Sinn und Zweck einer Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung soll dem Willen des Verfügenden im Hinblick auf eine medizinische Behandlung, Nichtbehandlung oder den Behandlungsabbruch für den Fall Ausdruck verleihen, dass der Verfügende seine Behandlungswünsche aufgrund seiner physischen und/oder psychischen Situation nicht mehr äußern kann. Sie ist ebenso wie die Vorsorgevollmacht Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts, nach der neuen Rechtslage, nach der einer Patientenverfügung Verbindlichkeitscharakter zukommen kann, mehr denn je.
Eine Patientenverfügung wird oft auch als Patientenbrief oder Patiententestament bezeichnet. Letztere Bezeichnung sollte im Hinblick darauf, dass ein Testament eine Verfügung von Todes wegen ist und somit seine Rechtswirkung gegenüber Dritten erst nach dem Tod des Verfügenden entfaltet, nicht verwendet werden. Denn geregelt ist der Behandlungswunsch eines Lebenden.
Die Patientenverfügung muss von einem Betreuer oder einem in Gesundheitsangelegenheiten Bevollmächtigten berücksichtigt werden. Die Kombination mit einer Betreuungsverfügung oder einer Vorsorgevollmacht ist daher sinnvoll.
Der Deutsche Bundestag hatte mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts am 18.6.2009 auch eine Regelung über die Patientenverfügung verabschiedet. Das seit dem 1.9.2009 geltende Gesetz enthielt in § 1901a BGB erstmals eine gesetzliche Kodifizierung der Patientenverfügung. Wichtige Punkte dieser Neuregelungen wurden mit Beschluss vom 17.9.2014 durch den BGH in erfreulicher Klarheit bestätigt (BGH, Beschl. v. 17.9.2014, NJW 2014, 3572.).
Die ebenfalls lesenswerte Entscheidung des BGH vom 6.7.2016 (XII ZB 61/16) beschäftigt sich nicht nur mit der inhaltlichen Ausgestaltung einer Vorsorgevollmacht und der Frage, wann bei potenziellen Fehlentscheidungen ein Kontrollbetreuer bestellt werden darf, sondern auch mit den Anforderungen an eine Patientenverfügung, soll diese i.S.v. § 1901a Abs. 1 BGB (heute: § 1827 BGB) verbindliche Wirkung entfalten (BGH DNotZ 2017, 199; auch in weiteren Entscheidungen hat die Rspr. bestätigt, dass es konkreter Angaben zu Krankheits- und Behandlungssituationen bedarf, wobei die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen, vgl. BGH v. 8.2.2017 – XII ZB 604/15, NJW 2017, 1737 und BGH v. 14.11.2018 – XII ZB 107/18, ZEV 2019, 94.).
Mit Datum vom 8.2.2017 erging eine weitere Entscheidung des BGH, die u.a. die auf der mittlerweile allgemein bekannten Erkenntnis, dass ein geäußerter Verzicht auf „lebensverlängernde Maßnahmen“ alleine keine konkrete Behandlungsentscheidung eines Menschen i.S.v. § 1901 BGB darstellt, aufbaut. Das Gericht führt aus, dass sich im Einzelfall durch Bezugnahme auf Krankheits- und/oder Behandlungssituationen einerseits und ärztliche Maßnahmen andererseits der Wille des Patienten durch Auslegung ermitteln lässt (S. auch BGH v. 14.11.2018 − XII ZB 107/18, ZEV 2019, 94.).
Mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts haben zum 1.1.2023 auch die Regelungen, die die Patientenverfügung betreffen, neue „Hausnummern“ bekommen. Inhaltlich gibt es keine gravierenden Änderungen.
Im Folgenden werden zunächst die Anforderungen an eine Patientenverfügung sowie die Wirkungen einer Patientenverfügung dargestellt. Welche Anweisungen und Wünsche des Patienten in einer Patientenverfügung zulässig sind, wird im Anschluss behandelt.
