Beitrag

Zurückstellung der Benachrichtigung von der Beschlagnahme – „heimliche Beschlagnahme“ (§ 95a StPO)

Das „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ v. 30.6.2021 (BGBl I, S. 2099) hat in § 95a StPO die Möglichkeit der Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten von einer Beschlagnahme bei einem Nichtbeschuldigten eingeführt. Wir stellen Ihnen das Wichtigste zu dieser am 1.7.2021 in Kraft getretenen Neuregelung vor (eingehender Burhoff, Fortentwicklung der StPO u.a. – Die Änderungen in der StPO 2021 – ein erster Überblick, 2021, Rn 28 ff.; demnächst auch in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl. 2022).

I.Allgemeines

Die Beschlagnahme ist in den §§ 95a ff. StPO grundsätzlich als offene Ermittlungsmaßnahme ausgestaltet. Das bedeutet, dass eine Beschlagnahme nach § 35 Abs. 2 StPO den von ihr betroffenen Personen, also insbesondere dem Beschuldigten, bekanntzumachen ist, wenn die Beschlagnahme bei einer anderen, nichtbeschuldigten Person erfolgt. Der Gesetzgeber hat hier eine Gefahr für Ermittlungen gesehen, wenn die Aufdeckung der Beschlagnahme einen Ermittlungserfolg gefährden könne, weil etwa zeitgleich durchgeführte heimliche Ermittlungsmaßnahmen ggf. ihren Sinn verlieren würden (vgl. BT-Drucks 19/27654, S. 59 ff.). Vor diesem Hintergrund ist durch das Gesetz § 95a StPO eingefügt worden. Er gibt in Zukunft die Möglichkeit, die Bekanntgabe einer Beschlagnahme in bestimmten Konstellationen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zurückzustellen. Mit der Regelung ist als (neue) Ermittlungsmaßnahme eine „heimliche Beschlagnahme“ eingeführt worden (krit. zu der Neuregelung und zu verfassungsrechtlichen Bedenken Hiéramente, jurisPR-Strafrecht 3/2021 Anm. 1).

II.Inhalt der Neuregelung des § 95a Abs. 1 StPO

Von § 95a Abs. 1 StPO erfasst wird sowohl der Fall der gerichtlichen Beschlagnahmeanordnung nach § 98a StPO (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl. 2019, Rn 828 [im Folgenden Burhoff, EV, Rn] als auch die gerichtliche Bestätigung einer nichtgerichtlichen Beschlagnahmeanordnung, § 98 Abs. 2 StPO (Burhoff, EV, Rn 901 ff.; zu allem BT-Drucks 19/27654, S. 61 f.). Zulässig ist die „heimliche Beschlagnahme“ nur in den Fällen, in denen ein Dritter einen Gegenstand in Gewahrsam hat, der nach § 94 Abs. 2 StPO beschlagnahmt wird. Mitgewahrsam dürfte ausreichen. Die Zurückstellung der Benachrichtigung erstreckt sich nicht nur auf elektronische Beweismittel (E-Mail-Postfächer, Cloud-Speicher und Ähnliches). Sie gilt vielmehr für sämtliche Fälle der Beschlagnahme bei einer unverdächtigen Person (§ 103 StPO), auch wenn der Hauptanwendungsfall vermutlich im Bereich der Beschlagnahme von elektronischen Beweismitteln zu finden sein wird.

Hinweis

Gibt der Dritte den Gewahrsam (freiwillig) auf und wird der Beschuldigte (Allein-)Gewahrsamsinhaber, fallen die Voraussetzungen für die Zurückstellung der Benachrichtigung nachträglich weg. Der Beschuldigte ist dann nachträglich über die Beschlagnahme zu informieren.

Zulässig ist die Zurückstellung der Benachrichtigung nur gegenüber dem Beschuldigten. Die Zurückstellung der Bekanntgabe auch gegenüber dem Gewahrsamsinhaber, der von der Maßnahme unmittelbar betroffen ist, kommt nicht in Betracht.

