„Ich möchte keinen Streit. Ich möchte einfach nur das, was mir zusteht – und dann friedlich auseinandergehen.“ Diese oder ähnliche Worte haben Sie bestimmt auch schonmal gehört, oder? Beispielweise, wenn Sie im Familienrecht tätig sind und jemand in einer Trennungssituation zu Ihnen kommt – oder etwas abgewandelt, wenn Sie in irgendeinem anderen Rechtsgebiet unterwegs sind.
Mir ist dieser Satz wieder eingefallen, als ich neulich im Urlaub in den Bergen war und einmal mehr erlebt habe, was für unterschiedliche Dinge Menschen mit ein und demselben Satz meinen können. „Lasst uns mit dem Lift auf den Berg fahren und dort ein bisschen herumlaufen“, lässt beispielsweise einigen Raum für sehr viele Variationen zwischen dem Schlendern zur 5 Minuten entfernten Berghütte auf einen Apfelstrudel mit Vanillesoße einerseits und dem Erklimmen des 2 Stunden und diverse Höhenmeter entfernten Gipfels mit anschließender Umrundung eines Bergsees andererseits.
Wenn wir flexibel sind und uns gern auf neue Situationen einstellen, ist es – zumal im Urlaub – überhaupt kein Problem, erst oben herauszufinden, was der Mitmensch gemeint hat und dann im Zweifel vielleicht nicht so vorbereitet in die Sache zu starten, wie es bei voller Kenntnis der Pläne des anderen möglicherweise geschehen wäre. Im Mandatsverhältnis sieht das schon etwas anders aus. Dort laufen wir nicht mit, sondern sind Wanderführerinnen und Wanderführer und dort halte ich Wachsamkeit bezüglich der Dinge, die gesagt und gemeint werden, für überwiegend äußerst nützlich.
Der eingangs wiedergegebene Satz hatte sich bei einer Mandantin von mir von einem vermeintlich einfachen Fall nach mehreren Monaten intensiven Streitens um „Das, was mir zusteht“ mal umgewandelt in die auf den ehemaligen Partner bezogene Bemerkung: „Wenn der tot auf der Straße liegt, fahr ich nochmal drüber.“
Von der abgeschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung her hatten wir ein gutes Ergebnis erzielt. Was allerdings das „…und dann friedlich auseinandergehen“ angeht, war mit diesem Résumé aus meiner Sicht kein richtiger Erfolg zu verzeichnen. Was war unterwegs passiert?
Es kann immer auch anders sein
„Das, was mir zusteht“ kann so vieles heißen: Das, was Sie nach Vorliegen aller Auskünfte errechnen. Auf jeden Fall das Doppelte von dem, was die Gegenseite meint. Das, was die Mandantin selbst für sich als gerecht ansieht. Das, was ihre Eltern oder Freundinnen für richtig halten. Das, was ein Richter in einem Beschluss festsetzt. Die Liste lässt sich fortsetzen, es kann einfach alles Mögliche bedeuten.
Nicht immer bedeutet „keinen Streit“ und „friedlich“ auch, dass die Lösung selbst gefunden werden kann, sei es als Vergleich mit Unterstützung von Anwältinnen und Anwälten oder im Rahmen einer Mediation. In manchen Fällen bedeutet ein friedliches Auseinandergehen auch den schnellen Weg zur Entscheidung durch einen Dritten, weil gemeinsame Lösungen gerade nicht möglich sind und es gilt, weitere Eskalationen zu vermeiden. Es hilft, unter die Oberfläche dessen zu schauen, was verbal geäußert wird.
Lieber einmal mehr nachfragen
Damit Sie das richtige Ziel im Auge behalten und den besten Weg dahin vorschlagen können, hilft nachfragen. Was genau ist gemeint? Wir meinen so oft zu wissen, was genau andere Menschen denken. Vielleicht, weil andere Mandantinnen und Mandanten mal ähnlich gesprochen und dabei etwas Bestimmtes gedacht haben oder weil wir unsere eigenen Erfahrungen automatisch subsumieren. Es kann allerdings immer auch anders sein und deshalb lohnt es sich, genau hinzuschauen. Und dann aufmerksam zu bleiben – denn Menschen verändern sich, gerade in den Umbruchsituationen des Lebens. Und in diesen kommen sie ja meistens zu uns.
Gespart: Enttäuschungen und Energie
Klarheit über das Ziel hilft sehr, auch uns selbst. Es erspart Mehrarbeit und Umwege und es lässt weniger Raum für Missverständnisse und Unzufriedenheit, die daraus entstehen kann. Unsere Einschätzungen sind genauer und passender. Und wir können sehr viel Energie sparen, die durch das Voranpreschen in die falsche Richtung verloren geht. Bestimmt haben Sie eine Idee, an welcher Stelle in Ihrem Leben Sie diese Energie sehr gut anderweit