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BAG: Bestimmtheit eines Klageantrags auf Überlassung einer Datenkopie

Ein Klageantrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht.

[Amtlicher Leitsatz]

BAG, Urt. v. 27.4.2021 – 2 AZR 342/20

I. Der Fall

Der Kläger war bei der Beklagten im Januar 2019 als Wirtschaftsjurist beschäftigt. Die Parteien stritten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses in der Revisionsinstanz noch um die Erteilung einer Datenkopie, insbesondere die Zurverfügungstellung sämtlicher auf den Kläger bezogener E-Mails. Mit seiner Klage verlangte der Kläger eine Auskunft über die von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie die Überlassung einer Kopie dieser Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

Nachdem die Beklagte dem Kläger am 21.5.2019 die geforderte Auskunft über die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt hatte, haben die Parteien den Rechtstreit insofern für erledigt erklärt.

Eine Datenkopie hatte die Beklagte dem Kläger elektronisch in Form einer ZIP-Datei zur Verfügung gestellt. Diesem Verfahren hatte der Kläger allerdings nicht zugestimmt. Streitig war insofern noch, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Datenkopie seiner personenbezogenen Daten auf dem Postweg zur Verfügung zu stellen, und ob diese Datenkopie sämtliche auf ihn bezogenen E-Mails umfassen muss.

Das ArbG Hameln (Urt. v. 26.6.2019 – 3 Ca 24/19) hat die Klage abgewiesen. Das LAG Niedersachsen (Urt. v. 9.6.2020 – 9 Sa 608/19) hat der Klage teilweise entsprochen und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Kopie seiner personenbezogenen Daten zu erteilen, die Gegenstand der am 21.5.2019 erteilten Auskunft waren. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers im Hinblick auf die seinerzeit noch streitgegenständliche Kündigung und die Zurverfügungstellung der verlangten E-Mails zurückgewiesen.

II. Die Entscheidung

Der 2. Senat hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Der vom Kläger gestellte Klageantrag sei nach der Begründung des BAG bereits unzulässig, da diesem die hinreichende Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fehle.

Das BAG legte das Klagebegehren des Klägers dahingehend aus, dass er die Überlassung einer Kopie sämtlicher E-Mails, die Gegenstand der Verarbeitung bei der Beklagten gewesen waren, die an seine oder von seiner dienstlichen E-Mail-Adresse gesendet worden seien oder die ihn namentlich erwähnen würden, verlange. Das Begehren „eine Kopie“ zu erhalten, sei mangels näherer Bestimmung dahingehend auszulegen, dass entweder ein Papierausdruck oder eine elektronische Datenkopie verlangt werde.

Dieser Klageantrag sei nach der Begründung des 2. Senats nicht bestimmt genug. Die E-Mails seien nicht so konkret bezeichnet, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft wäre, auf welche E-Mails sich eine mögliche Verurteilung der Beklagten beziehen würde. Das Zwangsvollstreckungsverfahren dürfe nicht mit der Fortsetzung des Rechtsstreits belastet werden.

Die abstrakte Nennung von Kategorien von E-Mails genüge nicht den Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Bei einer Verurteilung wäre unklar, ob die Beklagte den Anspruch vollständig erfüllt habe. Der Rechtstreit der Parteien würde somit in vermeidbarer Weise in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert. Der Kläger wäre daher gehalten, sein Begehren mittels einer Stufenklage durchzusetzen, um die verlangten Kopien genauer bezeichnen zu können.

Insbesondere sei auch die bloße Wiederholung des Wortlauts des Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht ausreichend. Aus dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich nicht erkennen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt werde.

Das BAG sah schließlich auch keine Notwendigkeit, das Verfahren zur Vorabentscheidung dem EuGH vorzulegen. Bei der Bestimmtheit eines Klageantrages handele es sich um eine prozessuale Frage i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, die allein nach dem deutschen Recht zu beurteilen sei. Eine Verletzung von Unionsrecht käme aus Sicht des 2. Senats daher vorliegend nicht in Betracht.

III. Der Praxistipp

Nicht erst seit der Entscheidung des ArbG Düsseldorf (Urt. v. 5.3.2020 – 9 Ca 6557/18), welches den Schadensersatzanspruch eines ehemaligen Arbeitnehmers bei einem unerfüllten Auskunftsverlangen nach Art. 15 DS-GVO bejahte, stellen Auskunftsverlangen nach der DSGVO ein beliebtes Druckmittel gegenüber Arbeitgebern dar. Aus diesem Grund wurde die Entscheidung des BAG mit großem Interesse erwartet.

Weiterhin ungeklärt ließ der 2. Senat allerdings die Frage, ob nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO tatsächlich Kopien sämtlicher personenbezogenen Daten verlangt werden können oder ob dieser Anspruch zu begrenzen ist. Der BGH (Urt. v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19) und auch das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 17.3.2021 – 21 Sa 43/20) urteilten zuletzt sehr datenschutzfreundlich und entschieden zugunsten eines umfassenden Auskunftsrechts. Bis zu einer endgültigen höchstrichterlichen Entscheidung zu den Anforderungen eines Auskunftsverlangen ist Arbeitgebern daher weiterhin zu empfehlen, entsprechende Auskunftsverlangen ihrer Arbeitnehmer nach Art. 15 DSGVO zu beantworten und ggf. die notwendigen Datenkopien herauszugeben. Andernfalls drohen nicht nur empfindliche Bußgelder, sondern ggf. auch Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer.

Im Einzelfall wird man derartigen Auskunftsverlangen jedoch entgegenhalten können, dass diese zu pauschal gefasst sind. Nach der Entscheidung des BAG wird man vom Arbeitnehmer verlangen können, die verlangten Datenkopien zu präzisieren.

Adrian Mrochen, Rechtsanwalt, Köln

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