Das Wichtigste in Kürze:
1. Die Beschwerde komplettiert das Rechtsschutzsystem gegen Beschlüsse und Verfügungen sowie gegen die weiteren gerichtlichen Entscheidungen, die nicht mit Berufung, Revision oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden können. 2. Die Statthaftigkeit der Beschwerde (§ 304) ergibt sich zunächst im Wege des Ausschlussverfahrens. 3. Beschwerdebefugt sind Verfahrensbeteiligte, sofern sie durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar betroffen und beschwert sind. 4. Sofern kein Fall des § 311 vorliegt ist die Beschwerde nicht fristgebunden. Rein verfahrenstatsächlich kann aber der Zeitpunkt, zu dem die Beschwerde eingelegt wird, insoweit Bedeutung erlangen, als die angefochtene Entscheidung bereits vollzogen wurde und deshalb prozessual überholt ist. 5. Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. 6. Wirksam kann die Beschwerde nur gegen eine vom Gericht bereits erlassene Entscheidung eingelegt werden. 7. Die Beschwerde muss nicht begründet werden, jedoch ist dies in den meisten Fällen ratsam. 8. Die Einlegung der Beschwerde hindert nicht den Vollzug der angefochtenen Entscheidung. 9. Es besteht jedoch die Möglichkeit, zusammen mit der Einlegung der Beschwerde die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. |
1. Die Beschwerde komplettiert das Rechtsschutzsystem gegen Beschlüsse und Verfügungen sowie gegen die weiteren gerichtlichen Entscheidungen, die nicht mit Berufung, Revision oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden können, sofern sie nicht in gesetzlich bestimmten Fällen ausgeschlossen (SSW-StPO/Hoch, vor §§ 304 ff. Rn 5) oder durch § 305 S. 1 eingeschränkt ist. Das Gesetz sieht die „einfache“ (§ 304), die weitere (§ 310 Abs. 1) und die sofortige Beschwerde (§ 311) vor.
2.a) Die Statthaftigkeit der Beschwerde (§ 304) ergibt sich zunächst im Wege des Ausschlussverfahrens. Wegen der einzelnen Fälle, in denen die Beschwerde ausgeschlossen ist, wird verwiesen auf Beschwerde, Beschwerdeausschluss und die Übersichten bei Burhoff, EV, Rn 1189 ff. bzw. Burhoff, HV, Rn 936 ff.
b) Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts sind hingegen unstatthaft, denn sie genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (BGH, Beschl. v. 14.2.2023 – 2 ARs 403/22). Sieht das Gesetz ein Rechtsmittel nicht vor, oder ist ein solches gar ausdrücklich ausgeschlossen, ist gegen eine ergangene Entscheidung keine Anfechtungsmöglichkeit gegeben (BGH a.a.O.). Folglich ist auch eine „außerordentliche Beschwerde“ wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ der angefochtenen Entscheidung oder „groben Unrechts“ im Straf- und Bußgeldverfahren nicht statthaft (h.M., BGH NStZ-RR 2004, 52; OLG Jena OLGSt StPO § 310 Nr. 12; SSW-StPO/Hoch, vor 304 ff. Rn 2; LR-Matt, vor § 304 ff. Rn 32 ff.). Ihre Einlegung ist deshalb auch nicht mehr zur Rechtswegerschöpfung i.S.d. § 90 BVerfGG erforderlich (anders noch BVerfG NJW 1997, 46), da ihr eine gefestigte fachgerichtliche Rspr. entgegensteht.
