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LG Münster: Entschädigungsanspruch nach dem IfSG für Fußballprofi im Home-Office

1. Ein Fußballprofi, der während einer gem. §§ 16 Abs. 1 i.V.m. 30 Abs. 1 S. 2 IfSG angeordneten Quarantäne nur im Home-Office trainieren kann, erbringt keine Arbeitsleistung und hat daher auch keinen Anspruch gegen den Verein auf Vergütung. Zu den Hauptleistungspflichten eines Profifußballers als Arbeitnehmer gehört u.a. die Teilnahme am ordnungsgemäßen Trainings- und Spielbetrieb. Während einer behördlich angeordneten Absonderung ist diese Leistung unmöglich.

2. Der Vergütungsanspruch des Fußballprofis bleibt auch nicht nach den Grundsätzen des § 616 S. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag erhalten, wenn die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung auf der Absonderung beruht.

3. Er erleidet aber einen Verdienstausfall i.S.d. § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG, den sich der Verein von dem Land nach §§ 56 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 IfSG erstatten lassen kann.

[Redaktionelle Leitsätze]

LG Münster, Urt. v. 15.04.2021 – 8 O 345/20

I. Der Fall

Das LG Münster hatte im April 2021 über einen eher ungewöhnlichen Fall zu entscheiden. Während der ersten Phase der Corona-Pandemie im März 2020 ordnete der Landrat des Kreises Paderborn eine zweiwöchige Quarantäne (sog. Absonderung) gegenüber einigen Spielern des SC Paderborn („Verein“) an, unter anderem für denjenigen Fußballprofi („Spieler“), für den der klagende SC Paderborn vor dem LG Münster den Entschädigungsanspruch geltend machte. Zeitgleich zu der angeordneten Quarantäne setzte die Bundesliga auf Empfehlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) den Spiel- und Trainingsbetrieb aus. Während der Dauer der Absonderung hielt sich der Spieler im Home-Office fit.

Der Verein zahlte für die Dauer der angeordneten Quarantäne die Vergütung des Spielers weiter und verlangte dessen Erstattung vom Land Nordrhein-Westfalen. Dieses lehnte die Erstattung ab. Der Spieler habe gegenüber dem Verein seinen Vergütungsanspruch behalten, so dass keine Erstattungspflicht nach dem IfSG bestehe. Der Spieler habe von zu Hause hätten trainieren und damit seine Arbeitsleistung erbringen können. Der SC Paderborn klagte daraufhin gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Erstattung des dem Spieler gezahlten Gehalts sowie der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

II. Die Entscheidung

Das LG gab der Klage des SC Paderborn statt. Nach §§ 56 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 IfSG hat der Verein einen Anspruch auf Erstattung des an den Spieler für die Dauer der behördlich angeordneten Quarantäne gezahlten Verdienstausfalls inklusive der Beiträge für zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Verein sei nicht zur Zahlung der Vergütung für die Dauer der angeordneten Quarantäne verpflichtet gewesen, so dass der Spieler einen Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG erlitten habe.

Dem Spieler sei seine Arbeitsleistung unmöglich geworden, so dass nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ der Lohnanspruch entfallen sei. Zu seinen Hauptleistungspflichten als Profifußballspieler gehöre die Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb. Diese Pflichten habe er während der Absonderung nicht erfüllen können. Er habe sich zwar im Home-Office fit halten, aber weder an dem üblichen Training in Kleingruppen noch am Lauftraining teilnehmen können. Außerdem habe der Verein keine Möglichkeit gehabt, die Einhaltung des Trainingsplans zu kontrollieren.

Der Verein habe sich gegenüber dem Spieler auch nicht in Annahmeverzug (§ 615 S. 1 BGB) befunden, mit der Konsequenz des Erhalts des Vergütungsanspruchs. Der Spieler sei aufgrund der angeordneten Quarantäne nicht in der Lage gewesen, seine Arbeitsleistung dem Verein anzubieten. Zudem sei der Verein auch nicht verpflichtet gewesen, konkrete Trainingsleistungen des Spielers im Home-Office anzuordnen, so dass er seine Hauptleistungspflichten jedenfalls insoweit hätte erbringen können.

Der Vergütungsanspruch des Spielers bestehe auch nicht gem. § 616 S. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Denn nach dieser Vorschrift bleibe der Vergütungsanspruch nur dann aufrechterhalten, wenn der Arbeitnehmer nur für eine nicht verhältnismäßige Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert sei. Dies sei bei einer zweiwöchigen Quarantäne aber nicht mehr der Fall. Im Übrigen beruhe die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung allein auf der Absonderungsverfügung. Es sei daher unbillig durch eine extensive Anwendung von § 616 S. 1 BGB den gerade für diesen Fall vorgesehenen Anspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG zulasten des Arbeitgebers auszuhebeln.

