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Beweisanträge; Fristsetzung; Bescheidung im Urteil

1. Bestimmt der Vorsitzende des Tatgerichts nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen, steht einer Bescheidung von nach deren Ablauf gestellten Beweisanträgen im Urteil grundsätzlich nicht entgegen, dass wieder in die Beweisaufnahme eingetreten worden ist. Dies gilt jedoch ausnahmsweise nicht für solche Beweisanträge, die sich erst aus der Beweisaufnahme nach Wiedereintritt ergeben.

2. Hierzu sind regelmäßig Darlegungen im Beweisantrag erforderlich.

(Leitsätze des Gerichts)

BGH, Beschl. v. 21.4.2021 – 3 StR 300/20

I. Sachverhalt

In der gegen den Angeklagten wegen mehrerer Straftaten geführten Hauptverhandlung hatte die Vorsitzende eine Frist zum Stellen weiterer Beweisanträge gesetzt. Zudem hatte sie darauf hingewiesen, dass nach Fristablauf gestellte Beweisanträge im Urteil beschieden werden könnten, es sei denn, die Einhaltung der Frist sei nicht möglich gewesen; Letzteres sei mit den weiteren Beweisanträgen glaubhaft zu machen.

Nach Ablauf der Frist stellte der Angeklagte weitere Beweisanträge. In der Folge trat die Kammer erneut in die Beweisaufnahme ein und vernahm Zeugen, ehe der Angeklagte im weiteren Verlauf des Verfahrens bis zum erneuten Schluss der Beweisaufnahme abermals weitere Beweiserhebungen beantragte. All diese nach Fristablauf gestellten Anträge wurden nicht durch Beschluss in der Hauptverhandlung, sondern erst im Urteil, mit dem gegen den Angeklagten eine mehrjährige Gesamtfreiheitsstrafe verhängt wurde, verbeschieden.

Die u.a. hierauf gestützte Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

1. Der BGH erachtet die Vorgehensweise der Strafkammer für rechtmäßig. Die Zulässigkeit, über Beweisanträge nach Fristsetzung erst im Urteil zu befinden, entfalle nicht insgesamt dadurch, dass nach Ende der Frist noch weitere Beweise erhoben werden. Die Voraussetzungen des § 244 Abs. 6 S. 4 StPO, nämlich eine Antragstellung nach Fristablauf, lägen nämlich hiervon unabhängig vor. Auch folge aus einer anschließenden Beweisaufnahme nicht ohne Weiteres, dass die Stellung von Anträgen vor Fristablauf nicht möglich war.

Diese Sichtweise entspreche der Intention des Gesetzgebers. Dieser habe hervorgehoben, dass Sinn und Zweck des § 244 Abs. 6 S. 4 StPO eine erneute Fristsetzung nur für solche Beweisanträge erfordere, die sich aus der Beweisaufnahme nach Wiedereintritt ergeben (BT-Drucks 19/14747, S. 33). Für andere Beweisanträge solle die bereits gesetzte Frist ersichtlich ihre Bedeutung behalten.

Entfiele mit dem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme von vornherein die Möglichkeit, nach einer zuvor gesetzten Frist gestellte Beweisanträge im Urteil zu verbescheiden, hätte dies zur Folge, dass über sämtliche nach Fristablauf angebrachten Anträge in der Hauptverhandlung zu befinden wäre. Dies wirke der vom Gesetzgeber bezweckten Verfahrensbeschleunigung entgegen und könne sich sogar letztlich verfahrensverzögernd auswirken. Zudem eröffnete sich die Möglichkeit, zunächst wieder Beweisanträge jeglichen Inhalts stellen zu können, selbst wenn diese in keinem Zusammenhang zu der neuen Beweiserhebung stünden und bereits vor Fristablauf hätten vorgebracht werden können.

2. Für erst nach Fristablauf und Wiedereintritt in die Beweisaufnahme gestellte Beweisanträge stellt der Senat Begründungsanforderungen auf: Wenn der Antragsteller eine Bescheidung seines Antrags noch vor dem erneuten Schluss der Beweisaufnahme begehre, habe er im Antrag darzulegen, inwieweit dieser sich aus der weiteren Beweisaufnahme ergeben hat. Dies ermögliche dem Tatgericht die Klärung, ob es über den Antrag erst im Urteil entscheiden kann oder nicht, und biete zudem die Basis für eine revisionsgerichtliche Prüfung. Es sei in erster Linie der Antragsteller, der dartun könne, ob sich sein weiterer Beweisantrag erst aus den neuen Beweiserkenntnissen ergeben hat, das Tatgericht verfüge nicht über etwaiges ergänzendes, in den Antrag gegebenenfalls einfließendes Wissen. Eine derartige Begründungspflicht sei dem Gesetz auch nicht fremd. Vielmehr sehe § 244 Abs. 6 S. 5 StPO bereits jetzt vor, dass die Tatsachen, welche die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen sind. Insoweit bestehe eine gewisse Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Fallgestaltung.

Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liege nicht vor. Den Verfahrensbeteiligten werde die Möglichkeit, Beweisanträge zu stellen, nicht genommen. Es werde allein der Anspruch, über etwaige Ablehnungsgründe noch vor Abschluss der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt zu werden, beschränkt. Vor dieser Begrenzung erhielten die Beteiligten angesichts der Fristsetzung Gelegenheit, in der Hauptverhandlung zu verbescheidende Beweisanträge zu stellen. Es liege in ihrem Verantwortungsbereich, wenn sie hiervon keinen Gebrauch machen.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Möglichkeit, für die Stellung weiterer Beweisanträge eine Frist zu setzen (§ 244 Abs. 6 S. 3 StPO), stellt ein durchaus scharfes Schwert dar, mit dem das Gericht Verfahrensverzögerungen durch die Stellung immer neuer Beweisanträge begegnen kann. Mit der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen Entscheidung hat der BGH nunmehr die Klinge nochmals nachgeschärft und die bislang strittige Frage, ob im Falle des Wiedereintritts in die Beweisaufnahme nach Fristablauf gestellte Beweisanträge erst im Urteil verbeschieden werden dürfen oder nicht, geklärt. Die Verteidigung stellt dies vor zusätzliche Herausforderungen: Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, kann eine Verbescheidung in der Hauptverhandlung nur noch dann erzwungen werden, wenn sich der Beweisantrag erst aus der Beweisaufnahme nach Wiedereintritt ergibt, es sich also um eine Art „Folgeantrag“ handelt. Die Gründe hierfür hat der Antragsteller darzulegen. Dies bedeutet, dass die Verteidigung bei der Abfassung des Antrags insbesondere darauf achten muss, dass hinreichend deutlich herausgearbeitet wird, dass die Antragstellung eine unmittelbare Folge der nach Wiedereintritt durchgeführten weiteren Beweisaufnahme ist. Unterbleibt dies, wird der Angeklagte erst im Urteil erfahren, was das Gericht von seinem Antrag hält.

Unberührt bleibt allerdings die allgemeine Sachaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO. Drängen die nach Wiedereintritt in die Beweisaufnahme gewonnenen neuen Erkenntnisse zu weiteren Beweiserhebungen, wird man sich dem nicht unter Hinweis auf eine vermeintlich unzureichende Begründung des Antrags der Verteidigung verschließen können.

RiLG Thomas Hillenbrand, Stuttgart

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