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StRR-Kompakt

Sterbehilfe: Verfassungsmäßigkeit

Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) ist am Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit zu messen. Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Regelung der assistierten Selbsttötung sich in einem Spannungsfeld unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Schutzaspekte bewegt. Die Achtung vor dem grundlegenden, auch das eigene Lebensende umfassenden Selbstbestimmungsrecht desjenigen, der sich in eigener Verantwortung dazu entscheidet, sein Leben selbst zu beenden, und hierfür Unterstützung sucht, tritt in Kollision zu der Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen.

BVerfG, Urt. v. 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 u.a.

Pflichtverteidigerbestellung: Beschwerde

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Fortbestand der Pflichtverteidigerbestellung für einen Mitangeklagten ist mangels Beschwer unzulässig.

KG, Beschl. v. 1.11.2019 – 2 Ws 165/19

(Teil-)Einstellung: Entschädigung

Bei einer Verfahrenseinstellung kommt die Feststellung einer Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nach dem Grundsatz der Verfahrenseinheit regelmäßig erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens in Betracht. Dies gilt auch, wenn der verbliebene Teil zur Durchführung des weiteren Verfahrens an eine andere Stelle abgegeben wird. Im Falle einer Teileinstellung ist die Feststellung einer Entschädigung nur für solche Maßnahmen möglich, die sich isoliert auf denjenigen Verfahrensteil bezogen haben, welcher mit der Teileinstellung beendet worden ist.

OLG Celle, Beschl. v. 29.1.2020 – 4 Ws 3/20

U-Haft: Wiederholungsgefahr

Auch Betrugsserienstraftaten mit Einzelschäden von deutlich unter 2.000 EUR können nach den Umständen des Einzelfalls als die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftaten gelten und dadurch den Haftgrund der Wiederholungsgefahr begründen. Als Umstände des Einzelfalls können neben der Schadenshöhe insbesondere auch die Beweggründe und Ziele des Täters, die aus der Tat sprechende Gesinnung und der bei ihr aufgewendete Wille, die Art der Ausführung und die weiteren Auswirkungen der Tat, ferner das Vorleben des Täters und sein Nachtatverhalten herangezogen werden.

OLG Celle, Beschl. v. 14.2.2020 – 2 Ws 49/20

DNA-Identifizierungsmuster: Speicherung für zukünftige Straftaten

Die Voraussetzungen für die Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters für zukünftige Strafverfahren gem. § 81g Abs. 1 StPO liegen bei einem Beschuldigten, der 44 Jahre alt und bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, nicht vor, wenn es sich zwar um den Vorwurf einer Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zum Nachteil eines Kindes handelt, sich aber keine konkretisierbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschuldigte auch in Zukunft gleichgelagerte Taten begehen wird.

AG Wiesbaden, Beschl. v. 28.1.2020 – 70 Gs 450/19

Beweiswürdigung: Einlassung

Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, wenn Angaben dazu fehlen, ob und wie sich der Angeklagte zum Tatvorwurf eingelassen hat.

BGH, Beschl. v. 12.12.2019 – 5 StR 444/19

Wiedereinsetzung: Postlaufzeit

Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags – innerhalb der Briefkastenleerungszeiten – aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (Anschluss BGH NJW-RR 2019, 500).

BGH, Beschl. v. 17.12.2019 – VI ZB 19/19

Kostenentscheidung: beschränktes Rechtsmittel

Die Regelung des § 473 Abs. 3 StPO ist auch dann anzuwenden, wenn eine Beschränkung des Rechtsmittels auf einen bestimmten Beschwerdepunkt vom Berufungsgericht für rechtlich unwirksam erachtet wird, der Rechtsmittelführer aber von vornherein erklärt, dass er nur das beschränkte Ziel verfolgt, und dieses im Ergebnis auch erreicht. Gibt der Rechtsmittelführer die Erklärung über das beschränkte Ziel erst nachträglich ab, so hat er diejenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen zu tragen, die bei einer alsbald nach Rechtsmitteleinlegung abgegebenen Erklärung hierüber vermeidbar gewesen wären (Anschluss: OLG Celle, Beschl. v. 10.1.2019 – 3 Ws 4/19; entgegen OLG Hamm, Beschl. v. 15.10.2013 – III-5 Ws 380 – 381/13).

OLG Celle, Beschl. v. 5.2.2020 – 2 Ws 35/20

Berufsverbot: Missbrauch von Beruf oder Gewerbe

Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf dem Täter lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit selbst sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen; sie muss symptomatisch für die Unzuverlässigkeit des Täters im Beruf erscheinen. Eine Verletzung der mit dem Beruf oder Gewerbe verbundenen Pflichten ist nur zu bejahen, wenn der Täter bei Tatbegehung gegen eine der speziellen Pflichten, die ihm bei der Ausübung seines Berufs oder Gewerbes auferlegt sind, verstößt. Auch hierfür bedarf es eines berufstypischen Zusammenhangs der Tat zu der ausgeübten beruflichen Tätigkeit.

BGH, Beschl. v. 19.11.2019 – 1 StR 364/19

Zulässige Verteidigung: herabwürdigende Äußerungen

Soweit eine Äußerung sich als zulässiger Teil der Verteidigung des Angeklagten darstellt und nicht lediglich dem Zweck dient, das Tatopfer herabzuwürdigen, darf sie nicht straferschwerend gewertet werden.

BGH, Beschl. v. 21.11.2019 – 4 StR 546/19

Selbstständiges Einziehungsverfahren: Gebühren

Für die gerichtliche Vertretung in einem Einziehungsverfahren nach § 29a OWiG kann – neben der Verfahrensgebühr bei Einziehung Nr. 5116 VV RVG – auch die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG als allgemeine Gebühr entstehen. Für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts allein im Einziehungsverfahren entstehen die Gebührentatbestände Nr. 5113 und 5114 VV RVG nicht.

LG Freiburg, Beschl. v. 29.10.2019 – 16 Qs 30/19

Beschwerdeverfahren: Abgeltung der Tätigkeiten

Tätigkeiten in Beschwerdeverfahren in Straf- und Bußgeldsachen werden für den Rechtsanwalt, der umfassend mit der Verteidigung betraut ist, durch die Verfahrensgebühr der jeweiligen Instanz abgegolten.

LG Arnsberg, Beschl. v. 28.10.2019 – 6 Qs 83/19

Grundgebühr: Grundgebühr/Verfahrensgebühr; Verfahrensgebühr der Revisionsinstanz

Bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten entsteht in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr und daneben auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, die den für die erstmalige Einarbeitung anfallenden zusätzlichen Aufwand honoriert. Das Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG setzt voraus, dass der Verteidiger einen Auftrag für das Revisionsverfahren hat.

LG Amberg, Beschl. v. 21.1.2020 – 11 Qs 55/19

Übernachtungskosten: Erforderlichkeit

Übernachtungskosten nach Nr. 7006 VV RVG sind zu erstatten, wenn diese angemessen sind. Dies ist
regelmäßig dann gegeben, wenn die Übernachtung zweckmäßig ist oder aber, wenn Hin- und Rückreise am selben Tag
nicht möglich oder nicht zumutbar sind. Dies ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO dann anzunehmen, wenn die
Hin- und die Rückreise nicht im Zeitfenster von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr erfolgen können.

LG Memmingen, Beschl. v. 20.1.2020 – 34 O 1272/16

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