3.a) Beschwerdebefugt sind Verfahrensbeteiligte, sofern sie durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar betroffen und beschwert sind, also
- der Beschuldigte/Angeschuldigte/Angeklagte/Verurteilte (§ 296 Abs. 1),
- für den Angeklagten dessen Verteidiger, aber nicht gegen den Willen des Angeklagten (§ 297; zum eigenen Beschwerderecht des Verteidigers),
- der gesetzliche Vertreter des Angeklagten (§ 298),
- nicht aber der Betreuer des Angeklagten, es sei denn dessen Aufgabenbereich bezieht sich speziell oder nach dem allgemeinen Umfang seiner Bestellung auf eine Betreuung in dem Straf- oder Vollstreckungsverfahren (OLG Hamburg, Beschl. v. 5.2.2021 – 2 Ws 4/21, StV 2022, 141; OLG München, Beschl. v. 1.4.2022 – 2 Ws 191/22),
- der Erziehungsberechtigte des Angeklagten (§ 67 Abs. 2 JGG),
- der Privatkläger (§ 390 Abs. 1),
- der Nebenkläger (§ 401 Abs. 1), nicht aber der Angeklagte gegen die Bestellung eines Nebenklägerbeistands (OLG Celle, Beschl. v. 29.6.2020 – 3 Ws 154/20, NStZ-RR 2020, 320),
- der Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte (§§ 424 Abs. 1),
- der Vertreter einer juristischen Person (§ 444 Abs. 1 S. 1),
- eine nicht-öffentliche Stelle i.S.d. § 5 Abs. 2 PsychPbG (LG Stuttgart, Beschl. v. 10.1.2019 – 20 Qs 24/18, JurBüro 2019, 649),
- die StA, auch zugunsten des Beschuldigten (§ 296 Abs. 1 u. Abs. 2).
b) Der Verteidiger ist aus eigenem Recht nur beschwerdegefugt, sofern seine Rechte durch die gerichtliche Entscheidung betroffen sind (§ 304 Abs. 2), insbesondere bei
- Akteneinsicht,
- seiner Ausschließung (§ 138d Abs. 6 S. 1),
- der Ablehnung der von ihm selbst beantragten Entpflichtung als Pflichtverteidiger (BGH, Beschl. v. 5.3.2020 – StB 6/20, NJW 2020, 1534 m. Anm. Burhoff StRR 4/2020, 16; KG, Beschl. v. 5.8.2020 – 5 Ws 129–130/20, OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.11.2022 – 3 Ws 420/22; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 1.7.2022 – 4 Ws 194/22, NStZ 2023, 181),
- ausnahmsweise gegen seine (grundsätzlich nicht anfechtbare) Entpflichtung, wenn diese mit der Maßgabe erfolgt, dass die Bestellung wiederauflebt, sollte der neu hinzukommende Wahlverteidiger sein Mandat niederlegen (OLG Dresden, Beschl. v. 3.9.2021 – 3 Ws 78/21, NStZ 2022, 702).
- seiner Zurückweisung (Burhoff, EV, Rn 5328 ff.)
- der Behinderung des Verkehrs mit seinem in Haft befindlichen Mandanten (§ 148 Abs. 1)
- Anbahnungsgespräch – Überwachung (KG StV 1991, 307),
- Besuchsdauer aufgrund richterlicher Entscheidung (OLG Zweibrücken StV 1997, 313), andernfalls Anfechtung nach §§ 23 ff. EGGVG (OLG Karlsruhe NStZ 1997, 407),
- Diktiergerät, Benutzung (OLG Frankfurt am Main AnwBl 1980, 307),
- Dolmetscher-Zuziehung (s. aber KG, Beschl. v. 29.7.1998 – 4 Ws 127/98; LG Köln NStZ 1983, 237),
- Durchsuchung, körperliche (OLG Saarbrücken NJW 1978, 1446),
- Laptop, Benutzung (BGH NJW 2004, 457),
- Schriftverkehr („Verteidigerpost“), sofern verfahrensbezogen (OLG Bremen StV 2006, 650; OLG Dresden StV 2006, 654; OLG Frankfurt am Main StV 2005, 226; OLG Rostock, Beschl. v. 16.1.2003 – 2 Ws 8/02; OLG Stuttgart NStZ 1991, 359); zur Einschränkung: BVerfG NJW 2010, 1740,
- Telefonverkehr (BVerfG, Beschl. v. 7.3.2010 – 2 BvR 988/10; BGH NStZ 2011, 592; NStZ 1999, 471; LG Dresden StV 2011, 744).