Die Zurückstellung der Beschlagnahme nach § 95a StPO kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn die sofortige Bekanntgabe der Beschlagnahmeanordnung nach § 35 Abs. 2 StPO gegenüber dem Beschuldigten den Untersuchungszweck gefährden würde. Zur Beurteilung der Frage, ob die Gefährdung des Untersuchungszwecks gegeben ist, verweist die Gesetzesbegründung auf die Grundsätze zu § 101 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 StPO, der die Zurückstellung der Benachrichtigung bei den verdeckt ausgestalteten Ermittlungsmaßnahmen regelt (BT-Drucks 19/27654, S. 61.). Danach ist eine Gefährdung des Untersuchungszwecks so lange gegeben, wie die begründete Erwartung besteht, dass durch die verdeckte Ermittlungsführung weitere beweiserhebliche Erkenntnisse gewonnen werden können. Es gelten also die allgemeinen Regeln, so dass auf die Rechtsprechung zu § 101 StPO verwiesen werden kann (zu allem Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 101 Rn 19; Burhoff, EV, Rn 2822 und Rn 3621 ff.). Es ist darauf abzustellen, ob die Erforschung des Sachverhalts, mithin die Klärung des gegen den Beschuldigten bestehenden Tatverdachts mittels aller zulässigen Untersuchungshandlungen, durch die sofortige Offenlegung gefährdet ist (BT-Drucks 19/27654, S. 61 f.).

Nach § 95a Abs. 1 Nr. 1 StPO kommt die Zurückstellung in Betracht, wenn betreffend den Beschuldigten der Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung besteht (BT-Drucks 19/27654, S. 62). Das ist die Formulierung, wie sie die StPO z.B. auch in § 98a StPO bei der Rasterfahndung verwendet. Damit kann die dazu vorliegende Rechtsprechung herangezogen werden (Burhoff, EB, Rn 3601 f.). Verwiesen werden kann auch auf § 81g Abs. 1 S. 1 StPO, auf § 100h Abs. 1 S. 2 StPO, auf § 100i Abs. 1 StPO, die §§ 131 ff. StPO, auf § 163e Abs. 1 S. 1 StPO und auf § 163f Abs. 1 S. 1 StPO.

Danach scheiden Bagatelldelikte aus und die Anlasstat muss mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, was bei Verbrechen i.d.R. der Fall sein dürfte, bei Vergehen aber erst ab einer bestimmten erhöhten Strafrahmenobergrenze.

Hinweis

Als Orientierungshilfe wird man den Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO heranziehen können (Burhoff, EV, Rn 4049 f.; vgl. a. BGH, Beschl. v. 14.10.2020 – 5 StR 229/19, NJW 2021, 1225; Meyer-Goßner/Schmitt, § 100a Rn 6b ff.) Allerdings ist § 95a Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht auf die Katalogtaten des § 100a Abs. 2 StPO beschränkt (BT-Drucks 19/27654, S. 62).

Der Beschuldigte muss die Tat als Täter oder Teilnehmer begangen haben. Insoweit kann ebenfalls auf die Meinungen zur Telefonüberwachung verwiesen werden. Dasselbe gilt für Vorbereitungshandlungen.

Die Anlasstat muss zudem im konkreten Einzelfall von erheblicher Bedeutung sein. Damit scheiden die Taten/Fälle aus, die zwar abstrakt betrachtet eine Straftat von erheblicher Bedeutung zum Gegenstand haben, bei denen aber mangels hinreichender Schwere im konkreten Einzelfall der heimliche Eingriff nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfGE 107, 299, 322; 109, 279, 346). Insoweit stimmt § 95a Abs. 1 StPO mit § 100a Abs. 1 StPO überein. Indizien für ein besonderes Gewicht können danach gemäß den Auslegungsmaßstäben, die zu § 100a Abs. 1 StPO entwickelt wurden, u.a. die Schutzwürdigkeit der verletzten Rechtsgüter und der Grad der Bedrohung der Allgemeinheit sein, aber auch die Art der Begehung der Straftat, die Anzahl der Geschädigten und das Ausmaß des Schadens (BT-Drucks 19/27654, S. 62; Burhoff, EV, Rn 4055).

Der Verdacht auf die erhebliche Straftat muss auf „bestimmten Tatsachen“ beruhen. In § 95a Abs. 1 Nr. 1 StPO wird also derselbe Verdachtsgrad aufgestellt wie bei der Telefonüberwachung in § 100a Abs. 1 S. 1 StPO (dazu Burhoff, EV, Rn 4056 f.).

