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Einziehung des Veräußerungssurrogats bei Dritten?

Fließen Geldbeträge aus dem Verkauf von Diebesgut auf das Konto eines Dritten, der diese an den Täter weiterleitet, unterliegen diese Beträge als Veräußerungssurrogat nicht der Einziehung bei dem Dritten. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Urt. v. 19.1.2021 – 5 StR 291/20

I. Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zehn Fällen verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 469.467,48 EUR angeordnet. Er entwendete in zehn Fällen insgesamt rund 22.600 Gramm hochwertiges Edelmetall aus den Produktionsräumen seines Arbeitgebers. Er verkaufte die gestohlenen Edelmetalllegierungen in 148 Fällen an eine Vielzahl von Firmen, wodurch er insgesamt 469.467,48 EUR erlöste. In Höhe von 34.080,56 EUR wurde der Kaufpreis auf ein Bankkonto der Einziehungsbeteiligten überwiesen, die den Betrag in der Folge an den Angeklagten auskehrten. An einer Einziehungsanordnung gegen die Einziehungsbeteiligten in Höhe der auf deren Konto überwiesenen Verkaufserlöse hat sich das LG gehindert gesehen, weil die Einziehungsbeteiligten nicht „bereichert“ gewesen seien. Die gegen diese unterlassene Anordnung gerichtete Revision der StA und die Revision des Angeklagten sind erfolglos geblieben.

II. Entscheidung

Die Einziehungsanordnung nach §§ 73, 73c StGB halte der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zwar habe das LG bei der Bestimmung des Tatertrags i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt, weil der Angeklagte durch die Diebstahlstaten nicht das Bar- oder Buchgeld aus den Verkäufen des Diebesguts, sondern die gestohlenen Edelmetalllegierungen erlangt hat. Deren Wert hätte es mithin der Entscheidung über die Einziehung nach § 73c StGB zugrunde legen müssen. Für die Wertbestimmung wäre in zeitlicher Hinsicht auf den jeweiligen Verkaufszeitpunkt abzustellen gewesen, da die Voraussetzungen für die Wertersatzeinziehung in diesem Zeitpunkt eingetreten sind (zu § 73a StGB a.F. BGH NJW 2018, 3325, 3327 = StRR 12/2018, 21 [Deutscher]). Das Urteil beruhe aber nicht auf dem Rechtsfehler, weil Edelmetalllegierungen der entwendeten Art „wie an der Börse“ gehandelt würden und der vom Angeklagten erzielte Verkaufserlös daher dem Marktwert des Diebesgutes in dem für die Wertbestimmung entscheidenden Zeitpunkt entsprochen habe.

Für die Einziehung nach §§ 73b Abs. 1 Nr. 1, 73c StGB fehle es an den tatbestandlichen Anordnungsvoraussetzungen. Bei dem Buchgeld, das die Einziehungsbeteiligten erlangt haben, handele es sich nicht um das durch die abgeurteilten Diebstahlstaten erlangte Etwas im Sinne des § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern allenfalls um Taterträge aus den – nicht von der Sachentscheidung des LG umfassten – möglichen Betrugstaten (§ 263 StGB) zum Nachteil der Käufer des Diebesgutes. Für eine selbständige Einziehung des Wertes dieser Taterträge nach § 76a Abs. 1 S. 1 StGB fehle es aber jedenfalls an der Verfahrensvoraussetzung eines entsprechenden staatsanwaltlichen Antrags nach § 435 Abs. 1 S. 1 StPO (BGH NStZ 2020, 271, 272). Dass es sich bei den Verkaufserlösen in Form des von den Einziehungsbeteiligten erlangten und später an den Angeklagten ausgekehrten Buchgelds um Surrogate von Diebesgut handelte, könne eine Einziehungsanordnung gegen Drittbegünstigte nicht begründen. Denn eine Einziehung des Veräußerungssurrogats sehe – wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 73b Abs. 3 StGB ergebe – das Gesetz in den sogenannten Vertretungsfällen des § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor. Hinzu komme, dass eine wie die hier inmitten stehende Einziehung des Wertes von Veräußerungssurrogaten generell unzulässig ist (BGH NStZ 2018, 654).

III. Bedeutung für die Praxis

Dieser Fall zeigt wieder einmal nachdrücklich, dass der Teufel bei Einziehungsanordnungen im Detail stecken kann. Das gilt zum einen für die Bestimmung des „durch“ die Tat vom Täter erlangten Vorteils, zum anderen für die Frage, unter welchen rechtlichen Vorgaben eine Einziehung bei einem Dritten nach § 73b StGB zulässig ist (aktuelle Rechtsprechungsübersicht zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung bei Deutscher, StRR 12/2020, 6). Die Ausführungen des BGH zu beiden Punkten sind hier überzeugend. Auch weist der Senat zutreffend darauf hin, dass die Einziehung bei den Dritten hier schon mit Blick darauf ausgeschlossen ist, dass anderenfalls durch die Kumulation mit der vollumfänglichen Einziehung des Wertersatzes beim Täter mehr abgeschöpft würde, als tatsächlich durch die Tat zugeflossen ist (BGH NStZ 2018, 654; zur Konkurrenz von Täter- und Dritteinziehung beim Verkauf betrügerisch erlangter Fahrzeuge BGH NJW 2020, 3046 m. Anm. Habetha = StRR 12/2020, 33 [Deutscher]).

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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