Ungeachtet der rechtlichen Veränderungen hat sich an den Beweggründen, eine Patientenverfügung zu errichten, nichts geändert. Hintergrund für den Wunsch eines Menschen, eine Patientenverfügung zu erstellen, dürfte weniger die Extremsituation „lebensbeendende Maßnahme“ sein. Vielmehr geht es oftmals um das Unbehagen vor einer nicht mehr überschaubaren Apparatemedizin und um die Angst davor, allein in der Anonymität eines Krankenhauses sterben zu müssen. Hier kann die Palliativmedizin helfen, also eine psychosoziale Betreuung des Patienten in Kombination mit einer Schmerztherapie. Denn kann sich der Patient dahingehend versichern, in einem menschenwürdigen Umfeld behandelt und betreut zu werden, wird sich sein Patientenwunsch auch darauf beziehen und nicht auf die Frage einer zulässigen Sterbehilfe fokussieren.
Voraussetzungen der Patientenverfügung, Form und Aufbewahrung
Die Regelung des § 1827 Abs. 1 BGB beinhaltet drei Voraussetzungen. Diese sind:
- Schriftform der Patientenverfügung
- Einwilligungsfähigkeit
- Volljährigkeit des Verfügenden.
I. Schriftform
1827 Abs. 1 S. 1 BGB normiert ein Schriftformerfordernis (§ 126 BGB). Dies bedeutet, dass mündlich erklärte Patientenverfügungen allenfalls im Rahmen von § 1827 Abs. 2 BGB berücksichtigt werden können (BGH NJW 2014, 3572.). Eine notarielle Beurkundung ist dagegen ebenso wenig erforderlich wie eine ärztliche Beratung. Im Hinblick auf den Nachweis der Einwilligungsfähigkeit kann eine notarielle Beurkundung aber sinnvoll sein. Gleiches gilt für die ärztliche Beratung im Hinblick auf die Erfassung möglicher Behandlungssituationen.
II. Einwilligungsfähigkeit und Volljährigkeit
Testierfähigkeit i.S.d. § 2229 BGB ist nicht erforderlich, wie die z.T. auch gebräuchliche Bezeichnung der Patientenverfügung als „Patiententestament“ irrtümlich vorspiegeln könnte. Bei Abfassung ist auch nicht Geschäftsfähigkeit, sondern Einwilligungsfähigkeit erforderlich. Hierbei handelt es sich um eine natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit – entscheidend ist, ob der Patient um Art und Schwere seiner möglichen Erkrankung weiß und ob er das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs bzw. der Behandlung ebenso zu erkennen vermag wie die Folgen einer Verweigerung medizinisch indizierter Maßnahmen bzw. eines Behandlungsabbruchs (OLG Hamm NJWE-FER 1997, 178.).
Bedauerlich ist der Umstand, dass die Abfassung einer Patientenverfügung Volljährigen vorbehalten bleibt (z.B. Lange, Das Patientenverfügungsgesetz – Überblick und kritische Würdigung, ZEV 2009, 537 ff.; Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 1827 BGB Rn 6.). Die Patientenverfügung eines Minderjährigen kann allenfalls im Rahmen von § 1827 Abs. 2 BGB berücksichtigt werden (BGH NJW 2014, 3572).
III. Aufbewahrung der Patientenverfügung
Bezüglich der Aufbewahrung gilt: Es muss auf jeden Fall sichergestellt sein, dass das Original der Patientenverfügung im Ernstfall auffindbar ist und die behandelnden Ärzte davon Kenntnis erlangen können. In den Fällen, in denen die Durchsetzung der in einer Patientenverfügung festgelegten Wünsche einem Vorsorgebevollmächtigten übertragen wurde, ist es zudem besonders wichtig, dass der Vorsorgebevollmächtigte weiß, wo die Patientenverfügung aufbewahrt ist.
Empfehlenswert ist insoweit, einen Vermerk auf die Existenz der Patientenverfügung bei den Ausweispapieren mitzutragen. Die Verfügung im Original sollte bei den sonstigen persönlichen Unterlagen sicher verwahrt sein. Ggf. können Familienangehörigen, Freunden, dem Hausarzt oder auch der Heimleitung Kopien mit dem Hinweis übergeben werden, wo das Original aufbewahrt wird. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Patientenverfügung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrieren zu lassen. Seit dem 1.1.2023 kann die Patientenverfügung auch „isoliert“ registriert werden, dies ist eine erfreuliche Neuerung gegenüber der alten Rechtslage.
Ein Auszug aus: Rudolf/Bittler/Roth (Hrsg.), Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung, 6. Auflage (1-154).