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LAG Hamm: Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel bei personenbedingter Kündigung des Arbeitnehmers

1. Die im Kündigungsschreiben des Arbeitnehmers geäußerte Bitte um Erstellung einer Rechnung über Fortbildungskosten, die der Arbeitgeber verauslagt hat, stellt auch in Verbindung mit der Erklärung des Arbeitnehmers, es sei ihm bewusst, dass durch die Weiterbildung und die Vertragsvereinbarung noch Kosten offen seien, ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein selbstständiges Schuldversprechen oder abstraktes Schuldanerkenntnis i.S.d. §§ 780, 781 BGB dar.

2. […]

3. Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung muss, um nicht unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB zu sein, deshalb u.a. vorsehen, dass die Rückzahlungsverpflichtung auch dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis aus nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden personenbedingten Gründen, die bis zum Ablauf der Bleibedauer anhalten, vom Arbeitnehmer durch Ausspruch einer Kündigung oder aufgrund einer aus diesen Gründen geschlossenen Auflösungsvereinbarung beendet wird.

[Amtliche Leitsätze]

LAG Hamm, Urt. v. 29.1.2021 – 1 Sa 954/20

I.Der Fall

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Kosten der Fort- und Ausbildung. Die klagende Arbeitgeberin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Der Beklagte war bei ihr zuletzt als Fachbereichsleiter beschäftigt. Die Klägerin meldete den Beklagten zur Teilnahme an einer Weiterbildung an. Zu diesem Zweck schlossen die Parteien eine „Vereinbarung zur Weiterbildungsförderung“ (im Folgenden: Weiterbildungsvereinbarung). In der Weiterbildungsvereinbarung war u.a. geregelt, dass der Beklagte für insgesamt 63 Tage von der Arbeit freigestellt wurde und es sich bei dieser Freistellung nicht um Urlaub handelte. Zudem wurde dem Beklagten während der Dauer der Freistellung seine arbeitsvertragliche Vergütung weiterbezahlt. Zu den Kosten der Weiterbildung vereinbarten die Parteien, dass diese von der Klägerin zu tragen seien. Die Vereinbarung enthielt zudem eine Rückzahlungsklausel. Diese lautete:

„Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Mitarbeiters aus einem nicht durch die Gesellschaft zu vertretenden Grund oder durch Kündigung der Gesellschaft oder durch sonstige Vereinbarung aus einem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat, ist der Mitarbeiter verpflichtet, der Gesellschaft die nach § 2 gezahlte Vergütung und die nach § 3 dieser Vereinbarung von der Gesellschaft übernommenen Studienkosten zurückzuerstatten.

[…] Die Rückzahlung dieser Kosten erfolgt in monatlichen Raten bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Die Zahlung beginnt mit dem Kalendermonat, der auf den Monat folgt, in welchem das die Rückzahlung auslösende Ereignis lag. Der vom Mitarbeiter zurückerstattende Gesamtbetrag kürzt sich für jeden Monat, währenddessen er nach Abschluss der Fortbildung bei der Gesellschaft in einem Arbeitsverhältnis stand, um ein 24-stel.“

In einer sogenannten Wohlverhaltensklausel wurde überdies vereinbart, dass der Beklagte die Weiterbildung nicht durch schuldhaftes Verhalten wie unentschuldigtes Fernbleiben oder mangelnden Arbeitseinsatz gefährden durfte und im Falle, dass er sich dazu entschloss, die Weiterbildung aus von ihm zu vertretenden Gründen abzubrechen, er der Beklagten zur Erstattung der bis dahin bezahlten Bezüge und entstandenen Weiterbildungskosten verpflichtet sei.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis. Das Kündigungsschreiben enthielt vor der Grußformel folgende Ausführungen: „Mir ist bewusst, dass durch meine Weiterbildung und die Vertragsvereinbarung noch Kosten offen sind. Erstellen sie mir bitte eine Rechnung der noch offenen Kosten, abzüglich des Bildungschecks, der für mich beantragt wurde.“ Die Klägerin forderte daraufhin den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 12.912,17 EUR auf, was dieser jedoch ablehnte.

