Soll im JGG-Verfahren der Tatnachweis durch ein für einen juristischen Laien nichtleicht verständliches DNA-Gutachten geführt werden, ist im Zweifel die Beiordnungeines Pflichtverteidigers erforderlich.
LG Amberg, Beschl. v. 4.2.2021 – 51 Qs 1/21 jug
Für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 2 StPO sind die insgesamt zu erwartenden Rechtsfolgen, d.h. auch Nebenstrafen oder Nebenfolgen, in den Blick zu nehmen. Zudem sind auch schwerwiegende mittelbare Nachteile aus einer Verurteilung zu berücksichtigen, wie z.B. eine drohende Einziehungsmaßnahme, wobei die sich aus der derzeitigen Pandemielage ergebenden Auswirkungen von Bedeutung sein können.
LG Aurich, Beschl. v. 5.2.2021 – 12 Qs 28/21
Bei einer sog. Aussage-gegen-Aussage-Konstellation wird im Zweifel jedenfalls dann von einer Gefährdung des Untersuchungszwecks im Sinn von § 406e Abs. 2 S. 2 StPO auszugehen sein, wenn die Aussage des Belastungszeugen das einzige oder nach dem Ermittlungsergebnis belastbarste Beweismittel ist.
LG Köln, Beschl. v. 29.1.2021 – 120 Qs 3-4/21
Eine Beiordnung hat gemäß §§ 140 Abs. 2, 147 Abs. 4 StPO zu erfolgen, wenn der Beschuldigte nur über einen Verteidiger Bilder, die den Kern des Anklagevorwurfs bilden, sichten kann. Der Beschuldigte kann insoweit nicht darauf verwiesen werden, dass eine Beschreibung der Bilder durch die Anklagebehörde erfolgt.
AG Wuppertal, Beschl. v. 5.11.2020 – 14 Gs 148/20
Die Verbindung eines Strafbefehlsverfahrens zu einem erstinstanzlichen landgerichtlichen Verfahren gemäß § 4 Abs. 1 StPO hat zur Folge, dass der Einspruch gegen den Strafbefehl nicht mehr zurückgenommen werden kann.
BGH, Urt. v. 14.1.2021 – 4 StR 95/20
Einem wiederholten Wiedererkennen in der Hauptverhandlung kommt regelmäßig lediglich ein eingeschränkter Beweiswert zu. Das Tatgericht ist deshalb gehalten, die Zuverlässigkeit des Erinnerungsvorgangs näher zu belegen und sich hierbei auch eingehend mit denjenigen Umständen zu befassen, die gegen die Verlässlichkeit des Wiedererkennens sprechen können.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.1.2021 – 1 OLG 2 Ss 54/20 u. 55/20
Die Besorgnis der Befangenheit (§ 24 StPO) ist nicht allein deswegen begründet, weil der bei der Hauptverhandlung mitwirkende Richter mit der Staatsanwältin verheiratet ist.
LG Freiburg, Beschl. v 22.1.2021 – 17/19 6 Ns 270 Js 36278/18
Dem allgemeinen Risiko einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus steht auch vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Fallzahlen in der Bundesrepublik Deutschland das Interesse an der Sicherung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege gegenüber. Hat das Gericht ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen, besteht kein Anlass, das Interesse an der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege hinter das Interesse eines Betroffenen am Schutz seiner Gesundheit zurücktreten zu lassen. Die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags berechtigt dann nicht zur Annahme der Besorgnis der Befangenheit.
AG Plön, Beschl. v. 3.2.2021 – 34 OWi 563 Js 37777/20
Die Geltendmachung von Ladungsmängeln, insbesondere die Behauptung, zum Zeitpunkt der Zustellung habe sich der räumliche Lebensmittelpunkt nicht unter der Zustellungsanschrift befunden, im Rahmen einer Revision gegen ein Verwerfungsurteil gem. § 329 Abs. 1 StPO setzt bei einer in einer Zustellungsurkunde dokumentierten Ersatzzustellung an eine durch den Angeklagten als Anschrift benannte Einrichtung – im vorliegenden Fall eine Drogenberatungsstelle – die schlüssige und plausible Darlegung von Anhaltspunkten voraus, welche zur Entkräftung der Indizwirkung der Zustellungsurkunde geeignet sind.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.1.2021 – 1 Ss 221/20
Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein absolutes Verfahrenshindernis dar, das vom Revisionsgericht auf die gegen ein Verwerfungsurteil gerichtete Sachrüge zu berücksichtigen ist und zur Verfahrenseinstellung führt. Dies gilt unabhängig von der Frage, zu welchem Zeitpunkt das Verfahrenshindernis eingetreten ist.
