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Mietminderung bei „Umweltfehlern“

BGH,Urt.v.29.4.2020–VIII ZR 31/18

I. Der Fall

Die Parteien streiten um die Zahlung von Miete. Zwischen ihnen besteht seit 2009 ein Mietvertrag über eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin. Von 2013 bis 2015 wurde auf einem 40 Meter von der vermieteten Wohnung entfernten Grundstück ein Neubau errichtet. Der Mieter kürzte deswegen die Miete von Juni 2013 bis Februar 2015 um 10 %. Die Vermieterin begehrt die Zahlung der rückständigen Miete. Ihre vor dem AG überwiegend erfolgreiche Klage wies das Berufungsgericht ab. Hiergegen richtet sich die vom LG zugelassene Revision des Klägers.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte einstweilen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete nicht verneint werden.

Wenn es davon ausgeht, dass die „typischerweise mit solchen Baumaßnahmen verbundenen Lärm- und Schmutzimmissionen eine Mietminderung in der vorliegend beanspruchten Höhe von 10 %“ rechtfertigen, verkennt es die vom BGH aufgestellten Maßstäbe hierfür. Zwar kann eine vom vertraglich geschuldeten Zustand abweichende Beschaffenheit auch darin liegen, dass die Mietvertragsparteien (schlüssig) Vereinbarungen über Umstände getroffen haben, die von außen auf die Mietsache einwirken. Dabei genügen aber einseitige Vorstellungen des Mieters nicht, selbst wenn sie dem Vermieter bekannt sind. Alleine eine Bestimmung im Mietvertrag, wonach sich der Mieter u.a. über die Geräuschverhältnisse vor Ort Gewissheit verschafft habe und die Wohnung für seine Zwecke als geeignet und mängelfrei anerkenne, stellt keine solche Beschaffenheitsvereinbarung dar.

Dieser Regelung ist nicht der sichere Schluss zu entnehmen, dass der Vermieter abweichend von der Regel die vertragliche Haftung für einen unveränderten Zustand der Geräuschverhältnisse übernehmen will. Erst recht kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Freiheit von Baulärm regelmäßig stillschweigender Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung werde.

Ohne eine solche Beschaffenheitsvereinbarung ist die Erhöhung von Geräuschimmissionen nach Abschluss des Mietvertrages grundsätzlich kein zur Mietminderung nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB führender Mangel, wenn sie auch der Vermieter ohne Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit gemäß § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste. Diese Rechtsprechung steht nicht im Widerspruch zu derjenigen des XII. Zivilsenates zu Formularklauseln, wonach eine Minderung für beeinträchtigende Umstände ausgeschlossen wird, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (BGH v. 12.3.2008 – XII ZR 147/05, NJW 2008, 2254). Denn dort geht es um den im Gewerberaummietrecht grundsätzlich möglichen Ausschluss der Mietminderung für Mängel der Mietsache, hier um die vorgelagerte Frage, ob überhaupt ein Mangel der Mietsache vorliegt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat zunächst der Mieter darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass überhaupt eine Beeinträchtigung der von ihm angemieteten Wohnung durch Geräusch- und Schmutzimmissionen eingetreten ist. Die Annahme einer „typischerweise mit solchen Baumaßnahmen verbundenen Lärm- und Schmutzimmissionen“ ist unzulässig. Ferner hat der Mieter darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Beeinträchtigung gemäß § 906 Abs. 1 S. 1 BGB wesentlich ist. Für die Mietvertragsparteien gilt die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Verhältnis von Grundstückseigentümer und Störer nicht. Allerdings genügt hier eine Beschreibung der Mangelerscheinungen, also die Art der Beeinträchtigungen und die Zeit und Dauer, zu der sie auftreten. Erst danach hat der Vermieter darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass ihm hiergegen weder Abwehr- noch Beseitigungsansprüche zustehen. Da zu alledem hinreichende Tatsachenfeststellungen fehlen, war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

III. Der Praxistipp

Der BGH leitet die Verneinung der Mangelhaftigkeit einer Mietwohnung bei fehlenden Abwehransprüchen des Vermieters aus Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung ab. Im Hinblick auf ihren Umfang (die Entscheidung ist 42 Seiten lang) beschränkt sich die Inhaltswiedergabe hier insoweit auf das Ergebnis. Für die Praxis segensreich ist die Fixierung der Darlegungs- und Beweislast nach dieser Rechtsprechung. Danach hat der Mieter (im dargelegten Umfang) die Auswirkungen des Umweltfehlers auf die Mietwohnung und dessen Wesentlichkeit darzulegen und zu beweisen, der Vermieter seine fehlenden Abwehrmöglichkeiten.

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