§ 95a Abs. 1 Nr. 2 StPO enthält schließlich eine strenge Subsidiaritätsklausel. Deren Formulierung entspricht der Regelung in § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO (Burhoff, EV, Rn 4066). Notwendig ist eine Einzelfallprüfung, ob im Anordnungszeitpunkt alternative zielführende Ermittlungsmaßnahmen mit geringerem Eingriffsgewicht zur Verfügung stehen, insbesondere ob die Beschlagnahme wirklich sofort erfolgen muss oder ob (zunächst) andere Ermittlungsmaßnahmen herangezogen werden können und mit der Beschlagnahme bis zu einem späteren Zeitpunkt abgewartet und die Maßnahme dann offen durchgeführt werden kann (BT-Drucks 19/27654, S. 63).

Hinweis

Daneben muss die allgemeine Verhältnismäßigkeit der Maßnahme beachtet werden.

III.Verfahren

Die Kompetenz für die Anordnung einer „heimlichen Beschlagnahme“ ist wie folgt geregelt: Nach § 95a Abs. 2 S. 1 StPO erfolgt die Zurückstellung der Benachrichtigung grundsätzlich nur durch den Richter. Dieser Richtervorbehalt entspricht der in § 101a Abs. 6 StPO für die Erhebung von Verkehrsdaten getroffenen Anordnungskompetenz. Das wird damit begründet, dass § 100g StPO – wie die Beschlagnahme – vom Gesetzgeber grundsätzlich als offene Ermittlungsmaßnahme ausgestaltet worden ist und ebenfalls nur in bestimmten Konstellationen die Zurückstellung der Benachrichtigung vorgesehen ist (BT-Drucks 19/27654, S. 63).

Die Anordnung ergeht durch schriftlichen (gerichtlichen) Beschluss, der gem. § 34 StPO zu begründen ist. Wegen der Nähe der Anordnung der Zurückstellung als „heimliche Beschlagnahme“ zur Telefonüberwachung nach § 100a kann man an die Begründung der Zurückstellung dieselben Anforderungen wie an eine Telefonüberwachung stellen (Burhoff, EV, Rn 3934). Liegen die Umstände, die die Zurückstellung einer Benachrichtigung begründen, schon bei der Anordnung der Beschlagnahme vor, kann die Zurückstellung bereits in der Beschlagnahmeanordnung angeordnet werden (Burhoff, EV, Rn 828).

Hinweis

Die StA kann den Beschlagnahmeantrag mit dem Antrag, die Zurückstellung der Benachrichtigung anzuordnen, verbinden (BT-Drucks 19/27654, S. 63).

Erfolgt zunächst eine nichtgerichtliche Beschlagnahme, muss die gerichtliche Anordnung der Zurückstellung der Benachrichtigung binnen drei Tagen beantragt werden. Länger darf die Benachrichtigung nicht aufgeschoben werden, wenn kein entsprechender Antrag gestellt wird.

Die erstmalige Zurückstellung der Benachrichtigung ist höchstens für die Dauer von sechs Monaten zulässig (§ 95a Abs. 2 S. 2 StPO). Liegen die Voraussetzungen weiter vor, kommt nach § 95a Abs. 2 S. 3 StPO eine Verlängerung von jeweils bis zu drei Monaten in Betracht. In dem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass sog. Reihenanordnungen ggf. die höheren Voraussetzungen des § 100a StPO unterlaufen und deshalb grundsätzlich nicht zulässig sind (BT-Drucks 19/27654, S. 63). Die Ausführungen zur Telefonüberwachung gelten i.Ü. entsprechend (Burhoff, EV, Rn 3939). Wird die Dauer der Zurückstellung nicht verlängert, tritt die Anordnung ohne Weiteres außer Kraft. Eine besondere Entscheidung ist dazu nicht erforderlich. Die Frist beginnt mit dem Erlass der Anordnung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 100e Rn 8 m.w.N. für den vergleichbaren Fall von Maßnahmen nach den §§ 100a ff. StPO; s.a. BGHSt 44, 243).

