vorbereitung noch genügend Zeit bleibt. In diesem Fall darf der Pflichtverteidiger priorisieren und sich zunächst um seine vorher zur Verhandlung anstehenden Fälle kümmern. Schwierig ist aber die Aussage des Senats, dass der Pflichtverteidiger sich nicht ohne Notwendigkeit in die JVA begeben müsse. Denn diese Aussage erweitert den Spielraum des Verteidigers nochmals deutlich, da das OLG München nicht wie andere Gerichte auf den Ablauf bestimmter Zeiträume (meist mehrere Monate, s.o.) abgestellt hat, sondern allein auf die Frage der Notwendigkeit eines Haftbesuchs.

Hinzu kommt, dass der Senat sich nicht dazu verhält, unter welchen konkreten Voraussetzungen von der Notwendigkeit eines Besuchs auszugehen ist, und die Beantwortung dieser Frage damit in die Hände des Verteidigers legt. Damit stünde es letztlich in dessen Belieben, ob er den Mandanten besucht oder nicht; die bisherigen Grenzen des dem Pflichtverteidiger zustehenden Ermessensspielraums wären gesprengt.

Darüber hinaus hat sich kürzlich auch der BGH zur Frage der Haftbesuche geäußert und dabei die Latte für eine Entpflichtung nochmals höher gelegt (BGH, Beschl. v. 10.8.2023 – StB 49/23). In diesem Fall hatte das OLG in einer Staatsschutzsache einen Verteidigerwechsel abgelehnt, wogegen der Angeschuldigte sich mit der sofortigen Beschwerde zu wehren versuchte und dabei dem Pflichtverteidiger unter anderem vorwarf, er habe nicht in ausreichendem Maße Kontakt zu ihm gehalten. Nach dem Vortrag des seit dem 6.4.2022 inhaftierten Angeschuldigten hatte der Pflichtverteidiger im Vorfeld eines Haftprüfungstermins am 24.4.2022 telefonisch und bei eben jenem Termin persönlichen Kontakt mit dem Angeschuldigten. Anschließend suchte der Pflichtverteidiger den Angeschuldigten im Juni 2022 in der JVA auf und informierte ihn im Mai 2023, nachdem die Anklage zugestellt worden war, schriftlich über den Verfahrensstand. Zugleich bot er an, den Angeschuldigten auf Wunsch in der JVA aufzusuchen; für den Fall, dass der Angeschuldigte dies nicht wünschen sollte, werde er rund drei bis vier Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung zur Besprechung kommen.

Dies genügte dem BGH für eine Entpflichtung nicht. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Angeschuldigte neben dem Pflichtverteidiger bereits seit April 2022 einen Wahlverteidiger hatte. Zudem habe sich der Pflichtverteidiger, wie sich aus seinem Schreiben an den Angeschuldigten ergebe, weiter um den Austausch mit diesem bemüht.

Bis dahin entspricht die Entscheidung der bisherigen Linie des BGH, wonach Entpflichtungen wegen eines vermeintlich zerrütteten Vertrauensverhältnisses eher selten in Betracht kommen. Der BGH ist hier mitunter sehr zurückhaltend, was sich schon daran zeigt, dass der Senat den Umstand, dass der Pflichtverteidiger zwischen Juni 2022 und Mai 2023, mithin beinahe ein Jahr, keinen Kontakt zu seinem Mandanten hatte, nicht für erörterungsbedürftig hielt. Überraschend ist allerdings die Aussage, dass ein Vertrauensverlust nicht darauf gestützt werden könne, dass der Pflichtverteidiger den Angeschuldigten nicht unaufgefordert besuchte. Während das OLG München in seiner vorgenannten Entscheidung auf die Notwendigkeit eines Besuches abstellte, geht der BGH noch einen Schritt weiter und legt sein Augenmerk darauf, dass sich der Angeschuldigte nicht von sich aus bei seinem Verteidiger gemeldet hat. Es scheint also, so eine zumindest mögliche Interpretation, Sache des Mandanten zu sein, sich um Haftbesuche zu kümmern.

