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Berechnung des Längenzuschlags

Eine Stunde endet mit Ablauf der Sekunde 59:59 Uhr. Danach beginnt die nächste Stunde. (Leitsatz des Verfassers)

LG Karlsruhe, Beschl. v. 29.12.2020 – 3 KLs 220 Js 16158/10

I. Sachverhalt

Die Rechtsanwältin war als Pflichtverteidigerin tätig. Sie hat für einen Hauptverhandlungstag bei der Strafkammer des LG die Festsetzung eines Längenzuschlags nach Nr. 4116 VV RVG beantragt. Der Kostenbeamte hat diesen nicht festgesetzt. Die nach § 56 RVG statthafte Erinnerung der Pflichtverteidigerin hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Nach Auffassung des LG war ein Längenzuschlag nach Nr. 4116 VV RVG festzusetzen. Dieser entstehe, wenn ein gerichtlich bestellter oder beigeordneter Rechtsanwalt für mehr als fünf Stunden an der Hauptverhandlung teilnehme. Dies sei auch dann der Fall, wenn die Hauptverhandlung, wie im Protokoll vermerkt, nicht um 14:01, sondern um 14:00 Uhr geschlossen worden sei. Denn die nach Nr. 4116 VV RVG maßgebliche Zeit beginne unabhängig vom Aufruf der Hauptverhandlung mit dem in der Terminsladung genannten Beginn der Hauptverhandlung, vorliegend also um 9:00:00 Uhr. Mit Ablauf der Sekunde 13:59:59 Uhr sei daher die fünfte Stunde beendet gewesen. Ab 14:00:00 Uhr und daher auch bei Zugrundelegung der Richtigkeit des Protokolls sei demnach die von der Verteidigerin beantragte Gebühr angefallen.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Die Entscheidung ist m.E. zutreffend. Denn die Stunde endet mit Ablauf der Sekunde 59.59. Danach beginnt die nächste Stunde, so dass hier – entsprechend dem Protokoll – die Pflichtverteidigerin mehr als fünf Stunden an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Es kommt also auf die Sekunde an.

2. Durch das KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 (BGBl I, S. 3229) ist in Teil 4 VV RVG eine neue Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV RVG aufgenommen worden, die den Streit in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Berechnung der für den Längenzuschlag des Pflichtverteidigers maßgeblichen Zeit erledigen soll (wegen der Einzelheiten Burhoff StRR 1/2021, 10). Dabei ging es aber nur um die Berücksichtigung von Wartezeiten und Pausen bei der Ermittlung der maßgeblichen Teilnahmezeit des Pflichtverteidigers. Die hier vom LG entschiedene Frage hat das KostRÄG 2021 nicht geregelt. Sie war, soweit ersichtlich, bisher nicht Gegenstand der Rechtsprechung. Das spricht dafür, dass es in der Praxis insoweit bislang keine Probleme gegeben hat.

3. Der Rat an den Verteidiger für Fälle, in denen es von Bedeutung sein könnte: Uhrenvergleich mit dem Protokollführer machen und in den Fällen, in den es ggf. auf die Frage: „Fünf Stunden schon überschritten?“ ankommen könnte, darauf achten, wann die Hauptverhandlung geschlossen und was vom Protokollführer ins Protokoll eingetragen wird. Ist es bereits 14.01 Uhr, muss das auch eingetragen werden, denn darauf kommt es, wie man sieht, ggf. an.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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