Der Erste Senat des BVerfG hat die in der Bundesnotarordnung geregelte starre Altersgrenze für Anwaltsnotare für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Damit stehen die Chancen gut, dass Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare künftig auch über das 70. Lebensjahr hinaus ihr Amt ausüben dürfen (BVerfG, Urt. v. 23.9.2025 – 1 BvR 1796/23). Die beanstandete Regelung in der BNotO bleibt übergangsweise zwar noch bis Mitte kommenden Jahres in Kraft; für die Zeit nach dem 1. Juli 2026 muss der Gesetzgeber allerdings eine Neuregelung treffen.
An das Karlsruher Gericht hatte sich ein Anwaltsnotar aus Dinslaken in Nordrhein-Westfalen gewandt. Er hielt die in §§ 47 Nr. 2 Var. 1, 48a BNotO festgelegte Altersgrenze von 70 Jahren auch für Anwaltsnotare für mittlerweile nicht mehr mit der Verfassung vereinbar. Zum einen sah er darin eine verbotene Altersdiskriminierung, zum anderen verwies er auf inzwischen veränderte Umstände: Im Anwaltsnotariat gebe es längst einen Bewerbermangel und keinen Bewerberüberschuss mehr. Sowohl vor dem Notarsenat des OLG Köln als auch vor dem BGH scheiterte er mit seinem Vorbringen. Vor dem BVerfG hatte er jetzt allerdings Erfolg.
Das Karlsruher Gericht stellte fest, dass jegliche Festschreibungen von Altersgrenzen in die grundgesetzlich (Art. 12 GG) garantierte Berufswahlfreiheit eingreifen. Sie seien nur dann gerechtfertigt, wenn es dafür hinreichend legitime Zwecke gebe. Als derartige legitime Zwecke habe der Gesetzgeber seinerzeit – zu Recht – eine geordnete Altersstruktur innerhalb des Notarberufs vor Augen gehabt, um die Funktionstüchtigkeit der vorsorgenden Rechtspflege zu gewährleisten, denn es gelte, die Rechtspflege auch vor Gefahren durch die altersbedingt nachlassende Leistungsfähigkeit von Notaren zu schützen. Darüber hinaus habe er eine gerechte Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen bezweckt; darin, so die Richter, liege ebenfalls eine legitime – arbeitsmarkt- und sozialpolitische – Zielsetzung.
Diese gesetzgeberischen Zwecke seien mittlerweile allerdings wegen veränderter tatsächlicher Rahmenbedingungen nicht mehr zu erreichen, die starre Altersgrenze somit inzwischen unverhältnismäßig geworden, so der Senat. Die gesetzgeberisch intendierte Wirkungsweise der Altersgrenze, durch das Freiwerden von Stellen das Notariat zu verjüngen und Berufschancen für Juristen zu eröffnen, laufe in denjenigen Regionen des Anwaltsnotariats leer, in denen inzwischen ein Mangel an Bewerbern bestehe. Betroffen davon sei mittlerweile die Mehrzahl der Oberlandesgerichtsbezirke, stellten die Richter fest. Die Situation des erheblichen Bewerbermangels lasse sich anhand der vorliegenden Daten bis in das Jahr 2012 zurückverfolgen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine zukünftige Verbesserung bestünden nicht, da die maßgeblichen Faktoren der Demografie und der beruflichen Präferenzen unverändert blieben oder sich sogar negativ entwickeln dürften.
Auch der Gesetzeszweck, die Rechtspflege vor Gefahren durch die altersbedingt nachlassende Leistungsfähigkeit von Notarinnen und Notaren zu schützen, werde durch die Altersgrenze nur noch zu einem geringen Grad erreicht. Der erste Senat berief sich auf alternswissenschaftliche Stellungnahmen, in denen übereinstimmend hervorgehoben wurde, dass der kognitive Alterungsprozess stark individuell geprägt ist und im Notarberuf keine verallgemeinerungsfähigen Zusammenhänge zwischen dem Lebensalter und der beruflichen Leistungsfähigkeit bestehen. Insofern, so die Verfassungsrichter, unterscheide sich der Notarberuf von anderen Berufen, die auf schnelle kognitive Informationsverarbeitung angewiesen seien. Diesen Gegebenheiten werde die derzeitige Altersgrenze nicht gerecht, indem sie sämtliche Amtsträger mit dem siebzigsten Lebensjahr ausschließe, ohne dass deren persönliche Disposition berücksichtigt werde.
Als Konsequenz aus den veränderten tatsächlichen Rahmenbedingungen erklärte der Senat die Regelung in §§ 47 Nr. 2 Var. 1, 48a BNotO für mit der Verfassung unvereinbar. Zugleich ordnete er aber die vorübergehende Fortgeltung der Altersgrenze bis zum 30. Juni 2026 an, um „gravierende Nachteile für die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege sowie für die Rechte betroffener Berufsträger“ zu vermeiden. Anwaltsnotare – auch der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren –, deren Notaramt aufgrund der Altersgrenze mittlerweile erloschen ist, dürfen sich somit nach Ablauf der vorgenannten Fortgeltungsfrist erneut auf ausgeschriebene Notarstellen bewerben.
Die festgestellte Verfassungswidrigkeit betrifft nur Anwaltsnotare und -notarinnen. Bei den Nur-Notaren bleibt es bei der Altersgrenze von 70 Jahren; bei ihnen gibt es allerdings auch keine Nachwuchssorgen. Die drohende Ungleichbehandlung ist bereits auf Kritik u.a. des Deutschen Anwaltvereins gestoßen. Er appellierte an den Gesetzgeber, im Rahmen der angeordneten Neuregelung dafür zu sorgen, dass das Anwaltsnotariat nicht „ins Abseits“ geschickt werde und dass mit Anwalts- und Nur-Notariat „zwei gleichwertige Notariatsformen“ erhalten werden müssten.
[Quellen: BVerfG/DAV]



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