OLG Köln, Beschl. v. 4.2.2020 – 1 RVs 240/19
Gemäß § 459 Abs. 5 S. 1 StPO hat die Durchführung einer angeordneten Einziehungsmaßnahme zwingend zu unterbleiben, wenn der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Tatbeteiligten vorhanden ist, wobei eine wertende Entscheidung des zuständigen Gerichts nicht mehr möglich ist.
LG Leipzig, Beschl. v. 5.2.2021 – 13 Qs 4/21
Ein Vermögenswert ist im Rechtssinne durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können.
OLG Hamm, Beschl. v. 14.1.2021 – 4 RVs 142/20
Ein über die Onlinewachen von einzelnen Polizeiverwaltungen eingereichter Strafantrag genügt nicht dem Formerfordernis des § 158 Abs. 2 StPO.
AG Auerbach, Beschl. v. 26.1.2021 – 3 Cs 500 Js 24368/20
Eine konkrete Gefahr i.S.d. § 315c StGB liegt regelmäßig nicht vor, wenn es einem Verkehrsteilnehmer noch möglich ist, einen Unfall durch ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- oder Ausweichmanöver abzuwenden.
OLG Celle, Beschl. v. 16.2.2021 – 3 Ss 6/21
Ein elektronischer Taschenrechner unterfällt als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO.
BGH, Beschl. v. 16.12.2020 ‒ 4 StR 526/19
Das „Ansammlungsverbot“ gemäß § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW (i.d.F. vom 30.3.2020 bzw. 27.4.2020) findet in § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Verordnungsermächtigung der §§ 32, 28 Abs. 1 IfSG und § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW in ihrer konkreten Ausgestaltung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. „Zusammenkunft oder Ansammlung“ i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW ist jedes Zusammenkommen einer Mehrzahl von Personen mit einem inneren Bezug oder einer äußeren Verklammerung. Nicht erfasst ist jede zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen im öffentlichen Raum. Es ist nicht geboten, das Vorliegen einer (bußgeldbewehrten) Ansammlung i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW an die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung der tatsächlichen Unterschreitung eines Mindestabstands von 1,50 Meter zu knüpfen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bedarf es jedoch einer dahingehenden Einschränkung, dass eine verbotene Ansammlung i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW nicht vorliegt, wenn eine derartige räumliche Trennung gegeben ist, aufgrund derer die Gefahr der Unterschreitung eines ein Infektionsrisiko ausschließenden Mindestabstands zu verneinen ist, die häufig mit dem Zusammenkommen mehrerer Menschen einhergeht.
OLG Hamm, Beschl. v. 28.1.2021 – 4 RBs 446/20
Der gemeinsame Aufenthalt von drei Personen in einem Privat-Pkw stellt keinen Aufenthalt im öffentlichen Raum dar.
AG Salzgitter, Urt. v. 14.12.2020 – 11a OWi 123 Js 40670/20
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbricht jeweils nur die „erste“ der dort genannten Maßnahmen die Verjährung. Eine wiederholte Unterbrechung durch mehrfache Anhörung zur selben Tat kommt nicht in Betracht.
AG Dillingen, Beschl. v. 19.1.2021 – 303 OWi 611 Js 142243/20
Die sich außerhalb der Hauptverhandlung vor Verkündung eines an die Verfahrenslage angepassten Haftbefehls darin erschöpfende anwaltliche Beratung des Mandanten dahin, keine Angaben zur Sache zu machen, stellt (noch) kein für das Entstehen der Gebühr nach den Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG notwendiges „Verhandeln“ dar (u.a. Anschluss an OLG Saarbrücken StraFo 2014, 350 und OLG Jena, Beschl. v. 15.10.2013 – 1 Ws 344/13).
OLG Bamberg, Beschl. v. 19.1.2021 – 1 Ws 692/20
Eine Erstreckung nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG kann auch noch nachträglich beantragt und ausgesprochen werden.
LG Leipzig, Beschl. v. 19.1.2021 – 13 Qs 8/21
Tritt während der Erstellung eines Sachverständigengutachtens, dessen Einholung der Verteidiger beantragt hat, Verfolgungsverjährung ein, ist die durch den Verteidiger erfolgte Beantragung der Einholung des Sachverständigengutachtens als eine die Einstellung des Verfahrens fördernde Tätigkeit anzusehen.
AG Erkelenz, Beschl. v. 26.1.2021 – 5 OWi-311 Js 1142/19-174/19
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