Beitrag

BAG: Anforderungen an eine Revisionsbegründung

1. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung.

2. Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens. Es reicht auch nicht aus, wenn der Revisionsführer die tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigungen des Berufungsgerichts lediglich mit formelhaften Wendungen rügt.

3. Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig.

[Redaktionelle Leitsätze]

BAG, Beschl. v. 12.01.2021 – 4 AZR 271/20

I. Der Fall

Die Parteien stritten über die tarifvertragliche Eingruppierung des Klägers. Der Kläger war als Krankenpfleger und Fachpfleger für Psychiatrie seit 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1.2.2018 wird der Kläger als Teamleiter einer Tagesklinik der Beklagten eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD/VKA Anwendung.

In der Tagesklinik waren dem Kläger umgerechnet vier Vollzeit-Pflegekräfte unterstellt. Vorgesetzter des Klägers war der Leiter des Patienten- und Pflegemanagements, welcher in einer ortsverschiedenen Einrichtung der Beklagten tätig ist. Die Beklagte gruppierte den Kläger entsprechend der Entgeltgruppe P 10 des TVöD/VKA als Teamleiter ein.

Der Kläger war der Ansicht, dass er als Stationsleiter im Sinne der Entgeltgruppe P 12 TVöD/VKA einzugruppieren sei. Die Gesamtverantwortung für die Organisationseinheit liege bei ihm. Er sei zu etwa 60% mit Leitungsaufgaben betraut. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sei eine Leitung durch seinen Vorgesetzten organisatorisch nicht möglich. Nur er habe vor Ort die Verantwortung für den Pflegeprozess und die Therapiemaßnahmen.

Die Beklagte wendete ein, dass für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe P 12 eine Station im Tarifsinn vorausgesetzt werde. Dies scheitere schon daran, dass keine bettenführende Einheit vorliege, weil kein dauerhafter Dreischichtbetrieb vorliegen und keine Versorgung von Patienten mit komplexem Krankheitsbild durchgeführt werde. Die Leitungsaufgaben des Klägers entsprächen denen eines Teamleiters. Daher sei die Eingruppierung zutreffend erfolgt.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat die Klage abgewiesen (Urt. v. 13.8.2019 – 3 Ca 441/19); das Landesarbeitsgericht München die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urt. v. 14.1.2020 – 7 Sa 606/19).

II. Die Entscheidung

Der 4. Senat des BAG hat die Revision des Klägers mangels ausreichender Begründung als unzulässig verworfen.

Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung ist – so das Bundesarbeitsgericht – gem. § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO, dass die Revisionsgründe angegeben werden. Dafür seien bei Sachrügen diejenigen Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergebe. Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne Auseinandersetzung mit den Gründen oder die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens genüge nicht. Verfahrensrügen müssten gem. § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b ZPO den Verfahrensmangel bezeichnen, auf den sich die Revision stützt und die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Berufungsurteil darlegen.

Habe das Berufungsgericht seine Entscheidung zudem auf zwei unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, so müsse sich die Revisionsbegründung mit beiden Erwägungen auseinandersetzen. Fehle eine solche Auseinandersetzung sei das Rechtsmittel insgesamt unzulässig.

Diesen Anforderungen habe die Revision des Klägers nicht genügt. Das Landesarbeitsgericht habe seine Entscheidung aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts auf zwei jeweils für sich tragende Begründungen gestützt. Zum einen habe das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf die bestehende Rechtsprechung zum Begriff des Arbeitsvorgangs festgestellt, dass der Kläger in zeitlicher Hinsicht nicht aufgezeigt habe, dass durch die Tätigkeit als Stationsleiter wenigstens die Hälfte seiner Arbeitszeit in Anspruch genommen werde. Zum anderen leite der Kläger keine Station, da er nur eine begrenzte Verantwortung für die Durchführung und Koordination der wesentlichen Arbeitsabläufe trage.

Mit dem ersten Begründungsansatz zur Darlegung des zeitlichen Anteils habe sich die Revision jedoch nicht auseinandergesetzt. Zwar habe die Revisionsbegründung erwähnt, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich des zeitlichen Anteils etwas unklar bleibe. Eine entsprechende – wenn auch nur vorsorgliche – Rüge der möglicherweise durch das Landesarbeitsgericht vertretenden abweichenden Ansicht zum Arbeitsvorgangsbegriff enthalte die Revisionsbegründung jedoch nicht. Dies wäre zwingend erforderlich gewesen.

Der Kläger habe zwar im weiteren Verlauf nach einem Hinweis des Senats auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision gerügt, dass es sich um eine Überraschungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts gehandelt habe. Diese Rüge könne nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist jedoch nicht mehr zulässig erhoben werden. Die Klärung einer Rechtsfrage zugunsten eines bereits anhängigen Parallelverfahrens – wie vom Kläger vorgebracht – könne nur erfolgen, wenn die Revision zulässig begründet werde.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung reiht sich ein in die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung (vgl. u.a. BAG, Urt. v. 30.1.2019 – 5 AZR 450/17; BAG, Beschl. 18.11.2019 – 4 AZR 105/19; BAG, Urt. v. 6.7.2016 – 4 AZR 966/13).

Seit jeher sind die insoweit aufgestellten Anforderungen hoch und schwer erfüllbar. Es ist daher zu empfehlen, bei der Revisionsbegründung grundsätzlich auf sämtliche Erwägungen der Vorinstanz einzugehen. Wird eine eigenständige, die Entscheidung für sich tragende Begründung der Vorinstanz außer Acht gelassen, führt dies – wie die vorliegende Entscheidung zeigt – zur Unzulässigkeit der Revision. Dies hat das Bundesarbeitsgericht nun nochmals klargestellt.

Adrian Mrochen, Rechtsanwalt, Köln

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…