IV.Offenbarungsverbot (§ 95a Abs. 6 S. 1 StPO)

Um sicherzustellen, dass der Beschuldigte nicht durch den Gewahrsamsinhaber Kenntnis über das Herausgabeverlangen und die Beschlagnahme erlangt, kann diesem nach § 95a Abs. 6 S. 1 StPO verboten werden, für die Dauer der Zurückstellung der Benachrichtigung gem. § 95a Abs. 1 StPO die Beschlagnahme sowie eine ihr vorausgehende Durchsuchung nach den §§ 103, 110 StPO (Burhoff, EV Rn 1717 ff.) oder Herausgabeanordnung nach § 95 StPO (Burhoff, EV Rn 929) gegenüber dem Beschuldigten und Dritten zu offenbaren. Der Gewahrsamsinhaber darf also den Beschuldigten und Dritte über die Maßnahme nicht unterrichten (vgl. BT-Drucks 19/27654, S. 64 f.). Das Offenbarungsverbot kann zugleich mit der Anordnung der Zurückstellung getroffen werden. Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung zu tragen, muss die Entscheidung unter Würdigung aller Umstände und nach Abwägung der Interessen der Beteiligten im Einzelfall erfolgen. Erforderlich ist eine Einzelfallprüfung (BT-Drucks 19/27654, S. 64 f.) und eine gesonderte gerichtliche Anordnung.

Die Zuständigkeit zur Anordnung des Offenbarungsverbots liegt nach § 95a Abs. 6 S. 2 i.V.m. Abs. 2 StPO grundsätzlich beim Gericht. Abweichend von der Anordnungskompetenz für die Zurückstellung der Benachrichtigung ist für das Offenbarungsverbot in § 95a Abs. 6 S. 2 StPO aber eine Eilzuständigkeit für die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vorgesehen. Entsprechend § 95a Abs. 3 StPO müssen die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) die gerichtliche Bestätigung einer solchen Eilanordnung binnen drei Tagen beantragen.

Hinweis

Die Weitergabe von Informationen an einen Rechtsanwalt in Zusammenhang mit einem Rechtsschutzbegehren sind vom Offenbarungsverbot nicht erfasst (BT-Drucks 19/27654, S. 64).

V.Belehrung des Beschuldigten (§ 95a Abs. 3 StPO)

Für den Fall der zunächst nichtgerichtlichen Beschlagnahmeanordnung ist in § 95a Abs. 3 StPO geregelt, dass die Offenlegung/Benachrichtigung gegenüber dem mitbetroffenen Beschuldigten (§ 35 Abs. 2 StPO) zunächst unterbleiben kann. Grundsätzlich ist der Beschuldigte im Falle der Beschlagnahme eines Gegenstandes bei einem Dritten, von der auch seine Rechte betroffen sind, nach § 98 Abs. 2 S. 5 StPO über sein Antragsrecht nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zu belehren (BVerfG NJW 2009, 2431; Burhoff, EV, Rn 901, 929). Da vor der gerichtlichen Bestätigung dem betroffenen Beschuldigten nach § 33 Abs. 3 StPO rechtliches Gehör zu gewähren wäre, sodass er auch Kenntnis von der Beschlagnahmemaßnahme erlangen würde, lässt § 95a Abs. 3 S. 1 StPO aber zu, dass von einer Belehrung des Beschuldigten nach § 98 Abs. 2 S. 5 StPO abgesehen werden kann, wenn binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung einer nichtgerichtlichen Beschlagnahme sowie die Zurückstellung der Benachrichtigung nach § 95a Abs. 1 Fall 2 StPO beantragt wird. In diesem Fall kann auch von der Anhörung nach § 33 Abs. 3 StPO abgesehen werden (§ 95a Abs. 3 S. 2 StPO).

VI.Benachrichtigung des Beschuldigten (§ 95a Abs. 4 StPO)

Nach § 95a Abs. 4 S. 1 StPO hat eine Benachrichtigung des Beschuldigten über die Beschlagnahme zu erfolgen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich ist. Diese Regelung entspricht der Regelung in § 101 Abs. 5 S. 1 StPO (Burhoff, EV, Rn 3621). Die Ermittlungsbehörden werden so lange mit der Benachrichtigung warten können, wie erwartet werden kann, dass aus den beschlagnahmten „Sachen“ noch Erkenntnisse gewonnen werden können. Ist die Benachrichtigung ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich, hat sie ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen. Die Ermittlungsbehörden können nicht abwarten, bis die Frist aus § 95a Abs. 2 S. 2 StPO abläuft (So auch BT-Drucks 19/27654, S. 63 f.).

