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Glaubhaftmachung einer technischen Störung bei Gericht

Nach der Einführung des Benutzungszwangs beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) sind die früher allgegenwärtigen Faxgeräte in vielen Kanzleien mehr oder weniger zu „Staubfängern“ degradiert worden. Manchmal allerdings müssen sie doch wieder reaktiviert werden, denn die elektronische Post hat auch ihre Tücken. Aus diesem Grund ist in den verschiedenen Prozessordnungen vorgesehen, dass beim Ausfall oder bei Störungen des beA ein alternativer Übermittlungsweg benutzt werden darf. Allerdings wird in einem solchen Fall vom Rechtsanwalt verlangt, die Störung glaubhaft zu machen. Dass die Gerichte es beim Einfordern dieser Glaubhaftmachung aber nicht übertreiben dürfen, hat jetzt noch einmal das OLG Stuttgart bekräftigt (Beschl. v. 19.2.2025 – 1 Ws 44/25).

In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Verteidigerin Berufung für ihre Mandantin einlegen wollen. Weil an dem betreffenden Tag technische Wartungsarbeiten im Bereich der Justiz Baden-Württemberg stattfanden, funktionierte die Übertragung mittels beA nicht. Deshalb faxte die Rechtsanwältin die Berufungsschrift und schickte ein entsprechendes PDF-Dokument mittels E-Mail hinterher; zugleich erläuterte sie, warum ihr die Übermittlung per beA nicht möglich war. Das Amtsgericht bestätigte den Eingang der Berufung; die Staatsanwaltschaft witterte allerdings später im Berufungsverfahren einen Verstoß gegen § 32d S. 4 StPO und beantragte, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Dem schloss sich das Landgericht an und verwarf die Berufung; auch lehnte es die von der Verteidigerin beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Auf ihre sofortige Beschwerde zum OLG Stuttgart hin bekam sie am Ende aber doch noch Recht.

Das OLG entschied, dass die an sich gem. § 32d S. 3 und 4 StPO vorgeschriebene Glaubhaftmachung der technischen Störung in Fällen wie dem hier vorliegenden ausnahmsweise nicht erforderlich sei. Daher habe es auch keines Wiedereinsetzungsantrags bedurft. Es sei, was die Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag anbelangt, allgemein anerkannt, dass – entgegen § 45 Abs. 2 S. 1 StPO – allgemeinkundige oder gerichtsbekannte, insb. aktenkundige Tatsachen generell keiner Glaubhaftmachung bedürfen, so der Senat. Nichts anderes könne für die Glaubhaftmachung nach § 32d S. 4 StPO gelten; es seien nämlich keine Gründe ersichtlich, die Glaubhaftmachungen nach § 45 und nach § 32d StPO unterschiedlich zu behandeln.

Dafür spreche auch, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 32d S. 3 StPO vornehmlich Fälle vor Augen gehabt habe, bei denen die technischen Störungen in der Sphäre der Rechtsanwälte auftreten; dementsprechend würden sich auch die einschlägigen Gerichtsentscheidungen vornehmlich mit derartigen Konstellationen befassen, etwa defekten Kanzlei-PCs oder Störungen beim beA. § 32d S. 4 StPO habe, so der Senat, daher nicht die Fälle erfassen wollen, in denen die eine Übermittlung hindernden technischen Gründe aus der Sphäre der Justiz herrühren und die deshalb gerichtsbekannt seien. Ein solcher Fall habe hier vorgelegen: Die baden-württembergischen Gerichte seien an dem betreffenden Tag durch entsprechende Hinweise per E-Mail und auf der Informationsseite des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs darüber informiert worden, dass Wartungsarbeiten an dem für den Empfang elektronischer Dokumente verantwortlichen System der Justiz stattfänden und deshalb ein Versand elektronischer Dokumente an alle Gerichte nicht möglich sei. Einer Glaubhaftmachung der Störung durch die Verteidigerin habe es deshalb nicht bedurft.

[Quelle: OLG Stuttgart]

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