– BAG 2 AZR 196/22 –
Kündigung wegen Austritts aus der katholischen Kirche
Die Parteien streiten vornehmlich über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung nach einem „Kirchenaustritt“.
Die Klägerin war bei dem beklagten Verein seit dem Jahr 2006 als Sozialpädagogin beschäftigt, zuletzt in dessen Schwangerschaftsberatung. Vom 11.6.2013 bis zum 31.5.2019 befand sich die Klägerin in Elternzeit. Am 29.10.2013 trat sie aus der katholischen Kirche aus.
Der Beklagte unterliegt der kirchlichen Aufsicht des Diözesanbischofs. Nach den bei ihm für die Schwangerschaftsberatung geltenden Richtlinien ist deren Ziel der Schutz des ungeborenen Kindes und das Bemühen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen. Seit dem päpstlichen Schreiben vom 7.3.2002 stellt der Beklagte keine Beratungsscheine mehr aus, die Voraussetzung für einen „straffreien“ Schwangerschaftsabbruch sind. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung beschäftigte der Beklagte in der Schwangerschaftsberatung vier katholische und zwei evangelische Arbeitnehmerinnen.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1.6.2019 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2019, nachdem es ihm nicht gelungen war, die Klägerin zum Wiedereintritt in die katholische Kirche zu bewegen.
Gegen diese Kündigung hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt und geltend gemacht, sowohl die außerordentliche sowie die ordentliche Kündigung seien unwirksam, da sie durch diese unrechtmäßig aus Gründen der Religion benachteiligt werde.
Beide Vorinstanzen haben den Kündigungsschutzanträgen entsprochen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 1.3.2022 – 8 Sa 1092/20
Termin der Entscheidung: 1.2.2024, 10:00 Uhr
Zuständig: Zweiter Senat
– 7 ABR 8/23 –
Freistellung einer Personalvertretung von den Kosten für eine Präsenzschulung (statt eines Webinars)
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Übernachtungs- und Verpflegungskosten für die Teilnahme an einer Präsenzschulung.
Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden Arbeitgeberin) ist eine Luftverkehrsgesellschaft. Die Antragstellerin ist die im Betrieb der Arbeitgeberin auf der Grundlage des § 117 Abs. 2 BetrVG i.V.m. dem bei der Arbeitgeberin geltenden „Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals“ (im Folgenden TV PV) gewählte Personalvertretung. Für Schulungsansprüche der Mitglieder der Personalvertretung soll nach den einschlägigen Bestimmungen des TV PV § 37 Abs. 6 BetrVG gelten.
Die Personalvertretung beabsichtigte zunächst, zwei zuvor als Ersatzmitglieder fungierende und sodann als ordentliche Mitglieder nachgerückte Mitglieder der Personalvertretung zu dem Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Binz/Rügen zu entsenden. Die Arbeitgeberin teilte mit, dass das Thema der Schulung in Ordnung sei, aus Kostengründen aber ein Seminar in der Nähe – z.B. Velbert, Bad Honnef oder Köln – oder – sogar im gewählten Zeitraum – ein Webinar ausgesucht werden solle. Daraufhin teilte die Personalvertretung mit, dass sie sich nunmehr für ein Seminar in Potsdam entschieden habe. Hierbei schätzte sie eine Kostenersparnis im Vergleich zum Seminar in Binz von ca. 500,– EUR. Für einen ähnlichen Zeitraum waren noch zwei Teilnehmerplätze bei inhaltsgleichen Präsenzseminaren in Velbert, Bad Honnef und Köln sowie ein Webinar buchbar, wobei Präsenzseminare und Webinare zum Thema „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ gleich hohe Seminargebühren verursacht hätten. Nach Teilnahme der zwei nachgerückten Mitglieder der Personalvertretung an dem Seminar in Potsdam stellte der Seminarträger der Personalvertretung für Übernachtungs- und Verpflegungskosten 1.108,62 EUR zuzüglich MwSt. in Rechnung, deren Ausgleich die Arbeitgeberin ablehnte.
Mit ihrem Antrag – soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung – begehrt die Personalvertretung, dass die Arbeitgeberin verpflichtet wird, die Personalvertretung von den Übernachtungs- und Verpflegungskosten i.H.v. 1.108,62 EUR zzgl. MwSt. freizustellen. Sie ist der Ansicht, dass sie sich wegen der gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG notwendigen Schulungen ihrer Mitglieder nicht auf ein Webinar verweisen lassen müsse. Die Erfahrungen der Mitglieder der Personalvertretung zeigten, dass die in den Webinaren vermittelten Inhalte aufgrund der völlig anderen Schulungssituation nicht so intensiv behandelt werden könnten und letztlich der Lernerfolg nicht so gut sei, wie in Präsenzveranstaltungen. Überdies sei der Austausch zwischen den Teilnehmern und den Referenten bei Webinaren deutlich erschwert. Die Arbeitgeberin hält dem entgegen, der Lerneffekt eines Webinars sei höher, weil sich die Teilnehmer online eher trauten, Fragen zu stellen und mit anderen Teilnehmern auszutauschen. Bessere Möglichkeiten zur Kontaktpflege und zum Networking auf einem Präsenzseminar müssten außer Betracht bleiben, da dies nicht unmittelbar der Durchführung der gesetzlichen Aufgaben der Personalvertretung diene. Zudem sei im Betrieb der Arbeitgeberin zur dienstlichen Weiterbildung „Online-Learning“ üblich. Es stelle daher eine Besserstellung dar, wenn Mitglieder der Personalvertretung für die im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Personalvertretungstätigkeit erforderlichen Schulungen die Teilnahme an einer Präsenzveranstaltung beanspruchen könnten.
Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Personalvertretung stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21
Termin der Entscheidung: 7.2.2024, 09:45 Uhr
Zuständig: Siebter Senat