Das Arbeitsgericht wies die daraufhin erhobene Klage mit Urt. v. 23.6.2020 – 2 Ca 242/20 mit der Begründung ab, der Beklagte habe mit seinem Kündigungsschreiben weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgeben. Auf die als allgemeine Geschäftsbedingung formulierte Rückzahlungsklausel in § 4 der Weiterbildungsvereinbarung könne die Klägerin sich nicht stützen. Diese Klausel sei unwirksam. Hiergegen richtet sich die Berufung.

II.Die Entscheidung

Das LAG Hamm hielt die Berufung für unbegründet. Ein Schuldanerkenntnis des Klägers liege, so die entscheidende Kammer, nicht vor. Der Beklagte habe weder ein selbstständiges Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB noch ein konstitutives abstraktes Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB abgegeben, das die Klägerin angenommen haben könnte. Auch ein lediglich deklaratorisches Schuldanerkenntnis sei nicht gegeben. Es fehle in der Erklärung im Kündigungsschreiben insbesondere an einem rechtsgeschäftlichen Willen des Beklagten, ein Schuldversprechen ohne Rücksicht auf einen außerhalb der Erklärung liegenden Schuldgrund gegen sich gelten zu lassen. Im Vordergrund des Schreibens habe der Ausspruch der Kündigung gestanden, nur nachgelagert sei es dem Beklagten um weitere Punkte gegangen, die im Rahmen der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses klärungsbedürftig erschienen. Zu diesen Punkten gehöre auch die „Vertragsvereinbarung“, die der Weiterbildung zugrunde lag.

Auch auf die im Vertrag vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung könne die Klägerin sich nicht berufen. Sie benachteilige den Beklagten unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und sei damit unwirksam. Die Klausel differenziere nicht ausreichend nach dem Grund für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So sei höchstrichterlich entschieden, dass es nicht zulässig ist, eine Rückzahlungspflicht einschränkungslos an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Es bedürfe vielmehr einer nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenzierten Betrachtung. Schließlich bleibe der Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis durch seine arbeitnehmerseitige Kündigung aus einem Grund beendet werde, den die Arbeitgeberin nicht zu vertreten hat. Damit sehe die Klausel zwar den Entfall der Rückzahlung für den Fall vor, dass die Arbeitnehmerkündigung auf Gründe gestützt werde, die ihre Ursachen im Verantwortungsbereich und in der Sphäre der Arbeitgeberin haben. Für die Situation einer personenbedingten Eigenkündigung, deren Gründe der Beklagte nicht zu vertreten hat, bleibe der Klägerin hingegen eine Anspruchsgrundlage erhalten.

III.Der Praxistipp

Rückzahlungsklauseln in Fort- und Weiterbildungsvereinbarungen bleiben auch weiterhin ein steter Fehlerquell. Die hierzu ergangene Rechtsprechung stellt, wie auch diese Entscheidung zeigt, hohe Anforderungen an die Formulierung von entsprechenden Vereinbarungen. Nicht selten führt dies dazu, dass diese einer arbeitsrechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhalten, insbesondere wenn sie leichtfertig formuliert werden. Für Arbeitgeber stellt dies oftmals ein Dilemma dar. Einerseits dient die Finanzierung der Ausbildung als Instrument der Mitarbeitergewinnung oder -bindung. Andererseits haben Arbeitgeber verständlicherweise ein erhebliches Interesse daran, von der von ihnen finanzierten Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter auch zu profitieren und diese nicht auf eigene Kosten für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Es ist daher dringend zu raten, die Vereinbarungen sorgfältig zu formulieren und die strengen Vorgaben der Rechtsprechung strikt zu befolgen.

In Anbetracht des sehr engen Korsetts, dass die Rechtsprechung Arbeitgebern bei der Verwendung von Rückzahlungsklauseln anlegt, ist es nicht verwunderlich, dass viele Arbeitgeber oftmals versuchen, alternative Lösungen zu finden oder aber gänzlich von einer arbeitgeberfinanzierten Fortbildung Abstand nehmen. Ob die sehr formalistische und arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung vor diesem Hintergrund dann auch tatsächlich im Sinne der Arbeitnehmer ist, kann bezweifelt werden.

Dr. Jannis Kamann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, kamann@michelspmks.de

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