Diese Vorlage des BGH hat dann mit dem OLG Naumburg bereits das erste OLG aufgenommen und seinerseits betont, dass die Tatsache, dass die Pflichtverteidigerin den Angeklagten nicht unaufgefordert besuchte, keine endgültige Störung des Vertrauensverhältnisses begründe (OLG Naumburg, Beschl. v. 4.9.2023 – 1 Ws 326/23). Zudem habe der Angeklagte, gegen den die StA den Vorwurf des Mordes (!) erhoben und gegen den die Schwurgerichtskammer das Hauptverfahren wegen Totschlags eröffnet hatte, einen Beratungsbedarf, etwa im Blick auf seine anstehende Exploration oder den Beginn der Hauptverhandlung, nicht an die Pflichtverteidigerin herangetragen. Dieser habe sich ein Beratungsbedarf auch nicht derart aufdrängen müssen, dass sie gehalten gewesen wäre, den Angeklagten unaufgefordert aufzusuchen.

Wenngleich das OLG Naumburg durchaus zu Recht in seine Erwägungen einbezogen hat, dass der Angeklagte, der zudem auf eine schriftliche Mitteilung der Pflichtverteidigerin nicht reagiert hatte, auch durch einen Wahlverteidiger vertreten ist und die Tätigkeit eines solchen durchaus Einfluss auf die Obliegenheiten des daneben bestellten Pflichtverteidigers haben kann, erscheint die durch derartige Entscheidungen vorgegebene Entwicklung bedenklich.

Denn zum einen schützt sie in unangemessener, weil zu weitreichender Weise Pflichtverteidiger, die ihren im Rechtsstaatsprinzip und im Fairnessgrundsatz wurzelnden gesetzlichen Auftrag, nämlich die Sicherung einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten, nicht hinreichend wahrnehmen, und zum anderen führen solche Entscheidungen im Ergebnis dazu, dass der Beschuldigte letztlich selbst für eine ordnungsgemäße Mandatsführung seines Verteidigers Sorge zu tragen hat. So weit darf sich ein Pflichtverteidiger jedoch auch dann nicht zurückziehen, wenn zusätzlich ein Wahlverteidiger in das Verfahren eintritt, denn seine Pflicht, die unverzichtbaren Mindeststandards einzuhalten, bleibt davon unberührt. Hält das Gericht die weitere Mitwirkung des Pflichtverteidigers für überflüssig, hat es die Beiordnung nach § 143a Abs. 1 S. 1 StPO aufzuheben, die Aufrechterhaltung der Bestellung eines weitgehend untätigen Pflichtverteidigers hingegen ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich einer Strafverteidigerin nicht aufdrängen soll, dass ein Mandant, dem ein Tötungsdelikt, mithin eine denkbar schwere Straftat, vorgeworfen wird, vor einer Exploration durch einen Sachverständigen oder vor Beginn der Hauptverhandlung Beratungsbedarf hat. Vielmehr ist es eine selbstverständliche Pflicht der Verteidigung, den Mandanten vor solchen Ereignissen, die den Ausgang des Verfahrens offensichtlich ganz maßgeblich beeinflussen können, aufzusuchen und zu beraten. Unterbleibt diese zwingend erforderliche Beratung, darf die Rechtsprechung dies nicht hinnehmen.

Anders verhält es sich allenfalls dann, wenn der Beschuldigte eine Zusammenarbeit mit dem Pflichtverteidiger verweigert, etwa weil er nur von seinem Wahlverteidiger vertreten werden möchte und deshalb Besuche ausdrücklich ablehnt oder sich weigert, sich für eine Besprechung mit dem Anwalt in das Besuchszimmer bringen zu lassen. In diesem Fall ist der Pflichtverteidiger nicht gehalten, neuerliche vergebliche Besuchsversuche zu unternehmen. Im Regelfall muss man aber vom Pflichtverteidiger verlangen, sich vor einem Verfahrensabschnitt, der den Gesamtausgang des Prozesses ganz wesentlich beeinflussen kann, eigenständig mit seinem Mandanten in Verbindung zu setzen und die weitere Vorgehensweise zu erörtern.

