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Rückforderung eines Vorschusses

1. Ein geleisteter Vorschuss für entstandene Auslagen eines Pflichtverteidigers ist zurückzufordern, wenn sich herausstellt, dass dieser zu Unrecht gezahlt wurde.

2. Die Rückforderung eines gezahlten Vorschusses wegen entstandener Fahrtkosten ist auch dann veranlasst, wenn die Feststellung, dass ein Auslagenerstattungsanspruch nicht besteht, allein auf einer geänderten rechtlichen Beurteilung der Angemessenheit der Fahrtkosten beruht.

3. Die Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Vorschusses darf dergestalt durchgesetzt werden, dass der Betrag von einer anderweitig veranlassten Vorschusszahlung in derselben Sache in Abzug gebracht wird. (Leitsätze des Gerichts)

OLG Celle, Beschl. v. 14.5.2020 – 4 StS 2/20

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt ist Pflichtverteidiger in einem beim OLG Celle anhängigen Strafverfahren mit dem Vorwurf der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. In diesem hatte der Senat mit Beschluss vom 20.11.2019 auf eine Erinnerung des Rechtsanwalts gegen die Ablehnung der Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 5,60 EUR für Aufwendungen für eine Taxifahrt vom Hotel … in Celle zum Gerichtsgebäude entschieden, dass solche Taxikosten nicht erstattungsfähig seien, weil die Strecke von etwa 800 m Fußweg, der auf angelegten, breiten Wegen ohne Hindernisse und durch den Schlossgarten abseits des Durchgangsverkehrs führt, leichthin zu Fuß zurückgelegt werden könne und es zumutbar sei, diesen Weg zu laufen. Die Kostenbeamtin des OLG hat daraufhin im Rahmen früherer Vorschusszahlungen bereits berücksichtigte Taxikosten in Höhe von insgesamt 222 EUR von einer weiteren Vorschusszahlung in Abzug gebracht. Hiergegen wendet sich der Rechtsanwalt mit einer Erinnerung gemäß § 56 RVG. Er macht geltend, wegen eines Fersensporns und einer akuten Lumbalgie sei er im betreffenden Zeitraum letztlich „nahezu vollständig bewegungsunfähig“ gewesen. Die Taxifahrten seien durchgeführt worden, wenn und weil „die individuelle Beschwerdesituation unerträglich“ für ihn gewesen sei. Mit seiner Erinnerung hat der Rechtsanwalt diverse Unterlagen, namentlich ärztliche Verordnungen physiotherapeutischer Behandlungen („manuelle Therapie“) und Rechnungen über durchgeführte derartige physiotherapeutische Behandlungen vorgelegt. Die Erinnerung hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Nach Auffassung des OLG hat die Kostenbeamtin zu Recht die Erstattungsfähigkeit der Taxikosten verneint und daher eine weitere Vorschusszahlung um die im Rahmen früherer Vorschusszahlungen zu Unrecht erstatteten Taxikosten gekürzt. Bei diesen Taxikosten handele es sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Rechtsanwalts zu eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht um angemessene Fahrtkosten im Sinne von Nr. 7004 VV RVG. Zunächst sei daran festzuhalten, dass generell den Verteidigern, die im Hotel … in Celle logieren, ohne Weiteres abverlangt werden könne, den kurzen und schönen Fußweg vom Hotel zum Gerichtsgebäude am Schlossplatz in Celle zu Fuß zurückzulegen, und zwar unabhängig von der jeweiligen Witterung. Zwar zeigen die vom Rechtsanwalt vorgelegten Unterlagen, dass er im Jahr 2019 unter einer „ansatztendinosen Plantaraponeurose“ (Februar 2019) beziehungsweise „Lumbalgie“ (August 2019) litt und ihm daher jeweils eine physiotherapeutische Behandlung („manuelle Therapie“) verordnet worden sei. Doch lasse sich den Unterlagen nicht in Ansätzen der geltend gemachte Schweregrad der Beeinträchtigungen („letztendlich nahezu vollständige Bewegungsunfähigkeit‘“) entnehmen. Vielmehr spreche schon die ärztliche Therapieempfehlung („manuelle Therapie“) gegen eine derartige Massivität der Beeinträchtigung. Die Unterlagen zeigen – womit, so das OLG ausdrücklich: „die Beschwerden von Rechtsanwalt … nicht marginalisiert werden sollen“ – kein Krankheitsbild auf, das der Bewältigung einer kurzen Fußstrecke entgegenstünde. Ganz im Gegenteil sei leichte (Fort-)Bewegung bei den – mit der im Februar 2019 diagnostizierten „Plantaraneurose“ in keinem erkennbaren Zusammenhang stehenden – Rückenschmerzen, unter denen der Rechtsanwalt im August 2019 gelitten habe, bekanntermaßen geradezu indiziert, um das lange Sitzen an Hauptverhandlungstagen zu kompensieren. Hinzu komme, dass der Senat weder im Gerichtssaal noch im Umfeld des Gerichtsgebäudes massive Bewegungseinschränkungen des Rechtsanwalts wahrgenommen hätte. Bei den geltend gemachten Beeinträchtigungen wäre zu erwarten gewesen, dass der Rechtsanwalt während der Mittagspausen im Gerichtsgebäude verblieben wäre, möglicherweise sogar um eine Liegemöglichkeit im Sanitätsraum gebeten hätte. Das sei aber – wie Erkundigungen des Senats ergeben hätten – nicht der Fall. Vielmehr hätte sich auch der Rechtsanwalt – wie alle anderen Verteidiger – in den Mittagspausen regelmäßig in die Celler Altstadt begeben und habe damit Strecken fußläufig zurückgelegt, die nicht wesentlich kürzer gewesen seien als der Fußweg zwischen Hotel und Gericht. Gegen die vorgetragenen massiven Bewegungseinschränkungen spreche auch, dass der Rechtsanwalt – von zwei Hauptverhandlungstagen abgesehen – ausweislich der geltend gemachten Taxikosten jeweils nur die Fahrt vom Hotel zum Gericht, nicht aber die Rückfahrt vom Gericht zum Hotel mit einem Taxi zurückgelegt habe. Es sei nicht ersichtlich, warum der Hinweg nicht zu Fuß zu bewältigen gewesen sein sollte, wohl aber der identische Rückweg. Zudem beträfen die streitgegenständlichen Taxikosten Taxifahrten ab Mai 2018, während ausweislich der vorgelegten medizinischen Unterlagen dem Rechtsanwalt (erst) im Februar 2019 eine physiotherapeutische Behandlung wegen einer „ansatztendinosen Plantaraponeurose“ verschrieben wurde. Zeitlich vor 2019 liegende (massive) körperliche Beeinträchtigungen ergäben sich jedenfalls aus den vorgelegten Unterlagen nicht. Schließlich weist das OLG darauf hin, dass der Rechtsanwalt zur Begründung seiner früheren Erinnerung gegen die Absetzung von Taxikosten ausschließlich darauf abgehoben hat, er könne wegen der zum Gerichtstermin mitzuführenden Unterlagen nicht darauf verwiesen werden, die Strecke zu Fuß zurückzulegen. Es wäre – so das OLG – jedoch zu erwarten gewesen, dass er schon damals auf massive gesundheitliche Beschwerden („nahezu vollständige Bewegungsunfähigkeit‘“) hingewiesen hätte, wenn tatsächlich Taxifahrten nur durchgeführt worden wären, weil und wenn „die individuelle Beschwerdesituation für den Unterzeichner unerträglich war“.

