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Neue Pflichtverteidigerbestellung nach „Wiederaufnahme“ des Verfahrens

Wird das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, endet gemäß § 143 Abs. 1 StPO die bisherige Beiordnung eines Pflichtverteidigers. (Leitsatz des Verfassers)

OLG Celle, Beschl. v. 31.5.2021 – 5 StS 2/21

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt war als Pflichtverteidiger in einem Umfangsverfahren tätig, das 2019 von der Generalstaatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Nach dem 1.1.2021, also nach Inkrafttreten des KostRÄG 2021, wird das Verfahren wiederaufgenommen. Der Rechtsanwalt hat erneut seine Bestellung beantragt. Das OLG ist dem Antrag nachgekommen.

II. Entscheidung

Dem Angeklagten ist der Rechtsanwalt erneut als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Es handele sich gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO um einen Fall der notwendigen Verteidigung. Die Hauptverhandlung solle im ersten Rechtszug vor dem OLG stattfinden. Nachdem das Verfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, habe die bisherige Beiordnung des Rechtsanwalts gemäß § 143 Abs. 1 StPO kraft Gesetzes geendet. Sie sei daher nach Wiederaufnahme des Verfahrens und Erhebung der öffentlichen Klage erneut anzuordnen gewesen.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Nach den Änderungen im Recht der Pflichtverteidigung durch das „Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung“ v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2128), das am 13.9.2021 in Kraft getreten ist, ist in § 143 StPO jetzt ausdrücklich die Dauer der Pflichtverteidigung geregelt. Nach § 143 Abs. 1 StPO endet die Bestellung des Pflichtverteidigers mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460 StPO. Bei Sachverhalten wie dem vorliegenden stellt sich die Frage, ob im Fall der „Wiederaufnahme des Verfahrens“ die ursprüngliche Pflichtverteidigerbestellung wiederauflebt oder ob sie geendet hat und beendet bleibt mit der Folge, dass neu bestellt werden muss. Das OLG ist m.E. zu Recht davon ausgegangen, dass die Regelung in § 143 Abs. 1 StPO zur endgültigen Beendigung der ursprünglichen Pflichtverteidigerbestellung führt, die auch durch die „Wiederaufnahme“ des Verfahrens nicht wiederauflebt. Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Diese Lösung hat für den Pflichtverteidiger nicht unerhebliche gebührenrechtliche Folgen. Ist nämlich zwischen Beendigung der Bestellung und der Neubestellung eine Gesetzesänderung erfolgt – so wie jetzt gerade das Inkrafttreten der Änderungen durch das KostRÄndG 2021 am 1.1.2021 –, so gilt nach § 60 Abs. 1 RVG das neue (Gebühren-)Recht mit der Folge, dass der Pflichtverteidiger nun die durch das KostRÄndG erhöhten gesetzlichen Gebühren abrechnen kann.

2. Für die Frage, welche Gebühren (noch einmal) anfallen, ist auf § 15 Abs. 5 S. 2 RVG zu verweisen. Danach gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist, mit der Folge, dass der Rechtsanwalt sämtliche Gebühren erneut geltend machen kann (dazu N. Schneider, AGkompakt 2011, 98; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A Rn 9; a.A. in einem ähnlichen Fall LG München I RVGreport 2013, 346 = AGS 2013, 406 = StRR 2013, 311).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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