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Anhörungspflicht vor nachteiliger Kostenentscheidung

Manchmal ist es gut, wenn das BVerfG in seinen Entscheidungen Selbstverständlichkeiten noch einmal hervorhebt. So geschah es in einem Beschluss betreffend eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs, die allerdings aus formalen Gründen ohne Erfolg geblieben ist.

Nach den §§ 33, 33a StPO ist der von einer Kostenentscheidung Betroffene vor deren Erlass zu hören, wenn er durch das Auferlegen der eigenen Auslagen oder der Auslagen des Nebenklägers beschwert wird.

BVerfG, Beschl. v. 3.2.2022 – 2 BvR 1910/21

I.Sachverhalt

Das LG hat mit Beschl. v. 1.6.2021 dem Beschuldigten im Rahmen einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ohne vorherige Anhörung seine notwendigen Auslagen auferlegt. Dagegen hat der Beschuldigte sofortige Beschwerde eingelegt, die das OLG als unzulässig verworfen hat. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.

II.Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

Es hat die Verfassungsbeschwerde als unzulässig angesehen. Sie sei nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG eingelegt worden. Denn die vom OLG als unzulässig verworfene sofortige Beschwerde sei offensichtlich aussichtslos gewesen und habe deswegen nicht zum Rechtsweg i.S.d. § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG gehört. Darüber hinaus sah das BVerfG nicht die Begründungsanforderungen für eine Verfassungsbeschwerde als erfüllt an. Der Beschwerdeführer habe sich in seiner etwa einseitigen rechtlichen Begründung der Verfassungsbeschwerde weder mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben zur Begründungspflicht für letztinstanzliche Entscheidungen noch mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben zu Kosten- und Auslagenentscheidungen (vgl. BVerfG NJW 2016, 861 = RVGreport 2016, 158) auseinandergesetzt.

III.Anmerkungen zur Anhörungsrüge und zum rechtlichen Gehör

Das BVerfG merkt aber an, dass es ihm im Hinblick auf die den Beschwerdeführer belastende Auslagenentscheidung verfassungsrechtlich bedenklich erscheine, die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge des Beschwerdeführers, mit der er insbesondere die Nichtberücksichtigung seines äußerst zeitnah an das LG übersandten Schriftsatzes vom 2.6.2021 rügte, allein deswegen zu verwerfen, weil dem Beschwerdeführer bei nicht zustimmungsbedürftigen Einstellungen außerhalb der Hauptverhandlung gem. § 33 Abs. 1 StPO kein Anspruch auf rechtliches Gehör zustehe. Diese Begründung legt es nach Auffassung des BVerfG nahe, dass das LG den Umfang des Gehörsanspruchs aus Art. 103 Abs. 1 GG verkannt hat. Die Vorschriften der §§ 33, 33a StPO beschränken – so das BVerfG – die gebotene Anhörung nicht auf Tatsachen und Beweisergebnisse, sondern erfassen über den Wortlaut der Bestimmungen hinaus jeden Aspekt rechtlichen Gehörs. Dazu gehöre im Grundsatz die Gelegenheit, sich vor einer belastenden Entscheidung zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfG NJW 2016, 861 = RVGreport 2016, 158; für das Haftprüfungsverfahren BVerfG NJW 2019, 41 m.w.N.). Vor einer Auslagenentscheidung sei der Betroffene zu hören, wenn er durch das Auferlegen der eigenen Auslagen oder der Auslagen des Nebenklägers beschwert werde (vgl. VerfG Brandenburg, Beschl. v. 22.3.2019 – 1/18, LVerfGE 30, 91 m.w.N.; OLG Dresden NStZ-RR 2015, 30; OLG Oldenburg StraFo 2010, 352; OLG Stuttgart AG 2004, 409).

IV.Bedeutung für die Praxis

1. Die Ausführungen des BVerfG zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde beruhen auf der h.M. in der obergerichtlichen Rspr. Gem. § 464 Abs. 3 S. 1 HS 2 StPO ist eine sofortige Beschwerde gegen die Auslagenentscheidung in einem nicht anfechtbaren Einstellungsbeschluss des LG nicht statthaft (vgl. BVerfG NJW 2002, 1867; u.a. OLG Hamburg, wistra 2012, 324; Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl., 2019, § 464 Rn 8). Soweit in der Rspr. zur Vermeidung groben prozessualen Unrechts oder klar ersichtlicher Gesetzeswidrigkeit Ausnahmen von dieser Unanfechtbarkeit zugelassen werden, liegt ein solcher Ausnahmefall offensichtlich nicht vor.

2. Auch die Ausführungen zur Anhörungsrüge und zum rechtlichen Gehör entsprechen, wie die vom BVerfG zitierte Rspr. zeigt, der h.M. in der Rspr. Sie rufen noch einmal in Erinnerung, dass vor einer beabsichtigten (Kosten-)Entscheidung, die für den Betroffenen nachteilig ist, dieser angehört werden muss. Das wird in der Praxis nicht selten übersehen. Ob das immer der „Hitze des Gefechts“ geschuldet ist, oder ggfs. absichtlich geschieht, wird man letztlich nicht klären können. Jedenfalls ist die Forderung des BVerfG, dass der von den Nachteilen Betroffene vor Erlass der Entscheidung gehört werden muss. So viel Zeit muss sein.

https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS-2022-03-025-142

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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