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Noch’n Kaffee zum Recht? – Der wohl gefährlichste Kaffee des Rechtswesens

Es ist eine Alltagssituation für jeden Anwalt: Man ist zum Mandantentermin eingeladen, der Gegenstand des Gesprächs bisher nur wenig konkretisiert. Nach der freundlichen Begrüßung an der Haustüre folgt der Gang ins Wohn- oder Esszimmer, wo eine liebevoll gedeckte Kaffeetafel einen bereits erwartet. So weit, so schön.

Dann aber geschieht das, was diesen Kaffee so gefährlich macht: Das Gespräch schweift vom üblichen einleitenden Small-Talk ab, weitet sich aus und landet in der Lebens- und Familiengeschichte des Mandanten.


Die Zeit rennt, das Honorar steigt

Je nach Grund des anwaltlichen Besuchs kann das sinnvoll oder sogar wichtig sein, um den berühmt-berüchtigten „Lebenssachverhalt“, auf den man schließlich seinen Rat, seine Tätigkeit aufbauen wird, umfassend zu ermitteln. Was aber, wenn die Zeit dabei verrinnt?

Anstands- und Bauchgefühl raten zur sanften Hinführung des/der Erzählenden zum Grund des anwaltlichen Besuchs – gar nicht so einfach mit dem herrlich handgebrühten Kaffee im Mund, von dem man angesichts der kanzleieigenen Kapselmaschine noch Tage später zu träumen beginnt.

Das Problem verdichtet sich Schluck für Schluck: die auseinanderfallende Erwartungshaltung von MandantIn und Anwalt. Die anwesende „Mietschnauze“ sieht sich beim Griff zur Tasse in die Zucker-Zange genommen, denn sie soll im Zweifel auf eine Honorarvereinbarung hinwirken – und diese ist in der Regel dann am fairsten, wenn sie nach Zeit abrechnet.

In meinem Fall schloss sich an die dezenten Hinweise, die gewünschte Beratung zu Altersvorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Testamentserrichtung werde sinnvoller Weise nach Stunden abgerechnet, erst einmal eine Hausbesichtigung an. Einschließlich der – wie gesagt sinnvollen und hier auch notwendigen – Erzählung der Familiengeschichte.

Nach fast drei Stunden verabschiedeten die Mandantin und ich uns in bestem Einvernehmen und mit unterzeichneter Zeithonorarvereinbarung. Erst wieder in der Kanzlei angekommen, erkannte ich, was Kaffee und Kuchen – neben einem veritablen Zuckerschock – noch hinterlassen hatten: ein dummes Gefühl in der Magengegend beim Eintrag der aufgewendeten Zeit ins Kostenblatt der Kanzleisoftware.


Kaffeetrinken ist doch keine Arbeit

Es kam, wie es kommen musste: Trotz spürbarer „Anstandsreduktion“ der Terminszeit in der Abrechnung war die Mandantin verärgert. Ach was, sie war stinkwütend! Hatten wir nicht nur Kaffee getrunken und das Haus besichtigt? Hatte ich denn – im Unterschied zu ihr – überhaupt gearbeitet?

Ob sie nun Gebühren-Recht hatte oder nicht – sie war im Recht – und ich hinterrücks vom gefährlichsten Kaffee des Rechtswesens erwischt worden.

Es sollte eine Ausbildungseinheit „Gesprächsführung beim Kaffeetrinken im Mandantenhaushalt“ für angehende Rechtsanwälte geben. Einziger Inhalt: Vermittlungsstrategien für die Tatsache, dass auch Kaffee und Kuchen in die Arbeitszeit des Anwalts fallen (können). Dass die dabei aufgenommenen Kalorien nicht von der Kostenrechnung abgezogen werden können, schon gar nicht in Kilojoule.


Der Weg aus der Kaffee-Falle

Wie mache ich das heute? Mit dem Umkehr-Trick. Nein, nein, ich behaupte keine Diät, keine Weißzucker-Allergie und ich bestelle die Mandanten auch immer noch nicht in meine Kanzlei.

Aber ich freue mich bei Präsentation der Kaffeetafel laut und offen auf die „Belohnung“ die nach getaner Arbeit auf mich warten wird. Weißt mich der/die MandantIn dann darauf hin „… dass das ja alles kalt wird“, dann schlage ich eine feste Kaffeezeit vor, erkläre, warum mir das wichtig ist, und bringe so das Gespräch so von ganz alleine darauf, dass ich für meine Arbeit bezahlt werden möchte. Nach Zeit.

Was soll ich sagen? Frau M.s Donauwellen sind immer noch meine liebsten. Ich fürchte den Tag, an dem sie sich endgültig für die Lieblingsnichte entscheidet und sie vielleicht den Tag, an dem meine Besuche enden. Heute aber wissen wir beide, was uns das kostet: Sie ein Honorar mit vereinbartem Kuchen-Abschlag und mich einen Extratermin im Fitnessstudio. In diesem Sinne: Hoch die (Kaffee-)Tassen!

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