„Rundes“ Jubiläum im Bundesrat
In seiner 1000. Sitzung am 12.2.2021 hatte der Bundesrat zur Feier des Tages nicht nur hohen Besuch, er hatte sich auch ein umfangreiches Arbeitsprogramm auf die Tagesordnung gesetzt und wichtige Gesetzesvorhaben verabschiedet.
Zu Besuch in der Länderkammer war BundespräsidentFrank-Walter Steinmeier, der es sich nicht nehmen ließ, den Föderalismus, den das Staatsorgan verkörpert, zu würdigen. Der Rat habe, so das Staatsoberhaupt, seit seiner Gründung im Jahr 1949 über die Jahrzehnte einen großen Beitrag zum Gelingen der Demokratie geleistet. Gleichzeitig rief der Bundespräsident die Bundesländer mit Blick auf die Bewältigung der Corona-Krise zur Einigkeit auf. Der Förderalismus stehe gerade jetzt unter verschärfter Beobachtung.
Nach der Ansprache ging die Länderkammer sprichwörtlich zur Tagesordnung über: 85 Vorlagen standen zur Beratung an. Für acht Gesetze aus dem Bundestag machte die Kammer den Weg frei – sie können nun wie geplant in Kraft treten. Zudem standen viele Entwürfe aus dem Bundeskabinett und Vorstöße aus den einzelnen Bundesländern auf der Agenda.
Eines der für die Bürger wichtigsten Gesetzesvorhaben betrifft den Bezug von Elterngeld. Die während des Elterngeldbezugs und der Elternzeit zulässige Arbeitszeit steigt künftig von 30 auf 32 Wochenstunden. Der Partnerschaftsbonus für die parallele Teilzeit beider Eltern ist künftig mit 24-32 Wochenstunden statt mit bisher 25-30 Wochenstunden möglich und wird zudem vereinfacht. Eltern bekommen jeweils einen weiteren Monat Elterngeld, wenn die Kinder mindestens sechs, acht, zwölf oder sechzehn Wochen zu früh geboren wurden („Frühchen“). Damit sollen sie auch mehr Zeit erhalten, um mögliche Entwicklungsverzögerungen ihrer Kinder aufzufangen. Ein Antragsrecht für Eltern mit geringen selbstständigen Nebeneinkünften ermöglicht diesen eine bessere Berücksichtigung ihrer Einnahmen. Eltern, die während des Elterngeldbezugs Teilzeit arbeiten, müssen nur im Ausnahmefall nachträglich Nachweise über ihre Arbeitszeit erbringen; grds. soll davon ausgegangen werden, dass sie nicht mehr als die im Antrag angegebenen Stunden arbeiten. Elterngeld erhalten nach dem Gesetzentwurf künftig nur noch Eltern, die weniger als 300.000 € im Jahr verdienen – bisher lag die Grenze bei 500.000 €. Das vom Bundesrat gebilligte Gesetz enthält auch Regelungen, die sicherstellen sollen, dass Eltern durch die Pandemie keine Nachteile beim Elterngeld- und Partnerschaftsbonusbezug entstehen, etwa weil sie Einkommensersatzleistungen wie Kurzarbeitergeld oder Krankengeld erhalten. Das Gesetz soll in großen Teilen am 1. September in Kraft treten.
Desweiteren hat der Bundesrat der verlängerten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.4.2021 (vgl. dazu bereits Anwaltsmagazin ZAP 4/2021, S. 165) zugestimmt. Sie gilt für solche Unternehmen, die Leistungen aus den staatlichen Hilfsprogrammen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie erwarten können. Voraussetzung ist grds., dass die Anträge im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 gestellt sind. Soweit von November bis Ende Februar aus rechtlichen, v.a. beihilferechtlichen oder tatsächlichen, etwa IT-technischen Gründen, noch keine Anträge gestellt werden konnten bzw. können, wird die Insolvenzantragspflicht auch für solche Unternehmen ausgesetzt, die nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Ausgenommen bleiben solche Fälle, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern würde.