- der Protokollierung von Äußerungen in der HV (OLG Rostock, Beschl. v. 14.1.2003 – I Ws 538/02);
- der Versagung der Genehmigung nach § 138 Abs. 2 (OLG Düsseldorf NStZ 1999, 586);
- seiner Zurückweisung wegen „Verletzung“ der Amtstracht („Krawattenzwang“: LG Mannheim NJW 2009, 1094; „Robe“: OLG Karlsruhe NJW 1977, 309; „T-Shirt“: OLG München NJW 2006, 3079).
4.a) Sofern kein Fall des § 311 vorliegt ist die Beschwerde nicht fristgebunden. Rein verfahrenstatsächlich kann aber der Zeitpunkt, zu dem die Beschwerde eingelegt wird, insoweit Bedeutung erlangen, als die angefochtene Entscheidung bereits vollzogen wurde und deshalb prozessual überholt ist.
Eine Durchsuchungsmaßnahme gilt jedoch noch nicht als abgeschlossen, wenn die Durchsicht von in der Wohnung des Beschuldigten sichergestellten elektronischen Speichermedien oder anderer Beweismittel noch andauert; in solchen Fällen scheidet eine prozessuale Überholung aus (BGH, Beschl. v. 18.11.2021 – StB 6+7/21, NJW 2022, 306; Beschl. v. 10.8.2023 – StB 45+46/23; Beschl. v. 29.6.2023 – StB 31/23). |
Erfolgt die Einlegung erst nach dem „überholenden“ Ereignis, ist das Rechtsmittel unzulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 17). Wird die Beschwerde dagegen erst nachträglich gegenstandslos, ist sie für erledigt zu erklären (OLG Hamm NStZ 2009, 592; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 21.7.2023 – 5a Ws 1/21). Darüber hinaus kann auch eine Umdeutung in Betracht kommen, wenn sich das Verfahrensstadium ändert, also z.B. Anklage erhoben wird. In diesem Fall ist eine noch nicht verbeschiedene Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in einen Antrag auf Aufhebung der Maßnahme, gerichtet an das mit der Hauptsache befasste Gericht, umzudeuten (Meyer-Goßner/Schmitt, § 111a Rn 19 m.w.N.) und eine unerledigte Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag. Dies gilt auch wenn bereits weitere Beschwerde erhoben ist (OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.5.2022 – 2 Ws 66/22; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 5.10.2009 – 1 Ws 107/09, StV 2010, 33).
Grundsätzlich unzulässig sind Beschwerden, die auf eine Feststellung der Rechtswidrigkeit einer im Zeitpunkt ihrer Einlegung bereits erledigten richterlichen Anordnung abzielen. Eine Ausnahme gilt aber bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, selbst wenn diese tatsächlich nicht mehr fortwirken (s. z.B. BVerfG, Beschl. v. 5.7.2013 – 1 BvR 370/13, NJW 2013, 3634; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.2.2023 – 1 Ws 97/22; LG Lübeck, Beschl. v. 25.8.2022 – 6 Qs 20/22; Burhoff, EV, Rn 4122 ff.). Dies betrifft insbesondere bereits erledigte Durchsuchungsbeschlüsse (LG Detmold, Beschl. v. 4.10.2021 – 23 Qs 106/21, StV-S 2022, 50). Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt allerdings voraus, dass die belastende Maßnahme auch tatsächlich vollzogen wurde (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.6.2023 – 7 Ws 118/23; LG Lübeck a.a.O.). |
4.b) Die Verfahrensbeteiligten können – in Extremfällen – das Beschwerderecht verwirken. Die Beurteilung richtet sich nach § 242 BGB und verlangt sowohl die Prüfung des Zeit- als auch des Umstandsmoments (OLG Oldenburg StraFo 2007, 33; LG Berlin, Beschl. v. 4.2.2016 – 511 Qs 84/15; LG Dresden, Beschl. v. 30.10.2006 – 3 Qs 129/06; LG Saarbrücken NStZ-RR 2008, 113; Burhoff, EV, Rn 1172 ff.).
