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Dokumentenpauschale bei Übermittlung zusätzlicher Abschriften per Telefax nach Einreichen des Schriftsatzes als elektronisches Dokument

Nach Auffassung des OLG Nürnberg fällt eine gerichtliche Dokumentenpauschale dann nicht an, wenn die Partei, die einen Schriftsatz formwirksam als elektronisches Dokument eingereicht hat, nachfolgend Abschriften dieses Schriftsatzes zusätzlich per Telefax einreicht und dies dann vom Gericht ausgedruckt wird.

Eine Partei, die einen Schriftsatz gem. § 130a ZPO formwirksam als elektronisches Dokument einreicht, ist nicht gehalten, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften in Papierform nachzureichen. Aus diesem Grund kann die zusätzliche Übermittlung per Telefax einer erforderlichen Anfertigung einer Mehrfertigung nicht gleichstehen und deshalb den Anfall einer Dokumentenpauschale nach Nr. 9000 Nr. 1 b) Hs. 2 GKG KV nicht begründen. Einer entsprechenden Anwendung dieser Kostenvorschrift steht das kostenrechtliche Analogieverbot entgegen.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.3.2021 – 2 U 3607/20

I.Sachverhalt

Der Beklagte hatte gegen das Urteil des LG Amberg durch seine Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen lassen. Der Berufungsbegründungsschriftsatz wurde von dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt des Beklagten am 9.2.2021 um 4:25 Uhr elektronisch über das besondere Anwaltspostfach bei Gericht eingereicht. Kurz darauf, nämlich um 4:29 Uhr und ein weiteres Mal um 4:37 Uhr, ging der 29 Seiten umfassende Schriftsatz mit der Berufungsbegründung weitere zweimal per Telefax bei Gericht ein und wurde von einer Empfangsreinrichtung des Gerichts ausgedruckt. Die Kostenbeamtin des OLG Nürnberg setzte gegen die Prozessbevollmächtigten des Beklagten für den Ausdruck dieser beiden Telefaxe für insgesamt 58 Seiten eine Dokumentenpauschale nach Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV i.H.v. 26,20 EUR an. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beklagtenvertreter hatte Erfolg.

II.Dokumentenpauschale bei per Telefax übermittelten Mehrfertigungen

1.Gesetzliche Regelung

Nach Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV fällt die gerichtliche Dokumentenpauschale an, wenn Ausfertigungen, Kopien oder Ausdrucke vom Gericht angefordert worden sind, weil die Partei oder ein Beteiligter es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen. Dieser Anfertigung steht es gleich, wenn per Telefax übermittelte Mehrfertigungen von der Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt werden. So fällt die Dokumentenpauschale nach dieser Vorschrift dann an, wenn eine Partei längere Schriftsätze zu den Gerichtsakten durch doppelte Übersendung per Telefax einreicht und auch das jeweils zweite Exemplar von der Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt wird (LSG Berlin-Brandenburg AGS 2019, 472 = RVGreport 2019, 232 [Hansens]). Dies gilt nach Auffassung des OLG Koblenz (AGS 2017, 82 = RVGreport 2017, 397 [Ders.]) selbst dann, wenn es aufgrund eines nicht von dem Gericht zu vertretenden Umstands zum Ausdruck von Fehlfaxen, also eines unvollständigen Schriftsatzes, kommt. Demgegenüber fällt die Dokumentenpauschale dann nicht an, wenn die Partei den Schriftsatz lediglich einmal per Telefax übermittelt hat und sodann die erforderlichen Mehrfertigungen beim Gericht im Original eingereicht hat (OLG Sachsen-Anhalt AGS 2013, 86 = RVGreport 2013, 160 [Ders.]).

2.Dokumentenpauschale nicht angefallen

Entgegen der Auffassung der Kostenbeamtin und der Bezirksrevisorin lagen nach den Ausführungen des OLG Nürnberg die vorgenannten Voraussetzungen für die Berechnung der gerichtlichen Dokumentenpauschale nicht vor.

