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Rechtssicherer Umgang mit der Inflationsausgleichsprämie

Im Rahmen des dritten Entlastungspaketes vom 3.9.2022 hat die Bundesregierung zur Abmilderung der Energiekosten der Beschäftigten in Deutschland eine steuer- und sozialversicherungsfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000,– EUR je Beschäftigungsverhältnis beschlossen.

I.

Gesetzliche Ausgestaltung

Gesetzlich wurde die Inflationsprämie wie folgt ausgestaltet: Zu den steuerfreien Einnahmen gehören demnach gemäß § 3 Nr. 11c EStG folgende Einnahmen:

„zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3.000 EUR“.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV (Sozialversicherungsentgeltverordnung) sind steuerfreie Leistungen grundsätzlich kein Arbeitslohn und damit auch sozialversicherungsfrei. Entscheidendes Kriterium für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung ist die Frage, ob § 5 des o.a. Tarifvertragsentwurfs als zusätzlicher Arbeitslohn anzusehen ist. Die Inflationsausgleichsprämie unterliegt auch nicht dem Progressionsvorbehalt im Sinne von § 32b EStG.

II.

Gesetzesbegründung

In der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 11c EStG wird hierzu in BT-Drucks 20/3763 S. 6 f. wie folgt Stellung bezogen:

„An den Zusammenhang zwischen Leistung und Preissteigerung werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn der Arbeitgeber bei Gewährung der Leistung in beliebiger Form (zum Beispiel durch entsprechenden Hinweis auf dem Überweisungsträger im Rahmen der Lohnabrechnung) deutlich macht, dass diese im Zusammenhang mit der Preissteigerung steht.

Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist außerdem, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird, also insbesondere nicht im Wege einer Entgeltumwandlung finanziert wird.

Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im begünstigten Zeitraum mehrere Leistungen, gilt die Steuerbefreiung nur bis zur Höhe von insgesamt 3.000 EUR.

Die Steuerbefreiung kann bis zu dem Betrag von 3.000 EUR in der Regel für jedes Dienstverhältnis, also auch für aufeinander folgende Dienstverhältnisse, gesondert in Anspruch genommen werden. Dies gilt allerdings nicht bei mehreren aufeinander folgenden Dienstverhältnissen in dem begünstigten Zeitraum zu ein und demselben Arbeitgeber.

Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen. Andere Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalbesteuerungsmöglichkeiten (wie z.B. § 3 Nr. 34a, § 8 Abs. 2 S. 11, § 8 Abs.  3 S. 2 EStG) bleiben hiervon unberührt und können neben der hier aufgeführten Steuerfreiheit in Anspruch genommen werden.

In der Sozialversicherung entfallen aufgrund der Steuerfreiheit auf diese Leistungen keine Beträge, da es sich dabei nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) nicht um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt.“

III.

Anwendung in der Praxis

Die Ausgestaltung des § 3 Nr. 11c EStG hinsichtlich des zusätzlich geschuldeten Arbeitslohnes gleicht sich der Formulierung nach § 3 Nr. 11a EStG (Corona-Beihilfe in Höhe von 1.500,– EUR) an. Es kann diesbezüglich daher auf die Erfahrungen hinsichtlich § 3 Nr. 11a EStG zurückgegriffen werden. Wichtig ist jedoch die Gewährung im Auszahlungszeitraum vom 26.10.2022 bis 31.12.2024. Ein früherer Beschluss über die Auszahlung ist unschädlich.

Grundvoraussetzung ist, „dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird“. Nach den Leitsätzen zur Corona-Beihilfe (die wohl auch für die Inflationsausgleichsprämie anzuwenden sind) nach § 3 Nr. 11a EStG ist das Erfordernis einer „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährten Leistung“ nach § 8 Abs. 4 EStG definiert:

„(4) Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

  • 1.

    die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,

  • 2.

    der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,

  • 3.

    die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und

  • 4.

    bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

  • Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.“

    Der Bundesfinanzhof hat dies konkretisiert und die Auffassung vertreten, als „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ sei der Arbeitslohn zu verstehen, den der Arbeitgeber nur verwendungs- bzw. zweckgebunden leiste. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf die Leistungen habe (BFH, Urt. v. 1.8.2019 – VI R 32/18). Die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ist somit erfüllt, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (Lohnformwechsel). Ansonsten liegt eine begünstigungsschädliche Anrechnung oder Verrechnung vor (Rn 30 des Urteils). Tarifgebundener verwendungsfreier Arbeitslohn kann somit (lt. BMF vgl. Verfügung IV C 5 – S 2334/19/10017:004 v. 5.1.2022) nicht zugunsten bestimmter anderer steuerbegünstigter verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen herabgesetzt oder zugunsten dieser umgewandelt werden, da der tarifliche Arbeitslohn nach Wegfall der steuerbegünstigten Leistungen wiederauflebt.

    In seinen stetig erweiterten „FAQ“ hat die Finanzverwaltung zu einigen Abgrenzungsfragen Stellung bezogen (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2022-12-07-FAQ-Inflationsausgleichspraemie.html). Hierbei stellt die Finanzverwaltung klar,

    • die Auszahlungen bis zum Höchstbetrag können auch z.B. in monatlichen Teilleistungen erfolgen,

    • die Inflationsausgleichsprämie kann auch in Form von Sachleistungen gewährt werden,

    • soweit arbeitsrechtlich zulässig, kann die Inflationsausgleichsprämie an Bedingungen geknüpft werden,

    • eine Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie als „Weihnachtsgeld“ ist nicht möglich, jedoch kann zum Zahlungszeitpunkt eines nicht rechtlich verpflichtenden Weihnachtsgeldes der Betrag in zwei Komponenten (Inflationsausgleichsprämie und Weihnachtsgeld) aufgeteilt werden,

    • eine Inflationsausgleichsprämie kann steuer- und sozialversicherungsfrei geleistet werden, soweit der Arbeitnehmer im Gegenzug auf einen Freizeitausgleich für geleistete Überstunden (für die kein Auszahlungsanspruch besteht) verzichtet,

    • eine rechtlich nicht verpflichtende (auch turnusmäßige) Sonderzahlung kann in Form der Inflationsausgleichsprämie ausgezahlt werden,

    • eine Inflationsausgleichsprämie kann auch zusätzlich zum Corona-Pflegebonus gezahlt werden.

    Dipl.-Kfm. Larsen W. Lüngen, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Dr. Stallmeyer GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mönchengladbach, luengen@stallmeyer.de

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