Das bloße Untätigbleiben des Beschwerdeführers innerhalb eines Jahres nach Bekanntwerden der Ermittlungsmaßnahmen und über einen Zeitraum von neun Monaten seit der Verfahrenseinstellung lässt aber nicht die Annahme zu, dass eine Beschwerde nicht mehr eingelegt werden würde (BVerfG NStZ 2009, 166). |
5. Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. Eine Pflicht für Verteidiger zur elektronischen Einlegung besteht – anders als bei Berufung und Revision – nicht. Auch das „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ v. 12.7.2024 (BGBl I Nr. 234) (zum Gesetzesentwurf ausführlich Burhoff VRR 3/2024, 13 = StRR 4/2024, 10) hat hier keine Änderung gebracht. Nach § 32d S. 2 Nr. 3 ist die Verpflichtung zwar auf das Strafbefehls-, nicht aber auf das Beschwerdeverfahren ausgedehnt worden.
Eine einfache, unsignierte Email genügt diesen Formerfordernissen nicht (BGH, Beschl. v. 12.5.2022 – 5 StR 398/21, NJW 2022, 2768 [für die Anbringung eines Strafantrags]; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.2.2023 – 2 ORbs 35 Ss 4/23, zfs 2023, 472 [für den Einspruch im Bußgeldverfahren]; LG Berlin, Beschl. v. 6.5.2019 – 513 Qs 8/19, VRS 135, 289; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 9.11.2022 – 12 Qs 59/22, StraFo 2023, 15 m. Anm. Burhoff StRR 12/2022, 16 [für den Einspruch gegen einen Strafbefehl]; KK/Maur, § 410 Rn 4). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn mit der Email eine Bild- oder PDF-Datei mit der Einspruchsschrift übersandt wird, diese ausgedruckt und zur Akte genommen wird und an der Urheberschaft des Verfassers und an dessen Willen zur Einspruchseinlegung keine Zweifel bestehen (OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.1.2024 – 2 Ws 187/23 (S); OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.11.2021 – 3 OWi 32 SsBs 119/21, NZV 2022, 442 m. Anm. Krenberger; OLG Rostock, Beschl. v. 6.1.2017 – 20 Ws 311/16, NJW-Spezial 2017, 122 [für die Einlegung einer Berufung]; LG Aachen, Beschl. v. 6.9.2021 – 66 Qs 32/21; LG Berlin a.a.O.; AG Baden-Baden, Beschl. v. 24.8.2020 – 14 OWi 308 Js 3503/20, NJW-Spezial 2020, 730; KK/Maur a.a.O.). Nach herrschender Rspr. muss der Ausdruck innerhalb der Einspruchsfrist erfolgen (OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2020 – 1 OWi 2 SsBs 68/20, DV 2020, 135; LG Gießen, Beschl. v. 20.5.2015 – 802 Js 38909/15, NStZ-RR 2015, 344). Das LG Aachen (a.a.O.) und das LG Hechingen (Beschl. v. 22.6.2020 – 3 Qs 45/20, krit. hierzu Krenberger, a.a.O.) haben dagegen offen gelassen, ob ein späterer Zeitpunkt unschädlich ist. Die Gegenansicht hält die Übersendung einer Einspruchsschrift als E-Mail-Anhang unabhängig vom Zeitpunkt eines Ausdrucks für formwidrig (LG Heidelberg, Beschl. v. 17.7.2023 – 1 Qs 24/23, NStZ 2023, 767). |
Eine nur telefonische Beschwerdeeinlegung wahrt die Formerfordernisse ebenfalls nicht (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 49; NJW 1995, 2177). BGH NJW 1980, 1290 (telefonische Einspruchseinlegung gegen einen Bußgeldbescheid) ist auf das Beschwerdeverfahren nicht anwendbar (Burhoff, EV, Rn 1174; Burhoff, HV, Rn 936 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, Einl Rn 140 m.w.N; a.A. LG Münster NJW 2005, 166 zur Berufungseinlegung).
