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Anwendung alten Rechts auf Beschlussersetzungsklagen

Anwendung alten Rechts auf Beschlussersetzungsklagen

BGH, Urt. v. 25.2.2022 – V ZR 65/21

I. Der Fall

Die Parteien, die Eigentümer einer aus mehreren Häusern bestehenden, in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um die Ersetzung eines Beschlusses. Die Verwalterin der Liegenschaft erstellte die Jahresabrechnungen bis 2017 getrennt nach Häusern. Mit Urt. v. 31.7.2019 stellte das AG die Nichtigkeit der Jahresabrechnung für 2017 fest. Der hierauf gestellte Antrag auf sofortige Abberufung der Verwalterin blieb ohne Erfolg. Die hierauf erhobene Klage auf Ersetzung des diesbezüglichen Beschlusses blieb ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte einstweilen Erfolg.

Die Beschlussersetzungsklage ist zulässig, auch wenn § 48 Abs. 5 WEG insoweit keine ausdrückliche Übergangsregelung enthält. Zwar ist § 21 Abs. 8 WEG a.F. mit dem WEMoG ersatzlos entfallen. Nach ganz überwiegender Meinung findet § 48 Abs. 5 WEG auch auf Beschlussersetzungsklagen Anwendung. Denn § 21 Abs. 8 WEG a.F. hätte schon nach der bisherigen Systematik des Gesetzes in den dritten Teil des Gesetzes aufgenommen werden müssen. Es entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, anhängige Beschlussersetzungsklagen mit Inkrafttreten des neuen Rechts unzulässig werden zu lassen. Vielmehr hat er bei der Fortgeltungsregelung des § 48 Abs. 5 WEG auch in anderer Hinsicht die Verzahnung von materiellem und formellem Recht übersehen. Folglich sind die übrigen Wohnungseigentümer auch für die Beschlussanfechtungsklage weiterhin passivlegitimiert. Auch materiell-rechtlich sind die Maßstäbe des alten Rechtes für die Beschlussersetzung maßgeblich.

Damit besteht ein Individualanspruch auf Abberufung des Verwalters nur, wenn ihr Unterbleiben aus objektiver Sicht unvertretbar erscheint (BGH v. 10.2.2012 – V ZR 105/11; ZMR 2012, 565). Hierfür reicht es allerdings aus, wenn allein die Abberufung dem Interesse der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, hier insbesondere der Beurteilung der Frage, inwieweit die Beschlussfassung nach Häuserkomplexen eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt. Zur Vornahme dieser Abwägung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

III. Der Praxistipp

Hinsichtlich der Unvertretbarkeit der Entscheidung, den Verwalter im Amt zu belassen, schwächt der BGH seine hohen Anforderungen spürbar ab. Nunmehr genügt es in der Sache, dass der diesbezügliche Negativbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. In einem obiter dictum erwähnt der BGH noch beiläufig, dass selbst Vereinbarungen in alten Verwalterverträgen, die die sofortige Abberufbarkeit gemäß § 26 Abs. 3 WEG beschränken, unwirksam geworden sind. Offen bleibt jedoch die wichtige Frage, wie nach Wegfall von § 21 Abs. 8 WEG a.F. zu verfahren ist, wenn zwar Anspruch auf einen Beschluss besteht, für das „Wie“ jedoch ein Ermessensspielraum besteht

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