Hinweis

Mit der Benachrichtigung ist der Beschuldigte auf die Rechtsschutzmöglichkeit nach § 95a Abs. 5 S. 2 StPO und die dafür geltende Zwei-Wochen-Frist hinzuweisen (§ 95a Abs. 4 S. 2 StPO).

VII.Rechtsschutz (§ 95a Abs. 5 StPO)

Der (nachträgliche) Rechtsschutz gegen die Zurückstellung der Benachrichtigung (die „heimliche Beschlagnahme“) ist in § 95a Abs. 5 StPO geregelt. Die Vorschrift ist § 101 Abs. 7 S. 2 bis 4 StPO nachgebildet, sodass grundsätzlich die insoweit geltenden Grundsätze auf die Regelung in § 95a Abs. 5 StPO übertragen werden können (BT-Drucks 19/27654, S. 64; Burhoff, EV, Rn 3642 ff.).

Für die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Maßnahme gilt: Nach § 95a Abs. 5 S. 1 StPO entscheidet vor Erhebung der öffentlichen Klage das für die Anordnung der Zurückstellung zuständige Gericht, und zwar auch bei Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Nach Erhebung der öffentlichen Klage und Benachrichtigung des Angeklagten entscheidet nach § 95a Abs. 5 S. 3 StPO das erkennende Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung. Diese Regelung entspricht der Regelung in § 101 Abs. 7 StPO. Die gilt entsprechend (vgl. BGHSt 53, 1; Burhoff, EV, Rn 3647 f.).

Folgende Rechtsmittel stehen zur Verfügung: Nach § 95a Abs. 5 S. 2 StPO kann gegen die Entscheidung des Anordnungsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt werden, und zwar auch gegen Entscheidungen des OLG und des Ermittlungsrichters des BGH (vgl. § 304 Abs. 5 und Abs. 4 S. 2 Hs. 2 Nr. 1 StPO) (OLG Celle StraFo 2012, 183; Burhoff, EV, Rn 3781). Hat das erkennende Gericht entschieden, gilt: Auch dann ist die sofortige Beschwerde nach § 95a Abs. 5 S. 2 StPO statthaft, wenn die mit ihr angegriffene Entscheidung von dem nach Anklageerhebung mit der Sache befassten erkennenden Gericht in dessen mit der Revision angegriffenem Urteil getroffen wurde (BGHSt 54, 30; OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2016 – 1 Ws 604/16). Für die Entscheidung über eine solche sofortige Beschwerde gegen ein landgerichtliches Urteil ist also ggf. das OLG zuständig, auch wenn über die zugleich eingelegte Revision der BGH zu befinden hat (BGH a.a.O.; OLG Celle a.a.O.; vgl. a. Burhoff, EV, Rn 3650).

VIII.Beweisverwertungsverbote

Die Zurückstellung der Benachrichtigung von einer Beschlagnahme (die „heimliche Beschlagnahme“) ist ein Zwitter, denn sie ist einerseits gegenüber dem Beschuldigten eine heimliche/verdeckte Maßnahme, andererseits ist sie aber gegenüber dem Gewahrsamsinhaber offen. Diesem stehen Rechtsschutzmöglichkeiten sofort zu (BT-Drucks 19/27654, S. 60). Bei der Frage nach Beweisverwertungsverboten tritt diese Teiloffenheit jedoch in den Hintergrund, da es auf die Belange und Interessen des Beschuldigten ankommt. Auf die ist abzustellen. Das führt m.E. dazu, dass man wegen eines Beweisverwertungsverbots wie für die Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100g StPO (Burhoff, EV, Rn 715) vornehmlich auf Beweisverwertungsverbote bei/nach einer Telefonüberwachung verweisen kann (Burhoff, EV, Rn 3956 ff.). Die dort gemachten Ausführungen gelten grundsätzlich entsprechend. Das führt dazu, dass einerseits in all den Fällen, in denen schon bei der Telefonüberwachung ein Beweisverwertungsverbot nicht bejaht worden ist, dieses auch bei der „heimlichen Beschlagnahme“ abgelehnt werden muss. Andererseits wird man in den Fällen, in denen bei der Telefonüberwachung ein Beweisverwertungsverbot bejaht worden ist, dieses auch bei der heimlichen Beschlagnahme annehmen können.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…