Lange nach Ablauf der Umsetzungsfrist und erst nach Kompromissfindung im Vermittlungsausschuss kommt das Gesetz jetzt doch schneller als erwartet. Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (im Folgenden: das „Gesetz“), das in seinem Artikel 1 einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG; im Folgenden: „HinSchG“) beinhaltet, tritt am 2.7.2023 in Kraft.
Hintergrund und Zielsetzung
Hintergrund des neuen Gesetzes ist, dass Beschäftigte in Unternehmen und Behörden Missstände oftmals als erste wahrnehmen und durch ihre Hinweise dafür sorgen können, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden. Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz vor Benachteiligungen, die ihnen wegen ihrer Meldung drohen und sie davon abschrecken können.
Mit dem Entwurf des Gesetzes soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz von hinweisgebenden Personen ausgebaut und die Richtlinie (EU) 2019/1937 in nationales Recht umgesetzt werden. Gleichzeitig soll das Ziel eines verbesserten Hinweisgeberschutzes mit den Interessen von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung, die zum Ergreifen von Hinweisgeberschutzmaßnahmen verpflichtet werden, so in Einklang gebracht werden, dass bürokratische Belastungen handhabbar bleiben.
Zentraler Bestandteil des Entwurfs ist ein neues Stammgesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG). Das HinSchG wird begleitet von notwendigen Anpassungen bestehender gesetzlicher Regelungen.
Gesetzgebungsverfahren
Auf der Grundlage des Regierungsentwurfs hatte der Deutsche Bundestag am 16.12.2022 das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, beschlossen. Der Bundesrat stimmte am 10.2.2023 dem Gesetz nicht zu. Um dennoch eine zügige Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 in Deutschland zu ermöglichen, hat die Bundesregierung am 14.3.2023 Formulierungshilfen für zwei aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringende neue Gesetzentwürfe beschlossen:
Der neue Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, nahm im Wesentlichen das vom Bundestag am 16.12.2022 beschlossene Gesetz wieder auf. Er verzichtete jedoch auf die zustimmungsbedürftige Änderung des Beamtenstatusgesetzes, die erforderlich ist, um insbesondere auch Landesbeamten Hinweise nach dem Hinweisgeberschutzgesetz zu ermöglichen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz passte unter anderem die Regelung der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht im Beamtenstatusgesetz an die Erfordernisse des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes an. Gleichzeitig wurde mit dem Entwurf insbesondere Landesbeamten eine Meldung oder Offenlegung nach dem Hinweisgeberschutzgesetz ermöglicht.
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates nach Anrufung des Vermittlungsausschusses am 11. und 12.5.2023 das Gesetz beschlossen. Es ersetzt die beiden bisherigen Gesetzentwürfe.
Das Gesetz wurde am 31.5.2023 von Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier ausgefertigt und am 2.6.2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Nach Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes tritt das HinSchG am 2.7.2023 in Kraft.
Für wen gilt das HinSchG ab wann?
Nach § 12 Abs. 1 HinSchG haben Beschäftigungsgeber dafür zu sorgen, dass bei ihnen mindestens eine Stelle für interne Meldungen eingerichtet ist und betrieben wird, an die sich Beschäftigte wenden können (interne Meldestelle).
Beschäftigungsgeber sind nach § 3 Abs. 9 HinSchG, sofern mindestens eine Person bei ihnen beschäftigt ist, insbesondere natürliche Personen sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts.
Die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle trifft nach § 12 Abs. 2 HinSchG grundsätzlich nur Beschäftigungsgeber mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. Für Finanzinstitute (Kredit-, Finanzdienstleistungs- und Wertpapierinstitute, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Börsenträger, Kapitalverwaltungsgesellschaften etc.) gilt diese Pflicht unabhängig von der Beschäftigtenzahl.
Private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten müssen ihre internen Meldestellen erst ab dem 17.12.2023 einrichten, § 42 HinSchG.
