Beitrag

Krankenversicherung des Kindes durch barunterhaltspflichtigen Elternteil

1. Zu den Voraussetzungen der rückwirkenden Abänderung einer Endentscheidung gemäß § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG, mit der eine Herabsetzung des titulierten Unterhalts begehrt wird.

2. Die Pflicht des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Tragung der Kosten aus einer privaten Krankenversicherung zugunsten eines Kindes erlischt, wenn er aufgrund einer beruflichen Veränderung in die gesetzliche Krankenversicherung wechselt und zugunsten des Kindes die Familienversicherung gemäß § 10 SGB V eingreift.

3. Die Verweisung auf eine beitragsfreie Mitversicherung ist jedoch nur möglich, wenn deren Minderleistung durch eine private Zusatzversicherung kompensiert werden kann.

4. Ist der, ein minderjähriges Kind betreuende Elternteil privat, der barunterhaltspflichtige Elternteil dagegen gesetzlich krankenversichert, wirkt sich dies in Bezug auf die für die Auswahl einer Krankenversicherung maßgebliche Lebensstellung im Sinne des § 1610 Abs. 1 BGB aus. Danach kann das Kind auch auf den geringeren Krankenversicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen werden. Dies gilt insbesondere, wenn weitere Halbgeschwister ebenfalls gesetzlich krankenversichert sind.

OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 26.2.2020 – 6 UF 237/19

1. Der Fall

Der Beschwerdeführer ist der Vater der Beschwerdegegnerin. Sie streiten über die Verpflichtung zur Zahlung des Beitrags für eine private Krankenversicherung.

Die in 2003 geborene Beschwerdegegnerin lebt nach der Trennung der Eltern bei der Mutter. Beide Eltern waren und die Mutter der Beschwerdegegnerin ist auch heute noch privat krankenversichert. Für die Beschwerdegegnerin besteht ebenfalls eine private Krankenversicherung. Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt – Familiengericht – verpflichtet, für die Beschwerdegegnerin monatlich 160 % des Mindestunterhalts und 67,07 EUR Krankenversicherungskosten sowie jährlich 306 EUR Selbstbehalt zu zahlen. Seit Anfang 2019 beläuft sich der Beitrag zur privaten Krankenversicherung der Beschwerdegegnerin auf 120,32 EUR pro Monat. Sie hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.2.2019 auffordern lassen, ihr künftig den erhöhten Beitrag zu erstatten.

Der Beschwerdeführer ist zum 1.3.2019 in eine gesetzliche Krankenversicherung gewechselt. Es besteht dort Mitversicherung für seine (neue) Ehefrau, für die aus seiner (neuen) Ehe hervorgegangenen zwei Kinder und für die Beschwerdegegnerin. Die Beschwerdegegnerin hat wegen der Beitragserhöhung das vorliegende Abänderungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Entscheidung des Amtsgerichtes Darmstadt – Familiengericht – dahingehend abzuändern, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, rückwirkend ab 02/2019 die Kosten der privaten Krankenversicherung in Höhe von derzeit monatlich 120,32 EUR zuzüglich des Selbstbehalts in Höhe von derzeit 306 EUR pro Kalenderjahr zu bezahlen.

Der Beschwerdeführer seinerseits beantragte neben der Antragsabweisung durch entsprechenden Widerantrag die Abänderung, dass er ab dem 1.3.2019 nicht mehr verpflichtet sei, die Kosten der privaten Krankenversicherung zu bezahlen.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht den Unterhaltstitel unter Abweisung der (Wider-)Anträge im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 120,32 EUR zu erstatten. Zur Begründung führte das Gericht der 1. Instanz aus, dass eine private Krankenversicherung angesichts der guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers zum angemessenen Unterhalt der Beschwerdegegnerin zähle. Weil sie schon seit der Geburt privat versichert gewesen sei, sei ihr ein Wechsel in die gesetzliche Versicherung nur zuzumuten, wenn der Abschluss einer privaten Zusatzversicherung angeboten werde. Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargelegt, dass das Leistungsspektrum der gesetzlichen Versicherung dem der privaten Versicherung entspreche.

Gegen diese Entscheidung des Familiengerichts wendet sich der Beschwerdeführer.

2. Die Entscheidung

Das OLG hält den Widerantrag auf Abänderung des Unterhaltstitels hinsichtlich der Krankenversicherungskosten für zulässig und auch begründet.

Zur Begründung führt es aus, dass sich der Unterhaltsanspruch der Beschwerdegegnerin infolge des Wechsels des Beschwerdeführers in die gesetzliche Krankenversicherung und ihre dadurch nach § 10 SGB V entstandene beitragsfreie Mitversicherung nicht mehr auf die Kosten einer privaten Krankenversicherung erstrecke.

