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Einziehung bei Lohnsteuerhinterziehung sowie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Auch ein faktischer Geschäftsführer ist nach §§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zum Abführen der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer seiner GmbH verpflichtet, im Hinblick auf die Abführung der Lohnsteuer trifft ihn nach § 35 AO die strafrechtliche Verantwortung. Die solchermaßen nicht abgeführten Sozialabgaben sowie Lohnsteuer sind aber grundsätzlich keine sich im Vermögen des faktischen Geschäftsführers niederschlagenden Vorteile, die der Einziehung unterliegen. Gleiches gilt bezüglich Geldern der GmbH, die der faktische Geschäftsführer eigenmächtig an sich nimmt, denn es sind weder „für die Tat“ noch „durch die rechtswidrige Tat“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB Vermögenswerte erlangt.

(Leitsätze des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 1.6.2021 – 1 StR 133/21

I. Sachverhalt

Der Angeklagte G war im Tatzeitraum Juli 2012 bis Januar 2015 faktischer Geschäftsführer der K GmbH. Um teilweise die Löhne der Arbeitnehmer der K GmbH lohnsteuer- und sozialabgabenfrei auszahlen zu können, erwarb er gegen Provision von D Abdeckrechnungen. Zudem wurden teilweise die Arbeitnehmer der K GmbH gegenüber den Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt zum Schein als Arbeitnehmer von D betriebener Serviceunternehmen – wiederum gegen Provision – angemeldet (Steuerschaden: ca. 415.000 EUR, Ausfall der Sozialversicherungsabgaben ca. 1,7 Mio. EUR). Monatlich entnahm G aus dem Vermögen der K GmbH 1.500 EUR.

Ebenso verfuhr G als Geschäftsführer der A GmbH im Tatzeitraum Februar 2014 bis Mai 2017 (Steuerschaden: ca. 235.000 EUR, Ausfall der Sozialversicherungsabgaben ca. 1,075 Mio. EUR).

Bei letzteren Taten unterstütze ihn ab Juni 2015 die Sekretärin der A GmbH, M, indem sie auf Weisung des G die Scheinrechnungen bei D bestellte und diesem mitteilte, welche Arbeitnehmer zum Schein bei dessen Serviceunternehmen anzumelden seien.

II. Entscheidung

Der BGH erachtet den G als faktischen Geschäftsführer nicht nur strafrechtlich für die Abführung der Lohnsteuer, sondern auch nach §§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer der K GmbH verantwortlich (BGH NStZ 2002, 548). Zur Berechnung der verkürzten Lohnsteuer sei es zulässig, den Eingangssteuersatz von 14 v.H. auf den in bar und unversteuert ausgezahlten Lohn als Mindestverkürzungsbetrag anzulegen. Da die durch die Lohnsteuerhinterziehung bzw. Nichtabführung der Sozialabgaben ersparten Aufwendungen sich lediglich im Vermögen der K bzw. A GmbH und nicht des G niederschlugen, könne keine Einziehungsverfügung gegen G gerichtet sein. Denn G sind nicht durch die rechtswidrige Tat i.S.v. §§ 73 Abs. 1 Alt. 2, 73c S. 1 StGB finanzielle Mittel zugeflossen. Ein Verschiebungsfall i.S.v. § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3 StGB liegt auch nicht vor, da G als Tatbeteiligter nicht Dritter i.S.d. Regelung ist (a.A. Bittmann, NStZ 2020, 405, 406 f.). Des Weiteren könnten die monatlich von G entnommenen 1.500 EUR nur nach §§ 73 Abs. 1 Alt. 2, 73c S. 1 StGB bei ihm eingezogen werden, wenn ihm diese Beträge von den Betreibern der GmbH bzw. seinen Hintermännern gerade für die Tatausführung als Gegenleistung gewährt worden wären (BGH, Beschl. v. 27.3.2019 – 2 StR 561/18, wistra 2019, 501). Sofern die Vorinstanz gegenüber der M Einzelfreiheitsstrafen unter sechs Monaten verhängt hat, ist dies nicht zur Einwirkung auf die Angeklagte bzw. zur Verteidigung der Rechtsordnung i.S.v. § 47 Abs. 1 StGB allein deswegen unerlässlich, weil (jeweils) eine Schadensschwelle von 20.000 EUR überschritten wurde. Denn maßgeblich ist für die Strafzumessung das Gewicht der Beihilfehandlung der M, auch wenn die Schwere der Haupttat mit zu berücksichtigen ist (BGH, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 StR 211/20).

III. Bedeutung für die Praxis

Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung, wonach bezüglich der Einziehungsentscheidung grundsätzlich zwischen der Vermögensebene der Gesellschaft und der des Täters, der diese lediglich vertritt, zu unterscheiden ist. Dies verhält sich anders, wenn dieser die Gesellschaft etwa nur als Mantel nutzt bzw. freie Hand hat, deren Vermögen abzusaugen (BGH wistra 2020, 377). Allein, dass der Haupttäter sich hier einen überschaubaren Betrag monatlich einverleibte, ändert nichts an dieser Abgrenzung. Zudem ist ein einzugsfähiger Tatlohn nur gegeben, wenn dieser gerade als Gegenleistung für die Tatbegehung gewährt wird, nicht jedoch, wenn der Täter Vermögenswerte einfach an sich nimmt. Insofern sind die Einziehungsmöglichkeiten in solchen Konstellationen, auch weil kein Verschiebefall nach § 73b StGB vorliegt, beschränkt.

Was die verkürzte Lohnsteuer anbelangt, bewegt sich der BGH im Rahmen der gängigen Rechtsprechung, wonach vom Bruttolohn – im Unterschied zu den Sozialabgaben, bei denen nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV eine Nettolohnfiktion gilt – auszugehen und ggf. der Eingangssteuersatz des § 39b Abs. 2 S. 7 EStG von 14 v.H. anzusetzen ist (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2017, S. 216 f.).

Hat der BGH teilweise vertreten, dass auch geringe Freiheitsstrafen wegen Steuerhinterziehung nach § 56 Abs. 3 StGB zur Verteidigung der Rechtsordnung ggf. zu vollstecken sind (BGH NJW 2012, 1458), sieht er dies im Zusammenhang damit, ob kurze Freiheitsstrafen nach § 47 Abs. 1 StGB verhängt werden sollen, nicht ohne Weiteres aus generalpräventiven Gründen als angebracht.

Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

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