Ein Mieter, der sich einer Eigenbedarfskündigung gegenübersieht, kann sich hiergegen mit dem Einwand eines Härtefalls wehren (§ 574 BGB). Zu einer persönlichen Härte zählen nach ganz h.M. auch nachteilige gesundheitliche Folgen eines durch die Kündigung erzwungenen Umzugs. Bisher gingen Gerichte vielfach davon aus, dass ein substantiierter Vortrag hierzu nur gegeben ist, wenn der Mieter zu den behaupteten gesundheitlichen Auswirkungen ein fachärztliches Attest vorlegen kann. Diese Annahme beruhte auf Aussagen in verschiedenen höchstrichterlichen Entscheidungen, wonach ein Mieter – als medizinischer Laie – seiner Darlegungs- beziehungsweise Substantiierungslast auf jeden Fall dann genügt, wenn er unter Vorlage eines ausführlichen fachärztlichen Attests geltend macht, ihm sei ein Umzug wegen einer schweren Erkrankung nicht zuzumuten (so u.a. BGH, Urt. v. 22.5.2019 – VIII ZR 180/18; Urt. v. 28.5.2021 – VIII ZR 6/19 und Beschl. v. 13. 12. 2022 – VIII ZR 96/22).
Jetzt hat der BGH klargestellt: Die Feststellung, dass ein fachärztliches Attest ausreicht, um einer Eigenbedarfskündigung zu widersprechen, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass stets ein fachärztliches Attest benötigt wird, um die negativen Auswirkungen eines erzwungenen Umzugs substantiiert darzulegen. Vielmehr folge aus der bisherigen BGH-Rechtsprechung nur, dass höhere Anforderungen als die Vorlage eines entsprechenden Attests – auf dessen Grundlage im Falle des Bestreitens durch den Vermieter ohnehin regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein wird – nicht zu stellen sind (BGH, Urt. v. 16.4.2025 – VIII ZR 270/22).
Anlass zu der Entscheidung gab der Fall eines Berliner Mieters. Ihm wurde die Wohnung im Frühjahr 2020 vom Vermieter wegen Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gekündigt. Der Mieter widersprach der Kündigung und trug vor, dass die Kündigung für ihn eine gesundheitliche Härte bedeuten würde. Er sei derzeit aufgrund einer Depression arbeitsunfähig und emotional instabil. Ein Umzug würde seinen Zustand höchstwahrscheinlich deutlich verschlechtern und ihn womöglich in einen Suizid treiben. Als Beleg für seine psychische Befindlichkeit legte er eine Stellungnahme des Psychoanalytikers bei, bei dem er sich seinerzeit in Behandlung befand. Doch sowohl dem Amtsgericht als auch später dem Landgericht reichte dieser Beleg nicht aus. So führte etwa das LG aus, es sei ein fachärztliches Attest erforderlich, um eine gesundheitliche Härte darzulegen. Weil dieses hier fehle, habe auch kein Sachverständigengutachten über die gesundheitlichen Folgen eines Umzugs eingeholt werden müssen. Zur Begründung seiner Rechtsauffassung berief sich das Landgericht auf den BGH.
Zu Unrecht, wie der VIII. Senat jetzt entschied. Die unteren Instanzen hätten die Aussagen in den eingangs genannten höchstrichterlichen Entscheidungen falsch interpretiert. Im Einzelfall könne durchaus auch die – ausführliche – Stellungnahme eines einschlägig medizinisch qualifizierten Behandlers geeignet sein, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern. Dieser müsse nicht unbedingt ein Facharzt sein. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände, insb. den konkreten Inhalt des (ausführlichen) Attests an. Damit hätten sich AG und LG auseinandersetzen müssen, was aber vollständig unterblieben sei, rügte der BGH. Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
[Quelle: BGH]