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Ordnungsmaßnahme gegen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt wegen der Weigerung, in der Sitzung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ist zulässig.

(Leitsatz des Verfassers)

OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.1.2022 – 2 Ss (OWi) 240/21

I. Sachverhalt

Das AG hat den Betroffenen, einen Rechtsanwalt, wegen eines Verstoßes gegen eine Allgemeinverfügung des Landkreises Aurich betreffend die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an öffentlichen Plätzen zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt. Der Betroffene hatte sich trotz Maskenpflicht geweigert – auch auf eine entsprechende Aufforderung der Polizei hin –, eine Maske im öffentlichen Raum aufzusetzen. In der Hauptverhandlung hat sich der Betroffene selbst verteidigt. In der Hauptverhandlung ist dann ein Ordnungsgeld von 150 EUR, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft festgesetzt worden, weil sich der Betroffene trotz Aufforderung durch den Vorsitzenden geweigert hat, in der Hauptverhandlung eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen. Dagegen erging dann die Beschwerde des Betroffenen. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Das OLG führt zu dem Ordnungsgeldbeschluss aus: Hinsichtlich des festgesetzten Ordnungsgeldes seien weder dem Grund noch der Höhe nach Rechtsfehler zu erkennen. Das Ordnungsgeld habe gegen den Betroffenen, auch wenn er von Beruf Rechtsanwalt ist und sich selbst verteidigt hat, festgesetzt werden können. Das BVerfG (vgl. BVerfGE 53, 207 ff.) habe zur Rechtsstellung eines sich selbst verteidigenden Rechtsanwalts Folgendes ausgeführt: Nach übereinstimmender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum sei es nicht zulässig, dass der Rechtsanwalt in dem von der StPO und dem OWiG gebrauchten Sinne sein eigener Verteidiger sein könne. Der Status des Verteidigers und die Stellung des Beschuldigten oder Betroffenen seien offensichtlich miteinander unvereinbar: Der Verteidiger nehme nicht nur ein durch privatrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag erteiltes Mandat wahr, sondern werde als unabhängiges – mit eigenen Rechten und Pflichten versehenes – Organ der Rechtspflege grundsätzlich gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft im Strafprozess tätig. Seine Position sei deshalb mit einer spürbaren Distanz zum Beschuldigten hin ausgestattet (vgl. Kurzka, MDR 1974, 817). Ihm seien Beschränkungen auferlegt, die die StPO einem Beschuldigten aus guten Gründen nicht abverlange (vgl. BGHSt 9, 71, 73; 14, 172, 174). Daraus folge, dass der im Strafgeldverfahren oder Bußgeldverfahren beschuldigte Rechtsanwalt in eigener Sache weder sein Wahlverteidiger sein könne, noch könne er in Fällen notwendiger Verteidigung zu seinem eigenen Pflichtverteidiger bestellt werden. Er sei weder zum Kreuzverhör nach § 239 StPO berechtigt noch zur Befragung von Mitangeklagten nach § 240 Abs. 2 StPO befugt. In den Anwendungsbereichen des § 176 GVG und der §§ 168c Abs. 3, 231 Abs. 2, 231a, 231b und 247 StPO habe seine berufliche Qualifikation als Rechtsanwalt keine Bedeutung. Obwohl in dieser Entscheidung des BVerfG § 178 GVG nicht ausdrücklich erwähnt werde, sei auch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt zulässig (vergleiche Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl. 2022, Rn 2961; OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2010 – 2 Ws 62/10).

Die beharrliche Weigerung des Betroffenen, der Aufforderung des Vorsitzenden zu folgen, eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen, stelle eine Ungebühr dar. Eine Ungebühr i.S.v. § 178 Abs. 1 GVG sei ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Ablauf, auf den Gerichtsfrieden und damit auf die Ehre und Würde des Gerichts (OLG Stuttgart Justiz 2017, 95). Das Gericht sei zunächst berechtigt gewesen, vom Betroffenen das Aufsetzen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu verlangen (vgl. BayObLG VRR 10/2021, 27; OLG Celle StraFo 2021, 242 = StRR 5/2021, 18). Soweit der Betroffene argumentiere, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung widerspräche § 176 Abs. 2 GVG, hätten sich die beiden genannten OLG mit diesem Einwand in überzeugender Weise auseinandergesetzt. Hierauf könne verwiesen werden. Durch die Weigerung des Betroffenen, trotz mehrfacher Aufforderung die dem eigenen auch als dem Schutz der übrigen Beteiligten dienende Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen, habe der Betroffene den Ablauf der Sitzung nachhaltig gestört. Letztlich sei die Sitzung erst dann zur Sache fortgesetzt worden, als der Betroffene des Saales verwiesen worden und in seiner Abwesenheit verhandelt worden sei.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Zur Frage der „Ungebühr“ im Fall des Nichttragens einer Maske verweise ich auf die Anmerkung zur Entscheidung des OLG Celle in StRR 5/2021, 18. Im Übrigen ist es zutreffend, wenn das OLG darauf verweist, dass der Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt, „normaler“ Angeklagter/Betroffener mit der Folge ist, dass § 178 GVG auch für ihn gilt. Für ihn können also Ordnungsmaßnahmen anageordnet werden.

2. Zur Hauptsache – also zur Rechtsbeschwerde – hat das OLG dann in seinem Beschluss vom gleichen Tag ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch schon vor Inkrafttreten des § 28a IfSG mit einem Bußgeld geahndet werden konnte.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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