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Urteilsgründe nach gutachterlichen Vergleichsuntersuchungen von DNA-Spuren

Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn das Tatgericht die Beweiswürdigung auf die Ergebnisse von gutachterlichen Vergleichsuntersuchungen von DNA-Spuren stützt.

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 12.8.2021 – 2 StR 325/20

I. Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in 16 Fällen verurteilt. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung entscheidend auf die Ergebnisse gutachterlicher Vergleichsuntersuchungen von DNA-Spuren gestützt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.

II. Entscheidung

Dem BGH hat die Darstellung der molekulargenetischen Vergleichsuntersuchungen nicht genügt. Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung sei so auszugestalten, dass diese für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist. Deshalb müsse das Tatgericht in den Urteilsgründen unter Angabe der Spurenart grundsätzlich mitteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher ‒ numerischen ‒ Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (u.a. BGHSt 63, 187, 188 m.w.N.) und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH NJW 2015, 2594 m.w.N.).

Reduzierte Darlegungsanforderungen bestünden – so der BGH – bei DNA-Analysen, die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen; in diesen Fällen genüge die Mitteilung, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten wäre (vgl. BGHSt 63, 187, 189; Beschl. v. 3.11.2020 ‒ 4 StR 408/20; vom 28.8.2018 ‒ 5 StR 50/17). Erforderlich sei aber auch dann die Angabe des Wahrscheinlichkeitsergebnisses in numerischer Form; eine Mitteilung in verbalisierter Form ‒ etwa „es bestünden keine begründeten Zweifel“ an der Spurenurheberschaft des Angeklagten ‒ reiche mangels dahingehend vereinheitlichter Skala bislang jedenfalls nicht (vgl. BGHSt 63, 187, 191).

Bei Mischspuren, also Spuren, die mehr als zwei Allele in einem System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. zur Definition Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), werde von den Tatgerichten grundsätzlich weiterhin verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH StV 2019, 331; Beschl. v. 3.11.2020 ‒ 4 StR 408/20). Lediglich in Fällen, in denen Mischspuren eine eindeutige Hauptkomponente aufweisen (sog. Typ B, vgl. Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), gelten für die Darstellung der DNA-Vergleichsuntersuchung die für Einzelspuren entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urt. v. 2.6.2021 ‒ 6 StR 60/21; Beschl. v. 3.11.2020 ‒ 4 StR 408/20; vom 29.7.2020 ‒ 6 StR 183/20 und 6 StR 211/20).

Diesen Anforderungen genüge das landgerichtliche Urteil bei einigen Taten nicht. Das LG teile schon nicht mit, ob es sich bei den untersuchten Spuren jeweils um Einzelspuren oder Mischspuren handele. Zwar ließen einzelne Formulierungen darauf schließen, dass der DNA-Vergleichsuntersuchung im jeweiligen Fall Mischspuren zugrunde lagen; dies gilt, soweit mit „Mitverursacher“ sowie bezüglich jeweils einer von mehreren Spuren mit „Mischmerkmale“ oder mit „zusammen mit“ einem weiteren DNA-Profil „Mitspurenverursacher“ formuliert werde. Jedoch sei den Urteilsgründen weder zu entnehmen, um welchen Typ einer Mischspur es sich dabei handelte, noch ob im Übrigen durchweg Einzelspuren vorlagen.

Ungeachtet dessen genügten nach dem BGH die Urteilsgründe den Darstellungsanforderungen weder in Bezug auf etwaige Einzelspuren noch in Bezug auf Mischspuren. Die ‒ für beide Spurenarten erforderliche ‒ Mitteilung eines Wahrscheinlichkeitsergebnisses in numerischer Form finde sich allein zu einer Spur mit „Hypothese, dass der Angeklagte K Mitspurenverursacher war, rein rechnerisch eine über eine Milliarde Mal höhere Wahrscheinlichkeit …, als die Hypothese, dass der Angeklagte als Mitspurenverursacher auszuschließen sei“. Den übrigen Ausführungen, dass der Angeklagte „als Verursacher ermittelt“, „verifiziert“ oder „als Verursacher festgestellt“ worden sei bzw. dass die Spuren das DNA-Profil des Angeklagten „aufwiesen“, diesem „entsprachen“ oder mit diesem „übereinstimmten“ sowie dass seine Urheberschaft „praktisch bewiesen“ sei, lasse sich keine den Darstellungsanforderungen genügende Wahrscheinlichkeitsangabe entnehmen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergebe sich nicht, dass im Rahmen der betreffenden Vergleichsuntersuchungen ein bestimmtes Wahrscheinlichkeitsergebnis ermittelt wurde.

Soweit nach der Rechtsprechung des BGH über eine Wahrscheinlichkeitsangabe hinaus für Mischspuren regelmäßig auch Mitteilungen zur Anzahl der untersuchten und übereinstimmenden Merkmalssysteme geboten sind, fehle es überwiegend auch daran. Zwar werde gutachterlichen Wahrscheinlichkeitsberechnungen mittlerweile standardmäßig die Untersuchung von 16 Systemen zugrunde liegen (vgl. auch BGH, Urt. v. 29.4.2021 ‒ 4 StR 46/21). Aus dem Umstand, dass die Strafkammer zu einer Tat ausführe, dass die betreffende Spur „in allen 16 untersuchten Systemen mit dem Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimmte“, sowie zu einer anderen Tat feststelle, dass „in 16 voneinander unabhängigen Merkmalssystemen übereinstimmende Merkmale“ mit denen des Angeklagten bestanden, folge jedoch nicht ohne Weiteres, dass dies bei allen untersuchten Spuren der Fall war.

III. Bedeutung für die Praxis

Mal wieder eine Entscheidung des BGH zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn die Verurteilung des Angeklagten auf eine DNA-Untersuchung gestützt wird. Davon hat es, wie die Zitate des BGH zeigen, in der letzten Zeit einige gegeben. Diese Entscheidung bringt nichts wesentlich Neues, sie fasst aber die Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der Anforderungen an die Urteilsgründe schön zusammen und zeigt, worauf der Verteidiger bei der Begründung der Sachrüge, mit der Lücken in der Beweiswürdigung geltend zu machen sind, achten muss (wegen der Einzelheiten der DNA-Untersuchung Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl. 2022, Rn 1651 ff. bzw. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2022, Rn 1558 ff., jeweils m.w.N.).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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