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Verfassungsgericht macht selbst Personalvorschläge

Traditionell werden die 16 Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Damit soll die demokratische Legitimation des Verfassungsgerichts sichergestellt werden. Wenn es in diesem Wahlprocedere aber hakt, kann das Gericht auch eigene Personalvorschläge machen (§ 7a Abs. 1 BVerfGG). So liegt es derzeit: Die Amtszeit von Verfassungsrichter Josef Christ ist schon seit Monaten abgelaufen, doch er muss weitermachen, da der Bundestag bislang keinen Nachfolger gewählt hat. Offenbar hat das Gericht jetzt die Geduld mit den Parlamentariern verloren: Nur einen Tag, nachdem der Wahlausschuss im Bundestag sich konstituiert hat, fasste das BVerfG am 22. Mai den Beschluss, selbst drei Kandidaten zu benennen. Alle drei arbeiten derzeit an Bundesgerichten; es handelt sich um Günter Spinner, Vorsitzender Richter am BAG, Oliver Klein, Richter am BGH, und Eva Menges, Vorsitzende Richterin am BGH.

Von dieser Möglichkeit, selbst Kandidaten zu benennen, hatte das BVerfG zuletzt 1993 Gebrauch gemacht; seinerzeit ging es um die Nachfolge von BVerfG-Vizepräsident Ernst-Gottfried Mahrenholz. Seither ist das Parlament bei der Verfassungsrichter-Wahl noch mehrmals „in Verzug“ geraten, ohne dass das Bundesverfassungsgericht jeweils eigene Kandidaten benannt hätte. In der juristischen Fachwelt zeigte man sich daher erstaunt über das aktuelle Vorgehen der Verfassungsrichter, zumal der Bundestag aufgrund der vorgezogenen Neuwahl bisher faktisch keine Zeit hatte, einen Nachfolger für Josef Christ zu wählen.

Gebunden sind die Parlamentarier an die Vorschläge aus Karlsruhe aber nicht, sie könnten durchaus andere Kandidaten benennen und wählen. Allerdings hat der Schachzug der Verfassungsrichter sie in einen gewissen Zugzwang gebracht: Infolge des neuen, erst in diesem Jahr etablierten Ersatzwahlmechanismus, der die Resilienz des BVerfG stärken soll (s. dazu auch ZAP 2025, 61 sowie die Kolumne von Offenloch, ZAP 2025, 177), hat mit dem Vorschlag aus Karlsruhe gem. § 7a Abs. 5 BVerfGG eine dreimonatige Frist zu laufen begonnen. Sollte der Bundestag bei Ablauf dieser Frist keine Nachfolge für Josef Christ gewählt haben, kann der Bundesrat die Wahl übernehmen. In Berlin will man es dem Vernehmen nach aber nicht soweit kommen lassen; es sähe zu sehr nach politischem Versagen aus.

[Quelle: BVerfG]

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