Der Unterhaltsbedarf eines Kindes umfasse Krankenversicherungsschutz. Der barunterhaltspflichtige Elternteil müsse die Kosten einer privaten Krankenversicherung tragen, wenn ein Kind nicht mit einem Elternteil mitversichert sei. Sei das Kind privat versichert und ergebe sich erst danach die Möglichkeit der beitragsfreien Mitversicherung mit einem Elternteil, könne der Barunterhaltsverpflichtete das Kind nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB in der Regel auf die gesetzliche Krankenversicherung verweisen. Dies gelte immer, wenn der im Einzelfall vereinbarte Tarif in der privaten Versicherung keine besseren Leistungen vorsehe, als sie die gesetzliche Krankenversicherung biete. Die Verweisung sei aber nicht ohne weiteres möglich, wenn die nach § 1610 Abs. 1 BGB maßgebliche Lebensstellung des Kindes zu einem Unterhaltsbedarf führe, der eine private Krankenversicherung mit einem Tarif umfasse, der Leistungen über dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung vorsehe. Nach bisheriger Rechtsprechung war insoweit darauf abzustellen, ob das Kind schon immer privat versichert und ob der barunterhaltspflichtige Elternteil selbst privat versichert gewesen sei.

Ob im Hinblick auf die sich abzeichnende Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abhängigkeit der Lebensstellung des in Ausbildung befindlichen minderjährigen Kindes von beiden Elternteilen, auch künftig noch entscheidend darauf abgestellt werden könne, wie der Barunterhaltspflichtige versichert sei, erscheine als fraglich, könne im vorliegenden Fall aber dahinstehen. Umfasse der Bedarf Gesundheitsleistungen nach dem Niveau einer privaten Krankenversicherung mit gegenüber der gesetzlichen Versicherung besserem Leistungsspektrum, sei die Verweisung auf eine beitragsfreie Mitversicherung jedenfalls nur möglich, wenn deren Minderleistungen durch eine private Zusatzversicherung kompensiert werde, was im Hinblick auf die nicht eben seltene Bevorzugung von Privatpatienten bei der Terminvergabe aber kaum zu erreichen sein dürfte.

Bei Übertragung der dargelegten Maßstäbe auf den hier in Rede stehenden Fall ergebe sich, dass eine private Krankenversicherung seit dem Wechsel des Beschwerdeführers in die gesetzliche Versicherung nicht mehr zum angemessenen Unterhalt der Beschwerdegegnerin zähle. Ihre Lebensstellung sei dadurch bestimmt, dass nur ein Elternteil privat krankenversichert sei und dass die beiden Halbgeschwister sich mit einer gesetzlichen Krankenversicherung bescheiden müssten. Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin in der Vergangenheit lange als Privatpatientin behandelt worden sei, habe entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine ausschlaggebende Bedeutung. Ihre von den Eltern abgeleitete Lebensstellung sei nicht statisch, sondern dem Wandel der Lebensverhältnisse der Eltern unterworfen.

3. Der Praxistipp

Die Frage eines Wechsels des minderjährigen Unterhaltsschuldners von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Mit(Kranken)Versicherung begegnet dem Praktiker regelmäßig in unterschiedlichen Konstellationen.

Immer wieder ist der gemeinsame minderjährige Kinder betreuende Elternteil nach rechtskräftiger Ehescheidung gesetzlich krankenversichert, die gemeinsamen minderjährigen Kinder waren während bestehender Ehe aufgrund einer entsprechenden Sachverhaltskonstellation – wie der barunterhaltspflichtige Kindsvater – privat krankenversichert. Die Kosten für die private Krankenversicherung der minderjährigen Kinder stellen deren Mehrbedarf dar. Dieser ist vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu tragen. Im Hinblick auf die monatlich relevanten Kosten begehrt der barunterhaltspflichtige Elternteil die Aufnahme der gemeinsamen minderjährigen Kinder in die gesetzliche Krankenversicherung des betreuenden Elternteils (§ 10 SGB V), um den monatlichen Mehrbedarf zum Wegfall zu bringen. Voraussetzung ist, dass der dann bestehende Versicherungsschutz des minderjährigen Kindes dem entspricht, den es privat krankenversichert in Anspruch nehmen konnte. Im Detail kann dies durch Abschluss einer privaten Krankenzusatzversicherung herbeigeführt werden, wobei der konkrete Leistungsumfang substantiiert darzulegen ist.

Noch im 3. Quartal 2020 hat das Amtsgericht Regensburg – Familiengericht – so entschieden. Der Verfasser als Verfahrensbevollmächtigter der minderjährigen Kinder machte im Rahmen dieses Verfahrens die Erfahrung, dass das – beihilfeberechtigte – Familiengericht hinsichtlich der ärztlichen Terminvergabe weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht einen Unterschied zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung feststellen wollte, sodass es bei seiner Entscheidung allein auf die Deckungsgleichheit des konkreten Leistungsumfangs abstellte.

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