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Einziehung von Fahrzeugen bei verbotenen Kraftfahrzeugrennen

Zu den Voraussetzungen der Aufrechterhaltung der Beschlagnahme von Kraftfahrzeugen bei der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen und einer etwaigen Einziehung der Fahrzeuge. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Hamm, Urt. v. 18.8.2020 – 2 Ws 107-109/20

I. Sachverhalt

Das AG hat die Angeklagten wegen Durchführung von und Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen bzw. Beihilfe hierzu zu Geldstrafen verurteilt. Von der Einziehung der verwendeten, im Verfahren beschlagnahmten und im Eigentum der Angeklagten stehenden Fahrzeuge hat es abgesehen. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung seien Sinn und Zweck der Einführung des § 315f StGB im Jahr 2017 einerseits, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 74a StGB, andererseits zu beachten. Der Gesetzgeber habe in § 21 Abs. 3 StVG eine vergleichbare Vorschrift für das Fahren ohne Fahrerlaubnis geschaffen, welche in der Praxis aber so gut wie nie angewendet werde; auch bei Trunkenheitsfahrten nach §§ 315c und 316 StGB werde von der Möglichkeit der Einziehung nach § 74 StGB regelmäßig kein Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der konkreten Tatumstände spreche für eine Einziehung die Länge der Fahrstrecke von ca. 2 km, dagegen allerdings, dass es sich um eine Spontantat gehandelt und das Rennen nur zwei Minuten gedauert habe. Die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erreichte Spitzengeschwindigkeit von 136,7 km spreche weder für noch gegen eine Einziehung. Beide Angeklagte seien weder straf- noch verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten, beide hätten bereits seit ca. elf Monaten auf den Besitz der Fahrzeuge verzichten müssen, seien mit erheblichen Standgebühren für die Fahrzeuge belastet und beide hätten in der Hauptverhandlung glaubhaft ihre Absicht dargelegt, ihren jeweiligen Pkw veräußern zu wollen. Zwar handele es sich einerseits angesichts der hohen Motorisierung um typische Fahrzeuge für Kfz-Rennen, diese seien aber nicht getunt gewesen, sondern es habe sich um Serienmodelle und zudem um die einzigen Fahrzeuge der Angeklagten gehandelt. Nach der anzustellenden Gesamtabwägung sei eine Einziehung nicht angezeigt. Zugleich hat das AG die Beschlüsse hinsichtlich der Beschlagnahme der Fahrzeuge aus den Gründen des Urteils aufgehoben. Die StA hat gegen das Urteil Berufung und zugleich Beschwerde gegen diesen Aufhebungsbeschluss eingelegt. Die 1. Strafkammer des LG hat den Aufhebungsbeschluss aufgehoben. Die Angeklagten stellten an die für das Berufungsverfahren zuständige 16. Strafkammer des LG den Antrag, die beschlagnahmten Fahrzeuge zurückzuerhalten. Mit dem angefochtenen Beschluss hat diese die Beschlagnahmebeschlüsse aufgehoben. Das OLG hat die Beschwerde der StA als unbegründet verworfen.

II. Entscheidung

Das OLG führt zunächst aus, dass die beiden Kfz für das weitere Verfahren nicht mehr als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sind (§§ 94, 98 StPO). Auch dass das LG die Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung nicht aufrechterhalten hat, sei nicht zu beanstanden. Gem. § 111b Abs. 1 S. 1 StPO könne ein Gegenstand zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen für die Einziehung vorliegen. § 315f S. 1 StGB sehe die Möglichkeit der Einziehung von Kfz vor. Die Anordnung der Beschlagnahme gem. § 111b StPO setze lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Annahme voraus, dass der zu beschlagnahmende Gegenstand der Einziehung unterliegt (BGH NStZ 2008, 419). Sowohl die Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung in § 111b S. 1 StPO als auch die Einziehungsentscheidung nach § 315f StGB stünden im Ermessen des Gerichts. Nur dann, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen, solle die Beschlagnahme angeordnet werden.