Die Rückforderung des zu Unrecht gezahlten Vorschusses war nach Auffassung des OLG statthaft und geboten, um eine Belastung der Staatskasse und – im Verurteilungsfalle – des Angeklagten mit nicht gerechtfertigten Kosten zu verhindern (vgl. allg. zur Statthaftigkeit einer Rückforderung Mayer/Kroiß/ Ebert, RVG, 7. Aufl. 2018, § 47 Rn 14 ff.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl. 2019, § 47 Rn 10). Mit dieser Rückforderung habe die Kostenbeamtin nicht bis zur Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung nach Verfahrensabschluss zuwarten müssen. Vielmehr könne eine berechtigte Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Vorschusses auch durch eine entsprechende Kürzung einer weiteren Vorschusszahlung bewirkt werden.

IIII. Bedeutung für die Praxis

1. Eine m.E. für ein OLG unwürdige Entscheidung. Da streitet man sich in einem beim OLG (!) anhängigen erstinstanzlichen Verfahren wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. mit offenbar mehreren Verteidigern mit einem Pflichtverteidiger über Taxikosten in Höhe von rund 225 EUR. Man fragt sich, was das angesichts der durch das Verfahren sicherlich bereits entstandenen und noch entstehenden Kosten soll. Dass diese einen erheblichen Umfang erreichen werden, kann man unterstellen. Rund 40 Hauptverhandlungstage waren ja offenbar schon durchgeführt worden. Weitere werden wahrscheinlich folgen. Und da muss man sich dann um einen solchen „Fliegenschiss“ streiten. Wenn Kostenbeamte und auch OLG-Senate nichts anderes zu tun haben, dürfte es mit der vielbeklagten Belastung der Gerichte nicht so weit her sein.

2. Diese Kritik ist m.E. unabhängig davon, ob der Verteidiger hier die Taxikosten zu Recht geltend gemacht hat. Mir erschließt sich im Übrigen auch nicht, warum die Frage von der Einschätzung des Kostenbeamten und des Senats abhängt. Allerdings scheint man beim OLG Celle ja über profunde medizinische Kenntnisse zu verfügen. Denn sonst könnte man dem Verteidiger nicht entgegenhalten: „Ganz im Gegenteil ist leichte (Fort-)Bewegung bei den – mit der im Februar 2019 diagnostizierten ‚Plantaraneurose‘ in keinem erkennbaren Zusammenhang stehenden – Rückenschmerzen, unter denen Rechtsanwalt … im August 2019 gelitten hat, bekanntermaßen geradezu indiziert, um das lange Sitzen an Hauptverhandlungstagen zu kompensieren.“ Dieser „Vorhalt“ ist in meinen Augen genauso unangebracht wie die „Erhebungen“ des Senats zur Frage der Bewältigung des Weges in die Mittagspause oder das Nichtinanspruchnehmen des Sanitätsraums. Und neben der Sache liegt m.E. auch der Hinweis auf den „… schönen Fußweg vom Hotel zum Gerichtsgebäude am Schlossplatz in Celle“. Das ist eine Einschätzung des Senats bzw. der Senatsmitglieder, die m.E. für die zu entscheidende Frage ohne jede Bedeutung ist. Oder will man damit ausdrücken, dass die Taxikosten bei einem „nicht so schönen Fußweg“ – was ist eigentlich ein „schöner Fußweg“? – erstattet worden wären? Wie gesagt: Wenn der Senat nichts anderes zu tun hat …

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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