Ein Vergütungsanspruch des Spielers gegen den Verein ergebe sich auch nicht aus § 3 Abs. 1 EFZG. Denn es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der unter Quarantäne gestellte Spieler zugleich arbeitsunfähig erkrankt sei.

III. Der Praxistipp

Eine ungewöhnliche, zugleich aber auch für die Praxis im Kontext der SARS-CoV-2 Pandemie sehr interessante Entscheidung des LG Münster. Es geht im Kern um die Frage, wer die Kosten einer behördlich angeordneten Absonderung zu tragen hat: Der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder die für die behördliche Absonderung zuständige Bundesland?

Wird ein Arbeitnehmer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger oder Krankheitsverdächtiger behördlich abgesondert und erleidet deswegen einen Verdienstausfall übernimmt der Arbeitgeber diesen quasi als „Zahlstelle“ für den Arbeitnehmer und kann ihn sich erstatten lassen, § 56 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 IfSG. Dieser Erstattungsanspruch ist allerdings subsidiär: Besteht ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber im Falle einer Absonderung, erleidet er keinen „Verdienstausfall“ im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG. Dies hat zur Konsequenz, dass auch kein Entschädigungsanspruch des Arbeitgebers gegen das Land besteht. Damit würde der Arbeitgeber die Kosten einer behördlich angeordneten Quarantäne tragen. Ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber kann sich aus den Grundsätzen des Annahmeverzuges (§ 615 S. 1 BGB), dem Lohnfortzahlungsprinzip im Falle eines Leistungshindernisses in der Person des Arbeitnehmers (§ 616 S. 1 BGB) oder aber im Falle einer Arbeitsunfähigkeit aus § 3 Abs. 1 EFZG.

In Fällen einer behördlich angeordneten Quarantäne ist daher zunächst einmal entscheidend, ob der Arbeitnehmer trotzdem noch in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Dies wird bei Tätigkeiten, die aus dem Home-Office heraus erbracht werden können regelmäßig der Fall sein.

Für Profisportler gilt hingegen – jedenfalls nach der Entscheidung des LG Münster – der alte Satz von Adi Preißler: „Grau is’ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is’ auf’m Platz.“ Ist getreu diesem Bonmot eine Tätigkeit aus dem Home-Office heraus nicht möglich, liegt ein Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung vor. In dieser Konstellation stellt sich sodann die Folgefrage, ob der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber gem. § 616 S. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag behält. So hat der Bundesgerichtshof in einer bereits sehr alten Entscheidung (Urt. v. 30.11.1978, III ZR 43/77) zum damals geltenden Bundesseuchengesetz entschieden, dass im Falle eines behördlich angeordneten Tätigkeitsverbots der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber behält. Dies erscheint allerdings im Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2 Pandemie fraglich und ist demzufolge auch umstritten. Denn eine solche Quarantäne wird üblicherweise für die Dauer von 14 Tagen angeordnet. Die den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers erhaltende Vorschrift des § 616 S. 1 BGB findet aber nur dann Anwendung, wenn dieser lediglich eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Dies soll nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber regelmäßig nur bei einer Dauer von maximal 5 Tagen der Fall sein. Anderenfalls entfällt der Vergütungsanspruch ab dem ersten Tag vollständig. Dieser engen Auslegung des § 616 S. 1 BGB schließt sich nun auch das LG Münster an. Zudem ist zu beachten, dass der Anspruch aus § 616 S. 1 BGB arbeits- und tarifvertraglich abbedungen werden kann. Arbeitgeber die hiervon Gebrauch gemacht haben, erhalten sich hierüber ihren Entschädigungsanspruch nach dem IfSG.

Last but not least kann ein behördlich abgesonderter Arbeitnehmer auch arbeitsunfähig erkrankt sein. Dann kann er einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG haben, wenn die Erkrankung die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist. Dies ist aber regelmäßig nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer bereits im Zeitpunkt der Absonderungsverfügung erkrankt ist und nicht erst danach. Ab diesem Zeitpunkt besteht dann auch kein Entschädigungsanspruch mehr des Arbeitgebers nach dem IfSG.

Es handelt sich um ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Rechtsvorschriften. Arbeitgeber sollten daher im Falle einer behördlich angeordneten Absonderung sehr genau prüfen, ob und wenn ja auf welcher Rechtsgrundlage sie zur Zahlung der Vergütung an den Arbeitnehmer verpflichtet sind. Besteht keine Vergütungspflicht, haben sie aber trotzdem den Verdienstausfall an den Arbeitnehmer geleistet, kommt ein Entschädigungsanspruch nach dem IfSG in Betracht. Dieser muss binnen 2 Jahren nach Ende der Absonderung gestellt werden, § 56 Abs. 12 IfSG.

Dr. Sebastian Maiß, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Düsseldorf

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