Ebenfalls verlängert wird der Anfechtungsschutz für pandemiebedingte Stundungen: Die bis Ende März 2022 geleisteten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von Stundungen, die bis zum 28.2.2021 gewährt worden sind, gelten damit als nicht gläubigerbenachteiligend. Voraussetzung ist, dass gegenüber dem Schuldner ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung noch nicht eröffnet worden ist.
Zugestimmt hat der Bundesrat auch einem weiteren coronabedingten Aufschub: Die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung durch Steuerberater verschiebt sich um ein halbes Jahr: Für den Veranlagungszeitraum 2019 läuft die Frist bis Ende August 2021 statt wie sonst üblich bis Ende Februar. Parallel wird auch die Karenzzeit zur Verschonung von Verzugszinsen auf Steuerschulden um sechs Monate ausgeweitet. Hintergrund ist, dass die Steuerberaterinnen und Steuerberater derzeit mit der Beantragung der aktuellen Corona-Hilfsprogramme für Unternehmen stark ausgelastet sind.
Keine Zustimmung der Länder bekam dagegen die vom Bundestag Ende Januar beschlossene Neuregelung der sog. Bestandsdatenauskunft. Sie verfehlte die im Bundesrat erforderliche Mehrheit von 35 Stimmen und ist somit vorerst gestoppt. Mit der Bestandsdatenauskunft soll es den Sicherheitsbehörden ermöglicht werden, von Telekommunikationsunternehmen Auskunft insb. über den Anschlussinhaber eines Telefonanschlusses oder einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adresse zu erlangen. Bestandsdaten sind personenbezogene Daten der Kunden, die im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Durchführung von Verträgen stehen; nicht mitgeteilt werden dagegen Daten, die sich auf die Nutzung von Telekommunikationsdiensten (sog. Verkehrsdaten) oder den Inhalt von Kommunikationsvorgängen beziehen. Einige Länder haben gegen den vorliegenden Entwurf aber nach wie vor erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken
Die Neufassung der Bestandsdatenauskunft hat auch unmittelbare Auswirkungen auf das Vorhaben gegen Hasskriminalität. Letzteres kann ohne die verfassungsgemäße Neuregelung (Reparaturgesetz) der vom Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr „gekippten“ alten Bestandsdatenauskunft nicht in Kraft treten.
Befasst hat sich der Bundesrat u.a. auch mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf für faire Verbraucherverträge (vgl. dazu Anwaltsmagazin ZAP 4/2020, S. 182). Zwar wurden die Pläne der Bundesregierung, den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verbessern, deren Position gegenüber der Wirtschaft zu stärken und so faire Verbraucherverträge zu fördern, im Grundsatz begrüßt. Allerdings sehen die Länder den Regierungsentwurf noch nicht als ausreichend an, um dem Verbraucherschutz Rechnung zu tragen. So wird etwa gefordert, Verbraucherinnen und Verbraucher effektiver vor belästigender Telefonwerbung und aufgedrängten oder untergeschobenen Verträgen zu schützen. Zudem sollte Verbrauchern die Kündigung von Verträgen erleichtert werden; Anbieter sollten zu diesem Zweck verpflichtet werden, einen einfach zugänglichen Kündigungsbutton auf ihren Internetseiten zu platzieren – analog zu dem sog. Bestellbutton. Unternehmen sollten verpflichtet werden, den Zugang von relevanten Erklärungen wie Kündigung oder Widerruf den Kundinnen und Kunden immer zu bestätigen. Zudem sollten die geplanten Verbraucherschutzregelungen nicht nur auf neu abgeschlossene Verträge, sondern auch auf Bestandsverträge angewendet werden – mit einer differenzierten Übergangsregelung, die den Unternehmen Zeit zur Umstellung der Vertragsbedingungen gibt.
[Quelle: Bundesrat]