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Erforderlichkeit der Kosten einer BahnCard

1. Unterlässt es der Verteidiger, die Notwendigkeit seiner Auslagen vor deren Entstehen durch das Gericht feststellen zu lassen, steht dies einer Anerkennung der Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren als notwendig nicht entgegen.

2. Die Kosten für den Erwerb einer BahnCard50 können jedenfalls in lang andauernden Verfahren notwendige Auslagen darstellen, wenn sich der Erwerb der BahnCard50 bereits nach wenigen Fahrten des Verteidigers amortisiert. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Celle, Beschl. v. 21.12.2020 – 4 StE 1/17

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger. Er hat gem. § 47 RVG für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten im Wege des Vorschusses Gebühren für die Teilnahme an neun Hauptverhandlungsterminen geltend gemacht. Zudem hat er die Festsetzung von Reisekosten beantragt. Insoweit geltend gemachten Kosten für eine BahnCard 50 hat die Kostenbeamtin abgesetzt, weil ein Beschluss über die Erforderlichkeit dieser Aufwendungen nicht vorläge. Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Rechtsanwalts, der die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat. Die Erinnerung des Rechtsanwalts hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Dass der Rechtsanwalt vor seinem Festsetzungsantrag betreffend seine Auslagen im Wege des Vorschusses keinen Antrag auf Feststellung der Erforderlichkeit nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG gestellt habe, stehe der Festsetzung nicht entgegen. Eine solche Feststellung entbinde lediglich den Kostenbeamten von der Prüfung, ob die geltend gemachten Auslagen für eine sachgemäße Durchführung der Angelegenheit notwendig waren. Werde eine solche Entscheidung nicht beantragt oder lehne das Gericht einen Antrag nach § 46 Abs. 2 RVG ab, verbleibe es bei der durch den Kostenbeamten nach § 55 RVG durchzuführenden Prüfung in eigener Verantwortung.

Das OLG hat die Kosten für die BahnCard 50 festgesetzt. Zwar seien Aufwendungen für eine BahnCard nach herrschender Meinung als allgemeine Geschäftskosten auch nicht anteilig erstattungsfähig (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV 7003–7006 Rn 46 m.w.N.). Der Senat habe aber im vorliegenden Verfahren, in dem die Hauptverhandlung über drei Jahre andauere, bereits mehrfach das Erfordernis des Erwerbs einer BahnCard durch die auswärtigen Verteidiger festgestellt. Bei dem Preis, den der Rechtsanwalt für einen Einzelfahrschein ohne BahnCard-Ermäßigung bezahlen und der ihm sodann als erforderliche Aufwendung ersetzt werden müsste, sei der für die BahnCard50 aufzuwendende Betrag bereits nach der siebten bis achten Fahrt amortisiert. Insoweit entspreche die vom Antragsteller getätigte Aufwendung der ihm zukommenden Pflicht zur kostenschonenden Gestaltung seiner notwendigen Geschäftsreisen.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung ist zutreffend.

1. Der Pflichtverteidiger hat, bevor er Kosten auslösende Maßnahmen ergreift, die er dann ggf. über seinen Auslagenanspruch gegenüber der Staatskasse geltend machen will, die Möglichkeit, vorab nach § 46 Abs. 2 S. 3 RVG vorzugehen. Danach kann er die Erforderlichkeit der Maßnahme, wie z.B. auch eigene Ermittlungen in Form eines Sachverständigengutachtens, feststellen lassen, bevor er einen Kosten auslösenden Auftrag erteilt (dazu eingehend Volpert, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2], Rn 212 ff., 224). Er muss das aber nicht tun. Stellt er einen Antrag und hat er damit Erfolg, ist allerdings bindend für das Kostenfestsetzungsverfahren die Erforderlichkeit der Auslage festgestellt. Eine ablehnende Entscheidung hat allerdings keine Bindungswirkung für das Kostenfestsetzungsverfahren. Der Verteidiger kann seinen Antrag dort also wiederholen (Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2]; Rn 234 f.). Die auf einen entsprechenden Antrag ergehende (Ablehnungs-)Entscheidung ist im Übrigen nicht anfechtbar (zuletzt OLG Celle StraFo 2012, 338 m.w.N.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2015, 84 [Ls.]; Beschl. v. 22.9.2014 – 1 Ws 246 u. 272/14).

2. Auch die Ausführungen des OLG zu den Kosten der BahnCard50 sind zutreffend. Die h.M. geht davon aus, dass, sofern der gerichtlich bestellte oder beigeordnete) Rechtsanwalt für seine Geschäftsreisen öffentliche Verkehrsmittel unter Einsatz (s)einer BahnCard benutzt, er dafür nicht die anteiligen Anschaffungskosten nach § 46 Abs. 1 RVG als Auslagen erstattet verlangen kann. Die Kosten werden, da sie keinem bestimmten Verfahren zugeordnet werden können, vielmehr als allgemeine Geschäftskosten behandelt, die gem. Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG mit den Gebühren des Rechtsanwalts abgegolten werden (vgl. OLG Celle RVGreport 2005, 151; OLG Düsseldorf StRR 2008, 399 = RVGreport 2008, 259; OLG Hamm AGS 1997, 60 = JurBüro 1996, 598 = Rpfleger 1996, 352). Etwas anderes kann aber gelten, wenn erst aus Anlass von Reisen die BahnCard angeschafft wird. Dann können die Anschaffungskosten erstattungsfähig sein (vgl. OLG Hamm a.a.O. für die Sachverständigenvergütung nach dem JVEG). Das wird allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn der Rechtsanwalt in einem Umfangsverfahren mit vielen Terminen gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist und eine Vielzahl von Geschäftsreisen zu den Terminen anfällt. Die Erstattungsfähigkeit der Anschaffungskosten für die BahnCard ergibt sich dann daraus, dass die sich aus der Anzahl der Terminierungen ergebenden voraussichtlichen Reisekosten die Anschaffungskosten für eine BahnCard ggf. wesentlich übersteigen. Darauf hat hier das OLG Celle zutreffend abgestellt.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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