Zwar gibt es im Einzelfall sicher Beschuldigte, die aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten in der Lage sind, einen etwaigen Beratungsbedarf selbst anzumelden und das gegen sie geführte Verfahren so weit mitzuverfolgen und zu durchdringen, dass ein zunächst nur schriftlicher Kontakt zu ihrem Verteidiger genügt. Die Mehrzahl der Untersuchungsgefangenen dürfte hiermit jedoch überfordert sein. Von eher einfach strukturierten Beschuldigten, Beschuldigten ohne hinreichende Deutschkenntnisse oder von Beschuldigten mit ausgeprägter Alkohol- oder Betäubungsmittelproblematik, bei denen womöglich die Schuldfähigkeit in Frage steht oder bei denen gar eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt, kann nicht erwartet werden, Beratungsbedarf bei ihrem Verteidiger eigenständig anzumelden oder einen solchen auch nur zu erkennen. Stattdessen ist es die Aufgabe des Pflichtverteidigers, im Rahmen seines Ermessensspielraums zumindest so weit Kontakt mit dem Beschuldigten zu halten, dass dieser über den Stand des Verfahrens informiert ist und etwaige Fragen zu den wesentlichen Aspekten an seinen Verteidiger richten kann.

Auch wird man solche Beschuldigte grundsätzlich nicht auf einen rein schriftlichen Kontakt verweisen können. Denn dieser vermag, wie das AG München (Beschl. v. 12.2.2021 – 813 Ds 468 Js 192842/20) nachvollziehbar entschieden hat, die persönliche Beratung nicht zu ersetzen, schon allein deshalb, weil der Beschuldigte keine direkten Rückfragen an seinen Verteidiger richten kann. Abgesehen davon dürfte ein Beratungsgespräch, in dem die offenen Punkte direkt angesprochen werden, insgesamt weniger Zeit in Anspruch nehmen als ein möglicherweise längerer Schriftwechsel.

IV.

Exkurs: Nicht-Haftsachen

Befindet sich der Beschuldigte auf freiem Fuß, sind die Anforderungen an den Pflichtverteidiger im Hinblick auf die Kontaktaufnahme geringer. Denn im Gegensatz zum inhaftierten Beschuldigten hat der Mandant hier deutlich einfachere Möglichkeiten, sich mit dem Verteidiger in Verbindung zu setzen. Auch ist er bei erforderlichen Besprechungen nicht an Vorgaben der Justizvollzugsanstalt, etwa was die Besuchszeiten betrifft, gebunden.

Macht der Beschuldigte von seiner Möglichkeit, mit dem Pflichtverteidiger in Kontakt zu treten, Gebrauch, muss dieser jedoch in angemessener Zeit reagieren. Zwar ist der Pflichtverteidiger nicht gehalten, jederzeit für seinen Mandanten erreichbar zu sein, sondern es steht auch hier in seinem pflichtgemäßen Ermessen, in welchem Umfang und auf welche Weise er Kontakt hält (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.6.2021 – 3 Ws 200/21). Gewisse Mindeststandards müssen jedoch auch in Nicht-Haftsachen gewahrt werden. Diese sind jedenfalls dann verletzt, wenn der Pflichtverteidiger über ein Jahr (!) nach seiner Bestellung keinen Kontakt zu seinem Mandanten aufnimmt und auch nicht auf dessen Kontaktaufnahmeversuche reagiert. In einem solchen Fall ist das Vertrauensverhältnis zerstört und die Entbindung des Pflichtverteidigers von seiner Aufgabe gerechtfertigt (LG Görlitz, Beschl. v. 28.6.2021 – 11 Qs 4/21).

Richter am Oberlandesgericht Thomas Hillenbrand, Stuttgart

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