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Vorgehen bei einer Berufung zum unzuständigen Gericht

Vorgehen bei einer Berufung zum unzuständigen Gericht

BGH, Beschl. v. 9.12.2021 – V ZB 12/21

I. Der Fall

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von ihrem ehemaligen Verwalter die Herausgabe von Verwalterunterlagen. Das AG gab der Klage weitgehend statt und bezeichnete das für Wohnungseigentumssachen zuständige LG Dortmund in der Rechtsmittelbelehrung als Rechtsmittelgericht. Trotzdem reichte der Beklagtenvertreter seine Berufungsschrift beim allgemeinen Berufungsgericht ein. Nachdem dieses auf seine Unzuständigkeit hingewiesen hatte, nahm der Beklagte nach Ablauf der Berufungsfrist die Berufung dort zurück und legte sie beim LG Dortmund erneut, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag Berufung ein. Dieses wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes nicht nach § 574 Abs. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das LG Dortmund hat den Rechtsstreit zu Recht als Wohnungseigentumssache gemäß § 43 Nr. 3 WEG a.F. angesehen und hierfür seine Zuständigkeit aus § 72 Abs. 2 GVG a.F. angenommen, die Berufung aber mangels Einhaltung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Die Wiedereinsetzung ist schon im Hinblick auf das der Beklagten zurechenbare Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, der die zutreffende Rechtsmittelbelehrung nicht befolgt hat. Das unzuständige LG Essen traf auch keine Fürsorgepflicht, die Fristversäumung durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Dies ist nur der Fall, wenn die Unzuständigkeit des Gerichtes ohne Weiteres bzw. leicht und einwandfrei zu erkennen ist. Das ist bei der Abgrenzung von Wohnungseigentumssachen und allgemeinen Zivilsachen durch die jeweils zuständigen Gerichte nicht anzunehmen. In diesen Fällen muss das fehlerhaft angegangene Gericht keine besonderen Vorkehrungen treffen, um die fristgerechte Weiterleitung des Rechtsmittels zu ermöglichen. Denn das Maß verfassungsrechtlich gebotener Fürsorge richtet sich nicht nur nach dem Interesse des Rechtssuchenden, sondern auch nach der Funktionsfähigkeit der Justiz, die vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung kann auch für das neue Recht Geltung beanspruchen. Denn die Konzentrationsgerichte für Wohnungseigentumssachen werden beibehalten. Dem Prozessbevollmächtigten, der Berufung einlegen will, ist daher immer zu raten, diese an das in der Rechtsmittelbelehrung angegebene Gericht zu richten. Denn dann wird er nach nochmaliger Berufungseinlegung beim Berufungsgericht regelmäßig Wiedereinsetzung erhalten, wenn die Rechtsmittelbelehrung falsch war. Keinesfalls darf er dann beim zuerst angerufenen Gericht Verweisung beantragen. Denn der unverschuldete Rechtsirrtum führt nicht dazu, dass die bei dem funktionell unzuständigen Gericht eingelegte Berufung die Berufungsfrist wahrt und der Rechtsstreit auf Antrag in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das zuständige Gericht zu verweisen ist (BGH v. 22.10.2020 – V ZB 45/20, ZWE 2021, 140=MietRB 2021, 47).

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