6.a) Wirksam kann die Beschwerde nur gegen eine vom Gericht bereits erlassene Entscheidung eingelegt werden; ein vorsorglich eingelegtes Rechtsmittel ist wirkungslos (OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 15.3.2005 – 3 Ws 130/05). Allerdings kann gegen einen – bereits erlassenen – Beschluss schon vor dessen Zustellung auch dann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Adressat vom Erlass noch keine Kenntnis erlangt hat (BGHSt 25, 187; LG Potsdam JurBüro 2015, 207). Dasselbe soll gelten, wenn der vorschnell verfasste/abgesandte Rechtsbehelf erst nach Erlass des Beschlusses bei Gericht eingeht (OLG Jena NStZ-RR 2012, 180). Eine bedingte Beschwerde gegen eine noch nicht ergangene, vom Beschwerdeführer lediglich befürchtete Entscheidung des Gerichts ist dagegen unzulässig (OLG Rostock, Beschl. v. 2.6.2004 – I Ws 230/04).
b) Die Bezeichnung des Rechtsmittels als Beschwerde ist nicht erforderlich (§ 300). Deshalb kann auch ein eingelegter „Einspruch“ oder „Widerspruch“ zwanglos als Beschwerde ausgelegt werden (LG Berlin NStZ 2005, 119). Voraussetzung ist lediglich, dass der Erklärende irgendwie kundtut, er wolle gegen eine ergangene gerichtliche Entscheidung vorgehen (Anfechtungswille; KG, Beschl. v. 14.8.2007 – 1 Ws 107/07). Ist der Anfechtungswille auch nach Auslegung der Erklärung des Beschwerdeführers zweifelhaft, muss das Gericht diesen Zweifel durch eine entsprechende Nachfrage klären (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.6.2021 – 12 Qs 39/21, StraFo 2021, 351; Burhoff, EV, Rn 1179).
7. Die Beschwerde muss nicht begründet werden, jedoch ist dies in den meisten Fällen ratsam (Burhoff, EV, Rn 1180 und Burhoff, HV, Rn 936 ff.). Der Beschwerdeführer kann sowohl die der Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen als auch die durch das Erstgericht erfolgte Rechtsanwendung beanstanden. Er kann sein Rechtsmittel dabei auch auf neue Tatsachen stützen.
8. Die Einlegung der Beschwerde hindert nicht den Vollzug der angefochtenen Entscheidung (§ 307 Abs. 1). Einzelne gesetzliche Ausnahmen hiervon bestehen für Entscheidungen, die nur mit sofortiger Beschwerde angefochten werden können. Faktische Suspensivwirkung entsprechend § 449 wird der Beschwerde ausnahmsweise in Fällen der Strafvollstreckung zuerkannt, wenn die Vollstreckbarkeit oder weitere Vollstreckung der Strafe von der Entscheidung über die Beschwerde abhängt (Meyer-Goßner/Schmitt, § 307 Rn 1; LR-Matt, § 307 Rn 3).
9. Es besteht jedoch die Möglichkeit, zusammen mit der Einlegung der Beschwerde die Aussetzung der Vollziehung (§ 307 Abs. 2) zu beantragen (Burhoff, EV, Rn 1183). Ein derartiger Antrag ist in allen Fällen möglich, in denen nicht schon das Gesetz die Beschwerde mit einem Suspensiveffekt ausstattet.
Ist die Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet, so ist im Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Dabei ist von Bedeutung, ob durch die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung (oder durch die Aussetzung des Vollzugs) irreparable Nachteile entstehen würden (BGH NStZ 2010, 343). |
Ein Auszug aus dem Buch Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 3. Auflage, 2024, Teil A Rdn. 400-416
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