Weicht der Stundensatz eines Sachverständigen für die Erstellung eines privaten Sachverständigengutachtens erheblich von den im JVEG vorgesehenen Sätzen ab, bedarf es für die Plausibilitätsprüfung besonderer Darlegungen durch den Antragsteller der Erstattung. Als erheblich erachtet wird eine Abweichung von 20 % oder mehr vom Stundensatz der entsprechenden Honorargruppe des JVEG.
Sachverhalt
Der Betroffene ist vom AG vom Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit freigesprochen worden. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Landeskasse auferlegt. Der Betroffene hat Kostenfestsetzung beantragt und dabei u.a. die Kosten eines von ihm eingeholten privaten Sachverständigengutachten i.H.v. 1.797,95 EUR und von 431,97 EUR (jeweils inclusive Mehrwertsteuer) geltend gemacht, die neben Schreibauslagen und Kosten für Kopien, Porto und Telefon, Arbeitsaufwand von insgesamt 10,5 Stunden zu einem Stundensatz von 168,75 EUR beinhalten.
In ihrer Stellungnahme zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers ging die Bezirksrevisorin davon aus, dass die geltend gemachten Auslagen für die Privatgutachten zwar aus Sicht der Staatskasse ausnahmsweise erstattungsfähig seien, da diese das Verfahren gefördert hätten; die Höhe der Erstattung der Sachverständigenkosten sei jedoch auf die gültigen Sätze des JVEG, mithin auf 135,00 EUR (Stundensatz) gem. Nr. 37 der Anlage 1 zu § 9 JVEG begrenzt. Die Rechtspflegerin des AG Konstanz hat im Kostenfestsetzungsbeschluss die geltend gemachten Privatgutachtenkosten in voller Höhe festgesetzt. Dagegen hat die Bezirksrevisorin namens der Staatskasse sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hatte teilweise Erfolg.
Auslagen für den privaten Sachverständigen
Das LG hat die Erstattung der Kosten für das seitens des Betroffenen eingeholte Sachverständigengutachten i.H.v. insgesamt 2.145,58 EUR (unter Zugrundelegung eines um 20 % über dem im JVEG vorgesehenen Stundensatz liegenden Stundensatzes) als gerechtfertigt angesehen.
1.Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach
Die Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach hatte die Vertreterin der Staatskasse zugestanden. Das LG bestätigt dies auf der Grundlage der in der Rspr. vorherrschenden Meinung zu dieser Frage.
2.Erstattungsfähigkeit der Höhe nach
Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten folgt das LG dem AG jedoch nicht in vollem Umfang. In der Frage vertrete man in der Rspr. verschiedene Positionen. Zum Teil würden die Stundensätze des JVEG zugrunde gelegt (vgl. LG Stuttgart, Beschl. v. 28.12.2020 – 20 Qs 21/20). Überwiegend würden – auf der Grundlage der Entscheidung des BGH v. 25.1.2007 (VII ZB 74/06, NJW 2007, 1532) die Stundensätze des JVEG aber nur als Richtlinie herangezogen, auf deren Grundlage der privatrechtlich vereinbarte Stundensatz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen sei. Weiche der Stundensatz erheblich von den im JVEG vorgesehenen Sätzen ab, bedürfe es für die Plausibilitätsprüfung besonderer Darlegungen durch den Antragsteller. Als erheblich erachtet werde dabei eine Abweichung von 20 % oder mehr vom Stundensatz der entsprechenden Honorargruppe des JVEG (KG, Beschl. v. 20.2.2012 – 1 Ws 72/09; LG Chemnitz, Beschl. v. 3.7.2018 – 2 Qs 241/18; LG Münster, Beschl. v. 14.6.2024 – 12 Qs 16/24; LG Oldenburg, Beschl. v. 28.3.2022 – 5 Qs 108/22; AG Wuppertal, Beschl. v. 16.1.2019 – 26 OWi 723 Js 208/18-37/18).
Dem hat sich das LG angeschlossen. Das JVEG regele lediglich das dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen zustehende Honorar. Es sei daher auf den privatrechtlich tätigen Sachverständigen nicht unmittelbar anwendbar. Wie in der vorgenannten Entscheidung des BGH ausgeführt, komme auch eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass es einer Partei in der Regel möglich sein werde, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen (BGH, a.a.O.). Bei erheblicher Abweichung der Stundensätze des Privatgutachtens von den im JVEG vorgesehenen Sätzen bedürfe es allerdings einer besonderen Darlegung ihrer Notwendigkeit.
Hier weiche der geltend gemachte Stundensatz von 168,75 EUR um 25 % – und somit erheblich – von dem im JVEG vorgesehenen Stundensatz von 135,00 EUR ab. Die Ausführungen des Verteidigers und die beigefügten eingeholten Schreiben diverser Sachverständiger auf dem Gebiet der Verkehrsmesstechnik bestätigen, dass die Stundensätze für Privatgutachten auf diesem Gebiet die Vergütungssätze des JVEG deutlich überschreiten, belegen jedoch auch, dass es möglich ist, einen Privatgutachter zu beauftragen, dessen Stundensatz innerhalb der 20 %-igen Toleranzgrenze liegt, wie sich aus dem Schreiben eines Sachverständigenbüros ergebe, wonach der dortige Stundensatz für die Erstellung von verkehrsmesstechnischen Privatgutachten bei 145,00 EUR liege. Die Notwendigkeit eines diesen Toleranzbereich überschreitenden Stundensatzes sei daher nicht plausibel. Das LG hat daher einen Stundensatz von zzgl. 20 % über dem im JVEG vorgesehenen Stundensatz, somit i.H.v. höchstens 162,00 EUR als plausibel und somit erstattungsfähig angesehen. Dies ergebe bei insgesamt 10,5 Arbeitsstunden laut den Rechnungen des Sachverständigen 1.701,00 EUR zzgl. 19 % MwSt, somit insgesamt 2.024,19 EUR. Die Differenz zum festgesetzten Betrag (10,5 Stunden x 168,75 EUR zzgl. 19 % MwSt von 2.108,53 EUR betrage somit 84,34 EUR, die zuviel festgesetzt worden seien. Um diese Differenz hat das LG daher den vom AG insgesamt festgesetzten Betrag gekürzt.
Bedeutung für die Praxis
Ich hatte bereits in der Anmerkung zu der Entscheidung des AG Konstanz in AGS 2024, 321 auf die zu der Frage der maßgeblichen/zu erstattenden Höhe privater Sachverständigenkosten, die auch das LG anführt, hingewiesen (vgl. z.B. noch LG Dresden, Beschl. v. 7.10.2009 – 5 Qs 73/09; LG Wuppertal AGS 2016, 38 = DAR 2016, 237; anders RVGreport 2018, 223 = VRR 8/2018, 17, sowie auch KG StraFo 2012, 380 = RVGreport 2012, 429 = StRR 2012, 236 m. krit. Anm. Burhoff; LG Oldenburg AGS 2019, 94 = JurBüro 2019, 309; LG Wuppertal RVGreport 2018, 223 = VRR 8/2018, 177). Um Wiederholungen zu vermeiden, nehme ich auf die Anmerkung Bezug. Offen bleibt aber nach der Entscheidung des LG, warum die (geringfügige) Überschreitung der 20 %-Grenze vom LG nicht akzeptiert wird. Das AG, das allerdings von einer anderen Bemessungsgrundlage ausgegangen war, hatte sogar eine Abweichung von 24 % nicht beanstandet.