Betriebsrente nach Betriebsübergang in der Insolvenz
Die Parteien streiten über Betriebsrentenansprüche nach einem Betriebsübergang in der Insolvenz des Arbeitgebers.
Der Kläger war zunächst bei der T. GmbH beschäftigt. Dort galt eine Versorgungsordnung in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung, in der den Arbeitnehmern u.a. eine betriebliche Altersrente zugesagt wurde. Diese errechnet sich nach jährlichen Steigerungsbeträgen einerseits und dem Endgehalt vor Eintritt in den Ruhestand andererseits. In der Folgezeit ging das Arbeitsverhältnis auf die spätere Insolvenzschuldnerin über. Über deren Vermögen wurde am 1.3.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im April 2009 veräußerte der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb an die Beklagte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihm eine Betriebsrente zu gewähren, bei deren Berechnung auch die vor der Insolvenz zurückgelegten Beschäftigungsjahre voll wertsteigernd anzusetzen seien. Abzuziehen seien die Beträge, die wegen der Insolvenz der Insolvenzschuldnerin der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) trage. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, sie hafte nur zeitratierlich für die Zeiten seit Insolvenzeröffnung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise stattgegeben. Hiergegen richten sich die von beiden Parteien im Umfang ihres jeweiligen Unterliegens eingelegten Revisionen.
Der Dritte Senat hat mit Beschluss vom 16.10.2018 – 3 AZR 139/17 (A) – den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Auslegung von Unionsrecht ersucht. Nach bisheriger nationaler Rechtsprechung sei § 613a Abs. 1 BGB für die Haftung des Betriebserwerbers bei einem Betriebsübergang während eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers hinsichtlich der vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Anwartschaften der Arbeitnehmer auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einzuschränken. Streitentscheidend sei, ob diese Auslegung des nationalen Rechts mit Art. 3 Abs. 4 bzw. Art. 5 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2001/23/EG und ggf. mit Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG vereinbar sei.
Mit Urteil vom 9. September 2020 (verbundene Rechtssachen – C-674/18 – und – C-675/18 –) hat der EuGH entschieden, dass § 613a BGB in seiner Auslegung durch die bisherige nationale Rechtsprechung bei Insolvenzverfahren den Regelungen der Richtlinie 2001/23/EG, hier insbesondere deren Art. 3 Abs. 1 und Abs. 4 sowie Art. 5 Abs. 2 lit. a nicht entgegensteht, sofern hinsichtlich des Teils des Betrags, für den der Erwerber nicht haftet, die zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer getroffenen Maßnahmen ein Schutzniveau bieten, das dem von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG geforderten Schutzniveau zumindest gleichwertig ist. Der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23/EG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG vorgesehene Mindestschutz darf den Arbeitnehmern durch § 613a BGB in seiner bisherigen Auslegung nicht verwehrt werden. Ob dies der Fall ist, hat – so der EuGH – das vorlegende Gericht selbst zu prüfen. Weiter erkannte der EuGH, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG unter bestimmten, ebenfalls vom vorlegenden Gericht zu prüfenden Voraussetzungen unmittelbare Wirkung entfalten kann.
Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts wird nunmehr über die Revisionen der Parteien zu entscheiden haben.
Der Senat verhandelt am gleichen Tag 22 weitere, im Wesentlichen gleichgelagerte Fälle. Bei einigen Verfahren – insbesondere dem Verfahren – 3 AZR 878/16 –, das Gegenstand des Vorlageverfahrens unter dem Aktenzeichen C-674/18 war, besteht die Besonderheit, dass die Kläger vor dem Betriebsübergang noch keine unverfallbaren Anwartschaften erworben hatten, die wegen der Insolvenz vom PSV zu tragen wären.
Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2017 – 6 Sa 582/16
Termin der Entscheidung: 26.1.2021, 11:00 Uhr
Zuständig: Dritter Senat
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