Das HinSchG stellt auf den Beschäftigungsgeber ab. Die Schwellenwerte sind unternehmensbezogen, es kommt also auf die Mitarbeiterzahl beim jeweiligen Vertragsarbeitgeber (und nicht im Betrieb) an.
Damit müssen interne Meldestellen einrichten:
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zum 2.7.2023 private Beschäftigungsbetriebe ab 250 Beschäftigten, öffentlich-rechtliche Beschäftigungsbetriebe mit mindestens 50 Beschäftigten und Finanzinstitute unabhängig von der Beschäftigtenzahl und
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zum 17.12.2023 private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten.
Das Nichteinrichten einer internen Meldestelle ist nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG bußgeldbewehrt. Das Bußgeld kann bis zu 20.000,00 EUR betragen, § 40 Abs. 6 HinSchG.
Persönlicher Anwendungsbereich
§ 1 Abs. 1 HinSchG bestimmt, dass das HinSchG den Schutz von natürlichen Personen regelt, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen (hinweisgebende Personen).
Der Gesetzgeber belässt es bei dieser allgemeinen Formulierung.
Art. 4 der Richtlinie (EU) 2019/1937 benennt hingegen ausdrücklich Arbeitnehmer, Beamte, Selbstständige, Anteilseigner und Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Unternehmens angehören, Freiwillige, bezahlte und unbezahlte Praktikanten, Personen, die unter Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten, Mittler, Dritte, die mit dem Hinweisgeber in Verbindung stehen und in einem beruflichen Kontext Repressalien erleiden könnten, juristische Personen, die im Eigentum des Hinweisgebers stehen oder für die der Hinweisgeber arbeitet oder mit denen er in einem beruflichen Kontext anderweitig in Verbindung steht. Diese Beispiele aus der EU-Whistleblowing-Richtlinie illustrieren anschaulich den umfassenden persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie und des HinSchG, welcher über den Beschäftigungskontext weit hinausgeht und das gesamte Wirtschaftsleben erfasst (vgl. Dziba/Seibt, NZA 2023, 657, 658). Auch Bewerber sind umfasst.
Sachlicher Anwendungsbereich
Das HinSchG regelt in seinem sehr umfassenden § 2 Abs. 1 die Anwendungsfälle katalogartig. Während zahlreiche Katalogtatbestände durch die Richtlinie (EU) 2019/1937 vorgegeben waren, hat der Gesetzgeber zusätzliche in Nrn. 1, 2 und 10 ergänzt: Neben Straftaten erfasst der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG auch Ordnungswidrigkeiten, soweit sie dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen.
Ausweislich des Regierungsentwurfes vom 22.7.2022 (S. 64) ist § 2 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG „weit zu verstehen“ und bekommt damit für das Beschäftigungsverhältnis eine besondere Bedeutung. Danach werden etwa im Bereich des Arbeitsschutzes sowohl die dem Gesundheitsschutz und der Sicherheit der Beschäftigten dienenden Vorschriften als auch arbeitsschutzrechtliche Mitteilungs-, Erlaubnis-, Prüfungs-, Bestellungs-, Belehrungs-, Dokumentations- und Anzeigepflichten erfasst. Denn Letztere dienen ebenfalls der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Im Falle des Mindestlohngesetzes (MiLoG) bedeutet dies beispielsweise, dass Verstöße gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohnes nach § 20 MiLoG ebenso unter Nr. 2 fallen wie Verstöße gegen Dokumentationspflichten nach § 17 MiLoG, Duldungs- und Mitwirkungspflichten eines Arbeitgebers nach § 15 MiLoG oder Meldepflichten nach § 16 MiLoG. Erfasst werden von Nr. 2 beispielsweise auch bußgeldbewehrte Verstöße gegen Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, § 16 Abs. 1 AÜG.
Meldungen
Nach § 7 Abs. 1 HinSchG können Personen, die beabsichtigen, Informationen über einen Verstoß zu melden, wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wenden. Es gilt ein Vorrang für interne Meldestellen. Diese Personen sollten nämlich in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen. Wenn einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde, bleibt es der hinweisgebenden Person unbenommen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden.
