Unzulässiger Überbau über Nachbarwand
BGH, Urt. v. 12.3.2021 – V ZR 31/20
I. Der Fall
Die Parteien, Eigentümer benachbarter Grundstücke, streiten um die Beseitigung eines Dachüberstandes. Die Beklagten ließen ihr Gebäude, dessen Giebelwand sich auf der Grundstücksgrenze befindet, neu eindecken. Dabei veränderten sie den seitlichen Abschluss der Eindeckung, der in den Luftraum über dem Grundstück des Klägers hineinragt. Dieser verlangt die Beseitigung des Dachüberstandes. Seine Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Hiergegen wendet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.
II. Die Entscheidung
Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Dachüberstand in das Eigentum des Klägers eingreift. Diese Beeinträchtigung ist nicht nach § 905 S. 2 BGB zu dulden. Denn der Dachüberstand schränkt die Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks ein. Dies muss der Kläger auch nicht nach § 7b Abs. 1 NRG BW dulden. Denn diese Vorschrift setzt das Bestehen einer Grenzwand voraus. Eine solche liegt nur dann vor, wenn sie bis an die Grenze gebaut ist, aber noch vollständig auf einem Grundstück steht. Hier ist die Wand indessen auf der Grenze gebaut und zum wechselseitigen Anbau bestimmt. Denn es steht nicht im Streit, dass auch der Kläger die auf der Grenze errichtete Wand für einen Anbau nutzen darf. In diesen Fällen gelten die Vorschriften der §§ 912 ff. BGB zum Überbau für die Wand nicht. Die Zustimmung zur Errichtung einer Nachbarwand kann sich zwar bis zu einem Anbau auch auf weitere Bauteile beziehen, sofern sie die Benutzung des überbauten Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen. Besteht aber keine Duldungspflicht, kann der Kläger die Beseitigung des Dachüberstandes verlangen. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Anbau durch den Kläger zeitnah erfolgen soll und den Rückbau des Dachüberstandes erfordert.
III. Der Praxistipp
Selbst im umgekehrten Fall, da der Anbau entfernt wird, kann die Wand auf der Grundstücksgrenze umfangreiche, kaum bekannte Pflichten für den Grundstückseigentümer nach sich ziehen. Wird etwa eine gemeinsame Giebelwand zwischen zwei Gebäuden durch Beschädigung eines Gebäudes zur Außenwand, so hat der Eigentümer des Nachbarhauses Anspruch auf Wiederherstellung ihrer Funktionstüchtigkeit gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks (BGH, Urt. v. 22.1.2021 – V ZR 12/19).