Bei Schwarzlohnzahlung ist der Betrag der hinterzogenen Lohnsteuer im Unterschied zu der Bestimmung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge nicht nach einem hochgerechneten Bruttogehalt (§ 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV), sondern aufgrund der ausgezahlten Lohnsumme zu berechnen.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Betrieb einer Pizzeria
Der Angeklagte betrieb im Tatzeitraum Januar 2011 bis Dezember 2014 eine Pizzeria. Er hatte in diesem Tatzeitraum zahlreiche Arbeitnehmer, denen er den Lohn ganz oder teilweise schwarz auszahlte, insofern wurden die Sozialabgaben nicht oder unvollständig abgeführt. Im Zeitraum September 2011 bis Dezember 2013 gab er Lohnsteueranmeldungen mit zu geringen Löhnen ab. Zudem gab er in seinen Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2011 bis 2013 zu geringe Umsätze an.
Die Vorinstanz – das LG München I – verurteilte ihn wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 48 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe sowie zu einer Gesamtgeldstrafe. Des Weiteren wurde die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.
II. Entscheidung
Fehlerhafte Berechnung
Der BGH erachtet die Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer durch die Vorinstanz, obgleich die diesen Taten zugrunde liegenden Schwarzlohnzahlungen zutreffend von der Vorinstanz ermittelt worden sind, für rechtsfehlerhaft.
Insofern hat die Vorinstanz verkannt, dass zwar im Zusammenhang mit dem Tatbestand des § 266a StGB sich die nicht entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen unter Heranziehung von § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV nach hochgerechneten Bruttogehältern berechnen, indes bei dem Taterfolg der hinterzogenen Lohnsteuer im Zusammenhang mit dem Tatbestand des § 370 AO auf die (Netto-)Lohnsumme abzustellen ist (BGH, Beschl. v. 10.11.2009 – 1 StR 283/09, BeckRS 2010, 690). Insoweit gilt hier nämlich das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 EStG (BGH, Urt. v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528).
Daher war der Strafausspruch bezüglich der Hinterziehung von Lohnsteuer aufzuheben, der Schuldspruch blieb hingegen bestehen. Entsprechend war die Einziehungsentscheidung aufzuheben, soweit sie sich auf die Lohnsteuer bezog.
In diesem Umfang wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
III. Bedeutung für die Praxis
Verwirrend
Die Ausführungen des BGH sind auf den ersten Blick etwas verwirrend und bedürfen einer Erläuterung.
Erläuterung
Nur bei den Sozialabgaben gilt aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV die Nettolohnfiktion. Der Gesetzgeber unterstellt, dass es sich bei dem ausgezahlten Gehalt um den Betrag nach Abzug der Sozialabgaben handelt. Folglich muss noch eine Hochrechnung der an die Arbeitnehmer ausgezahlten Löhne auf einen Bruttolohn zur Bestimmung der Sozialabgabenhöhe erfolgen. Bei der hinterzogenen Lohnsteuer kann nicht ohne Weiteres von einer Nettolohnabrede dergestalt, dass der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber von der Lohnsteuer befreit wird, ausgegangen werden. Somit bemisst sich die hinterzogene Lohnsteuer nach dem ausgezahlten Betrag als Bruttobetrag. Sodann wird die Lohnsteuer nach dem Eingangssteuersatz der Lohnsteuerklasse VI (§ 39c Abs. 1 EStG) berechnet, sofern die individuelle Steuerklasse des jeweiligen Arbeitnehmers unbekannt ist. Bei Teilschwarzlohnabreden ist allerdings die individuelle Lohnsteuerklasse regelmäßig bekannt. Folglich weicht die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Lohnsteuer von derjenigen für die Bemessung der Sozialabgaben ab (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2017, S. 216 m.w.N.; Jäger, in: Klein, AO Kommentar, 16. Aufl. 2022, § 370 Rn 98; Hunsmann, in: Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 380 Rn 281).
Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, wird aber von den unteren Strafgerichten teilweise – wie im Besprechungsfall – nicht berücksichtigt.