Interne Meldestelle
Zur Einrichtung interner Meldestellen verpflichtete Beschäftigungsgeber richten nach § 16 HinSchG für diese Meldekanäle ein, über die sich hinweisgebende Personen an die internen Meldestellen wenden können, um Informationen über Verstöße zu melden. Die interne Meldestelle, so § 16 Abs. 1 S. 3 HinSchG ausdrücklich, sollte auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.
Damit besteht keine Verpflichtung zur Annahme und auch nicht zur Bearbeitung anonymer Meldungen. Der Formulierung „sollte“ ist zu entnehmen, dass die Annahme und Bearbeitung nur empfohlen werden.
Die Meldekanäle sind nach § 16 Abs. 2 HinSchG so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben. Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
Das konkrete Verfahren bei internen Meldungen regelt § 17 HinSchG. Danach bestätigt die interne Meldestelle der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen, prüft, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 HinSchG fällt, hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt, prüft die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung, ersucht die hinweisgebende Person erforderlichenfalls um weitere Informationen und ergreift angemessene Folgemaßnahmen, die wiederum in § 18 HinSchG geregelt sind. Die interne Meldestelle gibt der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung eine Rückmeldung. Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese.
Als Folgemaßnahme kann die interne Meldestelle ausweislich § 18 HinSchG insbesondere interne Untersuchungen bei dem Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit durchführen und betroffene Personen und Arbeitseinheiten kontaktieren, die hinweisgebende Person an andere zuständige Stellen verweisen, das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abschließen oder das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen abgeben an eine bei dem Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit oder eine zuständige Behörde.
Externe Meldestelle
Nach § 19 Abs. 1 HinSchG errichtet der Bund beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle des Bundes. Diese ist zuständig, soweit nicht eine externe Meldestelle der Länder oder weitere externe Meldestellen zuständig sind. Die externen Meldestellen bieten nach § 24 Abs. 2 HinSchG natürlichen Personen, die in Erwägung ziehen, eine Meldung zu erstatten, umfassende und unabhängige Informationen und Beratung über bestehende Abhilfemöglichkeiten und Verfahren für den Schutz vor Repressalien. Dabei informieren die externen Meldestellen insbesondere auch über die Möglichkeit einer internen Meldung.
§ 27 HinSchG regelt schließlich, dass für externe Meldestellen Meldekanäle eingerichtet werden, über die hinweisgebende Personen Informationen über Verstöße melden können. Auch die externe Meldestelle sollte anonyme Meldungen bearbeiten, ist hierzu allerdings nicht verpflichtet.
Beteiligungsrechte des Betriebsrates?
Ob und wie der Betriebsrat im Hinblick auf das HinSchG zu beteiligen ist, lässt sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien entnehmen.
Neben dem allgemeinen Informationsanspruch bei Einführung von gesetzlich vorgeschriebenen Meldesystemen nach § 80 BetrVG, gehen die Meinungen darüber, ob Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG, hier: Nrn. 1 und 6, in Betracht kommen, auseinander, nach meinem Verständnis aber nur hinsichtlich der Frage des „Wie“ der Einführung von Meldestellen – das „Ob“ ist bereits in § 12 HinSchG geregelt: Einer entsprechenden Beteiligung des Betriebsrats steht also die Sperrwirkung des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz entgegen.