Dagegen, dass das LG letztlich keine ausreichenden Gründe für die Annahme gesehen hat, dass es zu einer Einziehung der Fahrzeuge gem. 315f StGB kommen werde, sei nichts zu erinnern. AG und LG hätten insoweit zutreffend die für und gegen eine Einziehung sprechenden Argumente herausgearbeitet und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Bedeutung beigemessen. Dieser sei für die Frage der Einziehung explizit in § 74f Abs. 1 StGB in das Gesetz aufgenommen worden, wonach in Fällen, in denen die Einziehung nicht vorgeschrieben ist, diese nicht angeordnet werden darf, wenn sie zur begangenen Tat und dem Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis steht. Die Beschwerde gegen den die Beschlagnahmeanordnungen aufhebenden Beschluss wäre allenfalls dann erfolgreich, wenn auf der Grundlage des bisherigen Erkenntnisstandes die – vorbehaltlich der in der künftigen Berufungshauptverhandlung gewonnenen weiteren Erkenntnisse – angekündigte Entscheidung des Berufungsgerichts, von einer Einziehung der tatbeteiligten Fahrzeuge abzusehen, rechts- oder ermessensfehlerhaft wäre und von einer Ermessensreduzierung auf null dahingehend auszugehen wäre, dass die Einziehung zwingend anzuordnen und damit die Beschlagnahme zwingend aufrechtzuerhalten wäre. Dies vermöge der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Der Vergleich mit anderen Vorschriften, die eine Einziehung von Kfz ermöglichen, und deren praktische Anwendung stelle keine gänzlich sachfremde Erwägung dar. Auch der Vorwurf, bei der Einziehungsentscheidung sei die Gefährlichkeit der Fahrt nicht hinreichend berücksichtigt worden, verfange nicht. Das AG und ihm folgend das LG hätten die festgestellten Tatumstände der Fahrt ersichtlich in ihre Erwägungen einbezogen und auch das Nachtatverhalten in die Abwägung einbezogen. Zu dem Einwand, es sei bei der Einziehungsentscheidung nicht hinreichend in den Blick genommen worden, dass sich mit dem Neffen des Angeklagten L ein nicht einwilligungsfähiger Minderjähriger mit in einem der an dem Rennen beteiligten Fahrzeuge befunden habe, sei es zwar zutreffend, dass explizite Angaben hierzu im Rahmen der Einziehungsentscheidung fehlen. Dies führe aber nicht dazu, dass die getroffene Entscheidung insgesamt im Sinne einer Ermessensreduzierung auf null unvertretbar erscheint, zumal das AG die besondere Verantwortung jedenfalls des Angeklagten L für seinen Neffen ausweislich der Urteilsausführungen zu dessen Strafbarkeit durchaus in seine Erwägungen einbezogen hat. Gleiches gelte letztlich auch für die vermeintlich unzureichende Berücksichtigung der Fahrstrecke von 2 km, der Dauer des Rennens sowie der festgestellten Spitzengeschwindigkeit. Angesichts der erheblichen gegen eine Einziehung der Fahrzeuge sprechenden Gesichtspunkte erscheine die getroffene Ermessensentscheidung letztlich jedenfalls nicht unvertretbar.

III. Bedeutung für die Praxis

Eine inhaltliche Bewertung des Beschlusses verbietet sich für den Verfasser als erstinstanzlichen Entscheider. Zielrichtung des Gesetzgebers bei Schaffung des § 315f StGB war es, Tätern eines verbotenen Kfz-Rennens ihr meist hochwertiges „Lieblingsspielzeug“ wegzunehmen. Das OLG Hamm macht hier deutlich, dass es sich gleichwohl nicht um eine zwingende Rechtsfolge, sondern um eine „Kann“-Bestimmung handelt, die eine Ermessensentscheidung erfordert. Das verlangt eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 74f StGB). Kriterien können dabei sein: die Gefahr weiterer verkehrsrechtlicher Verstöße des Täters, die Länge der gefahrenen Strecke, Art und Weise des Renngeschehens, das Ausmaß der Gefährdung anderer sowie die Frage, ob etwa die Familie des Täters auf das Fahrzeug angewiesen ist (LG Berlin NZV 2019, 541 [Winkelmann]). Nur bei einer Ermessensreduzierung auf null ist die Anordnung der Einziehung zwingend. Zu beachten ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch die Möglichkeit des Vorbehalts der Einziehung verbunden mit entsprechenden Anweisungen nach § 74f Abs. 1 S. 3 Nrn. 1–3 StGB (OLG Köln VRR 7/2020, 17 = StRR 8/2020, 25 (jew. Deutscher]). Diese Grundsätze schlagen auch auf die vorgelagerte Beschlagnahme nach § 111b StPO durch (Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung bei Deutscher, StRR 12/2020, 6). Das Tätigwerden von zwei Strafkammern des LG und die daraus resultierende Diskrepanz der dortigen Entscheidungen beruht auf der Zuständigkeit der Beschwerdekammer zur Entscheidung über die Beschwerde der StA vor Eingang der Akten bei der Berufungskammer.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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