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Nebenklägerbeistand; Beschwer des Angeklagten

Eine Beschwerde des Angeklagten gegen die Bestellung eines Nebenklägerbeistands ist mangels Beschwer unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte geltend macht, die Beistandsbestellung verstoße gegen § 146 StPO analog und §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BORA. (Leitsätze des Senats)

OLG Celle,Beschl.v.29.6.2020 –3 Ws 154/20

I. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist Angeklagter in einem beim LG anhängigen Strafverfahren. An diesem Verfahren nimmt auch ein Nebenkläger teil. Diesem wurde mit Verfügung des Vorsitzenden ein Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer. Die Bestellung verstoße gegen § 146 Abs. 1 StPO analog, da der beigeordnete Rechtsanwalt einen Mitbeschuldigten in einem Verfahren, welches mit vorliegender Sache verbunden gewesen sei, verteidige. Trotz der zwischenzeitlich erfolgten Abtrennung bestünde die Interessenkollision fort, da sich die Verfahren überlagerten und aus demselben Ermittlungskomplex entstanden seien.

Nachdem das OLG die beantragte Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, trug der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO im Jahr 2013 eine Beschwer des Angeklagten durch die Bestellung eines Nebenklägerbeistands anerkannt habe.

Der Senat hat die Beschwerde als unzulässig verworfen.

II. Entscheidung

Nach Auffassung des OLG ist das Rechtsmittel unzulässig. Ein Angeklagter sei durch die Bestellung eines Nebenklägerbeistandes nach § 397a StPO in seiner Rechtsposition nicht unmittelbar beeinträchtigt und daher nicht beschwert. Bei genauer Betrachtung erweise sich nämlich nicht die Bestellung des Beistands selbst, sondern erst dessen Ausübung von Verfahrensrechten als unmittelbare Belastung für den Angeklagten. Überdies sei eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte des Angeklagten durch Bestellung eines Nebenklägerbeistands jedenfalls mit der Einführung von § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO im Jahr 2013 entfallen.

Ungeachtet dessen fehle es auch deshalb an einer Beschwer, weil der Beschwerdeführer nicht die Bestellung eines Nebenklägerbeistands an sich, sondern nur dessen Auswahl angreife. So diene das Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO dem Schutz eines Beschuldigten davor, von einem für ihn ungeeigneten Verteidiger verteidigt zu werden. Ein Mitangeklagter könne Verstöße nicht rügen. Dementsprechend schütze die Vorschrift auch bei analoger Anwendung auf den Nebenklägerbeistand nur den Nebenkläger selbst.

Etwas anderes gelte auch nicht unter dem Gesichtspunkt des geltend gemachten Verstoßes gegen §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BORA. Denn diese Regelungen dienten dem Schutz des individuellen Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Der Beschwerdeführer hingegen könne hieraus eine unmittelbare Beeinträchtigung in seinen subjektiven Rechten oder schutzwürdigen Interessen nicht herleiten.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung entspricht der h.M. in Rechtsprechung und Literatur, die zwar anerkennt, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Nebenkläger grundsätzlich auch nachteilige Folgen für den Angeklagten haben kann, solche Nachteile jedoch durch die dann notwendig werdende Bestellung eines Pflichtverteidigers als ausreichend kompensiert ansieht. Dem ist zuzustimmen, insbesondere da die Beiordnung eines Nebenklägerbeistands seit der Einfügung des § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO im Jahr 2013 nicht nur regelmäßig, sondern immer die Mitwirkung eines Verteidigers gebietet. Auch leuchtet ein, dass die Auswahl des Beistands allenfalls den Nebenkläger selbst, nicht aber Angeklagte beschweren kann.

RiLGThomas Hillenbrand, Stuttgart

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