Nach Bayreuther (NZA-Beilage 2022, 20, 21) ist die Errichtung der Meldestelle „nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 (seltener Nr. 6) BetrVG mitbestimmungspflichtig, da dadurch nicht etwa nur das Arbeits-, sondern vielmehr das Ordnungsverhalten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer angesprochen ist“ (vgl. auch ders., in: NZA 2023, 666 ff.). Auch Pflästerer/Dziuba/Matthiesen gehen in SPA 2022, 157, 159 von einer Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nrn. 1 und 6 BetrVG aus. Zimmer/Milfahrt vertreten hingegen in BB 2023, 1269, 1270 ff., dass kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht, weil für die Nutzung der Meldesysteme keine Verhaltenspflichten aufgestellt werden müssten und die Betriebsordnung nicht berührt werde (§ 87 I Nr. 1 BetrVG) sowie das Meldesystem in der Regel nicht selbst zur Überwachung von Verhalten oder Leistung bestimmt oder geeignet sei (§ 87 I Nr. 6 BetrVG). Gleichwohl schlagen sie aus personalpolitischen Gründen den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung vor.
Schutzmaßnahmen, insbesondere vor Repressalien
Wer geschützt ist und welche Schutzmaßnahmen bestehen, regeln die §§ 33–37 HinSchG.
Die §§ 33–37 HinSchG greifen für hinweisgebende Personen, wenn diese intern gemäß § 17 oder extern gemäß § 28 HinSchG Meldung erstattet haben und die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei, § 33 HinSchG.
Nach § 35 Abs. 1 HinSchG kann eine hinweisgebende Person nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf Informationen, die sie gemeldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung nicht als solche oder der Zugriff nicht als solcher eine eigenständige Straftat darstellt.
Nach § 36 Abs. 1 HinSchG sind Repressalien gegen hinweisgebende Personen verboten.
Hier gilt eine Beweislastumkehr. § 36 Abs. 2 HinSchG bestimmt nämlich Folgendes: Erleidet eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und macht sie geltend, diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist. In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte. Diese Beweislastumkehr war schon Gegenstand des Regierungsentwurfs, wurde nach Verhandlungen im Vermittlungsausschuss nun aber so ins HinSchG aufgenommen, dass sie zugunsten der hinweisgebenden Person nur dann greift, wenn sie sich auf diese beruft.
Schließlich sieht das HinSchG in § 37 einen Schadensersatzanspruch des Hinweisgebers bei Repressalien und in § 38 einen solchen gegen den Hinweisgeber nach Falschmeldungen vor.
Praxishinweise
Soweit noch nicht geschehen und die kritische Größe (s.o. Ziff. III.) überschritten wird, ist ein entsprechendes Hinweissystem unverzüglich einzuführen, bzw. ein möglicherweise bereits bestehendes System an den Vorgaben des HinSchG neu auszurichten.
Besonderes Augenmerk sollte in den internen Meldestellen darauf gelegt werden, Hinweisgebern innerhalb der dreimonatigen Frist eine Rückmeldung über bereits ergriffene oder geplante Maßnahmen zu erteilen, um eine Veröffentlichung von Meldungen zu vermeiden, die sich möglicherweise hinterher als falsch herausstellen.
Da Arbeitgeber in aller Regel ein Interesse daran haben werden, dass Meldungen (zunächst) intern erfolgen, sollten sie alles unternehmen, dass dies in der Praxis auch geschieht: Es liegt an ihnen, ein möglichst niedrigschwelliges und vertrauenswürdiges Meldesystem zu etablieren. Und dies gelingt im mitbestimmten Betrieb bzw. Unternehmen in der Regel am besten mit dem zuständigen Betriebspartner, unabhängig davon, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht oder nicht.
Zu guter Letzt: Augen auf beim Repressalienverbot und der Beweislastumkehr. Auch wenn das Gesetz im Vermittlungsausschutz noch einmal angepasst wurde, ist zu erwarten, dass das Berufen auf Repressalien bald Gegenstand der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung sein wird. Gründe für arbeitsrechtliche Maßnahmen sind damit künftig durch den Arbeitgeber noch gründlicher zu dokumentieren als bisher. Die personalbetreuende Stelle wird – insbesondere in größeren Unternehmen und Konzernen – nicht immer Kenntnis davon haben, ob der bezogene Mitarbeiter in der Vergangenheit vielleicht schon als Hinweisgeber aktiv war.