a)Keine Verpflichtung zum Einreichen von Mehrfertigungen

Das OLG Nürnberg hat darauf hingewiesen, dass vorliegend von dem Beklagten keine Mehrfertigungen seiner Berufungsbegründungsschrift vom 8.2.2021 einzureichen waren. Die Regelungen in Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV, § 28 Abs. 1 S. 2 GKG stehen nach Auffassung des OLG im Zusammenhang mit der aus § 133 Abs. 1 S. 1 ZPO resultierenden prozessualen Pflicht der Parteien, die erforderliche Anzahl von Abschriften der Schriftsätze nebst deren Anlagen beizufügen. Diese Regelung diene einmal der Kostendämpfung und bezwecke zum zweiten eine Kostengerechtigkeit, wonach derjenige, der besondere Kosten verursache, sie auch begleichen solle. Dies gelte insbesondere auch für den von Nr. 9000 Nr. 1 b) Hs. 2 GKG KV erfassten Mehraufwand des Gerichts durch Ausdruck von Telefaxschreiben. Dieser Mehraufwand, der der Justiz dadurch entstehe, dass sich die Partei bei der Wahrnehmung ihrer Verpflichtung aus § 133 Abs. 1 S. 1 ZPO der Telefaxeinrichtung des Gerichts bediene, rechtfertige den besonderen Auslagentatbestand.

b)Keine Mehrfertigung bei Übersendung gem. § 130a ZPO

Bei der elektronischen Übermittlung über das besondere Anwaltspostfach besteht nach den weiteren Ausführungen des OLG Nürnberg jedoch keine Verpflichtung, Mehrfertigungen einzureichen. Eine Partei, wie hier der Beklagte, der einen Schriftsatz gem. § 130a ZPO formwirksam als elektronisches Dokument einreiche, sei – wie sich aus § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO ergebe – gerade nicht gehalten, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften in Papierform nachzureichen. Sofern zum Zwecke der Zustellung überhaupt noch ein Ausdruck erforderlich sei, weil etwa der Prozessgegner nicht über einen elektronischen Zugang verfüge, habe die Geschäftsstelle dafür Sorge zu tragen, dass das elektronische Dokument ausgedruckt und dem Gegner in der gesetzlich vorgeschriebenen Form übermittelt werde.

3.Keine analoge Anwendung von Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV

Das OLG Nürnberg hat die Auffassung vertreten, die zusätzliche Einreichung eines inhaltlich identischen Schriftsatzes, der bereits zuvor elektronisch über das besondere Anwaltspostfach übermittelt worden sei, per Telefax widerspreche dem System des elektronischen Rechtsverkehrs. Dies gelte insbesondere dann, wenn dieses Telefax als weitere Form der Übermittlung von einem Rechtsanwalt „aus Sicherheitsgründen“ gewählt werde. Dies sei bereits deshalb nicht erforderlich, weil bei der Übersendung von Schriftstücken an das Gericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO sofort eine automatisierte Eingangsbestätigung eingehe. Durch die nochmalige Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax, was hier sogar noch doppelt erfolgt sei, würden der Justiz zusätzliche Kosten nicht nur für Papier und Druck, sondern auch für Personal entstehen. Jedoch könne Nr. 9000 Nr. 1 b) GKG KV auf den vorliegenden Sachverhalt nicht entsprechend angewendet werden. Dem würde das kostenrechtliche Analogieverbot entgegenstehen. Gem. § 1 Abs. 1 S. 1 GKG würden nämlich Kosten (Gebühren und Auslagen) nur nach diesem Gesetz erhoben. Demzufolge seien sämtliche gerichtlichen Handlungen kostenfrei, wenn das GKG einschließlich des zugehörigen KV nicht ausdrücklich etwas anderes bestimme (BGH AGS 2007, 472 = RVGreport 2007, 440 [Hansens]).

III.Bedeutung für die Praxis

Mit fortschreitender Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zwischen der Anwaltschaft und den Gerichten wird die Frage, wann bei Gericht eine Dokumentenpauschale nach Nr. 9000 GKG KV ausgelöst wird, die Praxis häufiger beschäftigen. Das OLG Nürnberg hat sich mit einer dieser Fragen befasst und – wie ich meine – das kostenrechtliche Problem zutreffend gelöst.

I.Ü. belegt der Fall des OLG Nürnberg, wie groß das Vertrauen des Beklagtenvertreters in den elektronischen Rechtsverkehr war. Besonders groß kann dies nicht gewesen sein, anderenfalls hätte er dem Gericht die Berufungsbegründungsschrift nicht „aus Sicherheitsgründen“ unmittelbar nach ihrer elektronischen Übersendung nochmals und sogar doppelt per Telefax übermittelt. Damit wird der mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs verfolgte Zweck, die Akten nicht mehr in Papierform zu führen, konterkariert.

https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS202110r0009

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

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