Konflikte tauchen überall auf, wo Menschen zusammenarbeiten. Umso mehr sie dies unter Druck tun, umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit für Konflikte.
Der Kanzleialltag ist lebhaft. Geprägt von ohnehin vielen Terminen und den einzuhaltenden Fristen, dazu kommen oftmals hereinschneiende MandantInnen oder eilige neue Sachen, die zwischengeschoben werden wollen. Da kann es passieren, dass Fehler gemacht werden und Konflikte entstehen. Sei es um die Arbeitsabläufe, um Zuständigkeiten und die Bereitschaft, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen oder einfach deshalb, weil uns die Kolleginnen und Kollegen mit ihrer Art ab und zu mal ganz schön auf den Wecker fallen.
Wenn innerhalb des Teams Unstimmigkeiten entstehen, stellt sich für Sie als Chefin oder Chef die Frage, ob und wie eingeschritten werden sollte, damit ein Konflikt gelöst werden und vielleicht sogar die positive Kraft entfalten kann, die ihm so oft nachgesagt wird. Denn schließlich sollen Konflikte ja auch gut sein für das Aufzeigen von Problemen. Sie helfen zu verstehen, wo es hakt und welche Abläufe noch einmal angesehen und optimiert werden könnten. Sie können Bewegung bringen und Raum schaffen für neue Wege. Das ist alles wahr, trotzdem sind sie oft vor allem erstmal nervig und aufreibend.
Manches schafft das Team allein
Kleinere Unstimmigkeiten zwischen Kolleginnen und Kollegen brauchen sicher nicht immer das schlichtende Eingreifen der KanzleiinhaberInnen. Wenn im Arbeitsalltag einmal Spannungen auftauchen oder im Team über irgendeine Sache unterschiedliche Meinungen vorhanden sind, ist das ganz normal und kann meistens unter den Betroffenen selbst gelöst werden.
Aufpassen heißt es, wenn der Konflikt sich ausweitet. Wenn es plötzlich um grundsätzlichere Fragen geht, Dinge nur noch entweder schwarz oder weiß gesehen werden können und Einzelne versuchen, Andere unter Druck zu setzen, um selbst als „Gewinner“ aus der Sache herauszugehen.
Stufenmodell: So eskalieren Konflikte
Es gibt verschiedene Stufen von Konflikten, sie wurden von Friedrich Glasl beobachtet und in drei Ebenen eingeteilt mit insgesamt neun Stufen (Neun Stufen der Konflikt-Eskalation). Es beginnt mit kleinen Reibereien, die noch so gelöst werden können, dass beide Seiten mit einem Gewinn aus der Sache herausgehen. Wenn allerdings der Konflikt sich verfestigt und verhärtet – wie oben beschrieben, ist bald die nächste Ebene erreicht. Gut zu erkennen ist sie daran, dass Koalitionen gebildet werden und sich die Teams unterschiedlicher Ansichten zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen.
Auf dieser Ebene sollten Sie als Führungskraft selbst die Konfliktlösung in die Hand nehmen. Denn hier kann es bereits nur noch eine Gewinnerseite geben, sodass der Konflikt auf jeden Fall mit einem Verlust für die Kanzlei einhergeht – sei es an Energie oder sogar an Arbeitskraft, weil MitarbeiterInnen kündigen oder krank werden durch die konfliktbeladene Situation.
Und richtig schlecht ist es, wenn die dritte Ebene erreicht wird. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass jede Seite dem Gegner einen größtmöglichen Schaden zufügen will, sogar wenn sie selbst daraus nur mit eigenen Schäden hervorgehen kann. Nach dem Rosenkriegsmotto „Gemeinsam in den Abgrund“, krachend und mit Kronleuchter.
Die Spirale unterbrechen und den Konflikt beleuchten
Es gilt also, die Konfliktspirale zu unterbrechen, damit die Eskalation gestoppt wird. Dafür ist es hilfreich, den Konflikt erst einmal zu beleuchten, auch im Gespräch mit dem Team.
- Was ist das genaue Thema?
- Wer ist davon betroffen?
- Wie kam es dazu?
- Was sind die Ziele oder Wünsche der einzelnen Parteien?
- Was können die Konfliktparteien jeweils tun, um diesem Ziel anders näher zu kommen?
Vorsicht: Fallen
Die Suche nach dem „Wie kam es dazu“ soll nicht dazu dienen, durch Schuldzuweisungen einzelne Beteiligte in die Rechtfertigungsposition zu bringen. Sie soll vielmehr helfen, Fehler in den Abläufen aufzuzeigen, durch deren Änderung der Konflikt möglicherweise ganz einfach behoben werden kann.
Für Führungskräfte heißt es auch aufpassen, wenn sie bemerken, dass sie selbst parteiisch sind und den Beteiligten Rollen von Tätern und Opfern zuweisen, sei es auch nur innerlich. Es ist ganz natürlich, dass unterschiedliche Sympathien für den einen oder anderen vorhanden sind. Im Konflikt sollten Sie aber objektiv bleiben. Und gleichzeitig schauen, ob Sie nicht auch eigene Interpretationen versehentlich für gegebene Tatsachen halten.
Das Thema hinter dem Thema
Wichtig: den Konflikt nicht persönlich nehmen! Es steckt oft etwas dahinter, was auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich ist. Und es lohnt sich sehr, dieses Thema hinter dem Thema aufzuspüren. Meistens liegt hinter der Position einer Konfliktpartei ein tiefer liegender Wunsch oder ein Bedürfnis, das viel besser verstanden werden kann als die Meinung im Konflikt.
Schön veranschaulicht dies das Bild vom Eisberg, der aus dem Meer ragt. Das, was oben herausschaut, ist der Konflikt. Zum Beispiel die Frage der Zuständigkeit für eine bestimmte Aufgabe, die niemand übernehmen möchte. Was sichtbar ist, ist einfach nur die Weigerung, die Verantwortung für diese Aufgabe zu übernehmen. Was aber unter der Wasseroberfläche liegt und den viel größeren Teil des Eisberges ausmacht, sind die Interessen und Bedürfnisse der MitarbeiterInnen. Die Erfahrungen, die schon im Leben gemacht wurden, die Ängste und Werte und die Wünsche nach Sicherheit, Anerkennung und Selbstbestimmung. In all dem sind wir uns gar nicht so unähnlich, sind aber durch unsere unterschiedlichen Erfahrungen doch verschieden geprägt. Deshalb lohnt es sich immer, nachzufragen, weil unter der Oberfläche oft der Schlüssel zur Lösung des Konfliktes schlummert.
Ist die Lösung gefunden, kann das die weitere Zusammenarbeit sogar richtig stärken. Und vielleicht sogar dazu führen, dass die kleineren Reibereien im Alltag mit noch mehr Leichtigkeit gemeinsam bewältigt werden können. Mit einem Team, das im gleichen Boot sitzt, kommen Sie auch durch stürmische Kanzleizeiten.