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Ermächtigung des Nießbrauchers zur Anfechtung von Beschlüssen

Ermächtigung des Nießbrauchers zur Anfechtung von Beschlüssen

BGH, Urt. v. 27.11.2020 – V ZR 71/20

I. Der Fall

Die Parteien, die Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft und der Nießbraucher einer Wohnung, streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen. Die Kläger übertrugen das Eigentum an einer Wohnung im Mai 2001 auf ihre Tochter, behielten sich aber den Nießbrauch hieran vor. Auf der Eigentümerversammlung vom 7.6.2018 beschlossen die Wohnungseigentümer, ein bestimmtes Unternehmen mit der Pflege der Außenanlage zu betrauen. Anfang Juli fochten die Kläger diesen Beschluss an, teilten dem Gericht im September die Eigentumsübertragung aus dem Jahr 2001 mit und reichten eine auf den 24.5.2001 datierte Vollmacht ihrer Tochter zu den Akten, wonach sie deren Rechte als Prozessstandschafter in eigenem Namen geltend machen durften. Am 25.10.2018 wurden die Nießbraucher wieder zu einem geringen Anteil als Miteigentümer der Wohnung eingetragen. Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Die Klage ist zulässig. Die Anfechtungsklage kann zwar nach nahezu einhelliger Auffassung nur von Wohnungseigentümern, nicht aber von Nießbrauchern erhoben werden. Denn der Gesetzgeber hat die Anfechtungsbefugnis ausdrücklich nur den Wohnungseigentümern zuerkannt.

Die Kläger sind aber aufgrund der Ermächtigung durch ihre Tochter, die Wohnungseigentümerin, in gewillkürter Prozessstandschaft zur Prozessführung befugt. Denn hierfür reicht es, da es sich um eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage handelt, noch aus, wenn die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen.

Die Klage ist aber unbegründet.

Denn die Kläger waren bei Klageerhebung nicht Wohnungseigentümer und haben ihre Ermächtigung nicht innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. offengelegt. Dies ist aber entgegen teilweise vertretener Auffassung (Jennißen/Suilmann, WEG, 6. Aufl., § 46 Rn 95), die für eine Offenlegung innerhalb der Begründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG plädiert, aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Den nur dann, wenn die verklagten Wohnungseigentümer wissen, dass der Kläger ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend macht, können sie die behauptete Ermächtigung oder dessen Rechtsschutzinteresse bestreiten. Die verlängerte Begründungsfrist beruht zudem darauf, dass die Niederschrift häufig erst kurz vor Ablauf der Klagefrist zur Verfügung steht, so dass die zur Begründung der Klage zur Verfügung stehende Zeit knapp sein kann. Dies gilt für die Offenlegung der Prozessstandschaft, die dem Ermächtigten ohne weiteres möglich ist, nicht.

III. Der Praxistipp

Wieso die Rechtssicherheit die Offenlegung der Ermächtigung innerhalb der Klagefrist erfordert, leuchtet nicht recht ein. Gleichwohl wird die Entscheidung auch in Zukunft zu beachten sein, da Anfechtungs- und Begründungsfrist in das neue Recht (§ 45 WEG) übernommen wurden.

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