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LAG Nürnberg: Ein Leiharbeitsverhältnis ist keine Zuvorbeschäftigung

Ein Entleiher ist – vorbehaltlich einer Missbrauchskontrolle – nicht gehindert, einen zuvor im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer auf Basis eines befristeten Arbeitsvertrages einzustellen. Ebenso ist das Leiharbeitsverhältnis nicht auf die Befristungshöchstdauer anzurechnen.

[Redaktioneller Leitsatz]

LAG Nürnberg, Urt. v. 25.2.2021 – 5 Sa 396/20

I. Der Fall

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung und einen Weiterbeschäftigungsanspruch. Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten zunächst über eine Zeitarbeitsfirma von Dezember 2017 bis zum 1.6.2018. Am 1.6.2018 schlossen die Parteien einen zunächst bis zum 31.5.2019 befristeten Arbeitsvertrag. Unter dem 17.4.2019 vereinbarten sie eine Verlängerung der Befristung bis zum 31.12.2019.

Nach Auffassung der Klägerin ist die Befristung wirksam. Die Beklagte umgehe durch die Befristung im Anschluss an ein Leiharbeitsverhältnis die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nach § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG. Es liege arbeitsplatzbezogen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten vor. Die Beklagte besetze Dauerarbeitsplätze, auf denen die Klägerin gearbeitet habe, fortlaufend mit Zeitarbeitnehmern. Die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104, die das Verbot der dauerhaften Überlassung regele, verbiete die dauerhafte Überlassung nicht nur leiharbeitnehmerbezogen, sondern auch arbeitsplatzbezogen. § 1 Abs. 1b AÜG müsse richtlinienkonform so ausgelegt werden, dass die Überlassung von Arbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen nicht in Betracht komme, weil nur eine vorrübergehende Überlassung in Bezug auf den Arbeitsplatz zulässig sei. Der unzulässige Einsatz der Klägerin auf einen Dauerarbeitsplatz habe bereits zu Beginn des Leiharbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten geführt. Eine sachgrundlose Befristung sei nachfolgend zu dem Arbeitsverhältnis gem. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG unwirksam. Zudem sei die Befristung auch ungeachtet des Leiharbeitsverhältnisses wegen des rechtsmissbräuchlichen Einsatzes aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge unwirksam.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass ein Arbeitgeber ein befristetes Arbeitsverhältnis mit Personen abschließen dürfe, die zuvor als Leiharbeitsnehmer tätig waren. Zudem liege kein missbräuchliches Verhalten in Form einer Kettenbefristung vor.

II. Die Entscheidung

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war nicht erfolgreich. Das Zuvorbeschäftigungsverbot gem. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG, wonach eine Befristung unzulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist nach Auffassung des LAG nicht verletzt. Der Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2. S. 2 TzBfG sei nach seinem eindeutigen Wortlaut nur erfüllt, wenn die Vertragsparteien auf beiden Seiten identisch seien.

Zudem konnte das LAG auch keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung durch die Beklagte erkennen. Zwar könne die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten rechtsmissbräuchlich sein, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Arbeitgeber im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge mit demselben Arbeitnehmer ausschließlich deshalb abschließen würden, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 1 und Abs. 2 TzBfG vorgesehene Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristung aneinanderreihen zu können, jedoch habe die Klägerin kein in diesem Sinne rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgetragen.

Des Weiteren liegt nach Auffassung des LAG keine Umgehung des § 1 Abs. 1b AÜG vor. Die in § 1 Abs. 1b AÜG vorgesehene 18-monatige Höchstüberlassungsdauer sei arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen. Die erforderliche Missbrauchsprüfung erfasse nur die Zahl der mit derselben Person abgeschlossenen Verträge, aber nicht die zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen Verträge. Auch in diesem Kontext sei keine missbräuchliche Befristung erkennbar. Nach Auffassung des LAG handelt es sich um eine durch den Arbeitgeber vorgenommene rechtliche Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen der geltenden Gesetze. Selbst wenn unterstellt würde, es handele sich bei den Arbeitsplätzen, auf denen die Klägerin eingesetzt wurde, um Dauerarbeitsplätze, könne bei einer tatsächlichen Beschäftigungszeit der Klägerin von zwei Jahre und einem Monat nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung durch den Arbeitgeber ausgegangen werden.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung des LAG Nürnberg ist zu begrüßen. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG war nicht erkennbar. Das Zuvorbeschäftigungsverbot ist arbeitgeber- und nicht betriebsbezogen (vgl. BAG, Urt. v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06). Des Weiteren hat sich das LAG Nürnberg der überzeugenden Entscheidung des LAG Köln v. 6.9.2019 – 9 TaBV 23/19, angeschlossen und bestätigt, dass die Arbeitnehmerüberlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen ist. Schließlich ist dem LAG Nürnberg darin zuzustimmen, dass eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung vorliegend nicht zu erkennen war. Es ist also weiterhin zulässig, einen zuvor als Leiharbeitnehmer im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer (zunächst) sachgrundlos befristet einzustellen.

Dr. Tilman Isenhardt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

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