Keine Vertretung der auf Hausgeld verklagten Wohnungseigentümer durch den Verwalter
BGH, Urt. v. 27.11.2020 – V ZR 67/20
I. Der Fall
Die Parteien, die Wohnungseigentümergemeinschaft und ein Wohnungseigentümer, streiten um die Zahlung von Hausgeldern. In der Klage war die Adresse der Eigentümerin auf Malta und die Verwalterin als Zustellungsvertreterin gemäß § 45 Abs. 1 WEG a.F. angegeben. Das Amtsgericht stellte die Klage der Verwalterin zu und erließ nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Verteidigungsanzeige Versäumnisurteil, das wiederum der Verwalterin zugestellt wurde. Rund drei Monate danach legte die Beklagte Einspruch ein und begehrte Wiedereinsetzung, weil ihr weder Klage noch Versäumnisurteil zugestellt worden seien. Nach Verwerfung des Einspruchs durch das Amtsgericht hat das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.
II. Die Entscheidung des Gerichts:
Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Die erstinstanzlichen Urteile sind außerhalb eines rechtshängigen Verfahrens ergangen und daher wirkungslos.
Denn der Verwalter ist nicht Zustellungsvertreter eines Wohnungseigentümers für eine Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Hausgeld. Dies ließe der Wortlaut von § 45 Abs. 1 WEG a.F. zwar zu. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift geht jedoch hervor, dass sie nur die Fälle erfassen sollte, in denen ein Wohnungseigentümer gegen die übrigen vorgeht, also Anfechtungs- oder Beschlussersetzungsklagen. § 45 Abs. 1 WEG a.F. sollte nur klarstellen, dass der Verwalter in solchen Fällen grundsätzlich Vertreter der beklagten Wohnungseigentümer ist. In diesen Fällen erfordert die Vielzahl der Beklagten einen hohen Zustellungsaufwand, so dass die Bündelung der Zustellung zur Vereinfachung des Rechtsverkehrs zweckmäßig ist. Ein vergleichbarer Zustellungsaufwand besteht bei Klagen gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht. Dies geht im Umkehrschluss auch aus § 45 Abs. 1 Hs. 3 WEG hervor, da der Verwalter danach für den Fall einer Interessenkollision nicht Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer sein kann. Die Zustellungsvertretung der widereinander streitenden Parteien durch dieselbe Person lässt sich schließlich nicht mit dem in § 181 BGB und § 178 Abs. 2 ZPO zugrunde liegenden Rechtsgedanken vereinbaren. Der Zustellungsmangel ist auch nicht nach § 189 ZPO geheilt worden, da der Zugang der Klageschrift nicht festgestellt ist. Im Ergebnis sind die erstinstanzlichen Entscheidungen außerhalb eines rechtshängigen Verfahrens ergangen und deshalb wirkungslos. Aus diesem Grunde war das Berufungsgericht auch an einer eigenen Entscheidung gehindert, weil die Sache mangels Rechtshängigkeit noch nicht Gegenstand eines erstinstanzlichen Verfahrens war.
III. Der Praxistipp
Es ist erstaunlich, dass der BGH zwecks Klarstellung, dass der Verwalter nicht beide Seiten eines Rechtsstreits vertreten darf, angerufen werden muss. Nach neuem Recht und der ersatzlosen Aufhebung von § 45 WEG a.F. stellt sich die umgekehrte Frage: Dass es nach wie vor Rechtsstreitigkeiten gegen alle übrigen Wohnungseigentümer geben kann, etwa in Verfahren auf Abänderung von Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG, wurde vom Gesetzgeber nicht bedacht. Hier bleibt künftig nur der mühevolle Weg der Zustellung an alle Wohnungseigentümer.