Tatsache des Monats

Wer beleidigt, fliegt raus? Nicht immer…

Kündigungsschutzsachen gehören zu den häufigsten Streitigkeiten, die vor den Arbeitsgerichten landen. Häufiger Grund: Ein Arbeitnehmer vergreift sich im Ton. Die Meinungsfreiheit deckt zwar einiges, aber keine groben Beleidigungen bzw. erhebliche Ehrverletzungen. Mitunter zählen jedoch weitere Faktoren, so dass eine Kündigung dann doch unwirksam sein kann.

Arbeitnehmer rüstet verbal auf – und verliert seinen Job

Im vorliegenden Fall war dem Arbeitnehmer gekündigt worden, da er das Handeln eines anderen Beschäftigten als „korrupt“ und „mafiös“ bezeichnet hatte. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Zunächst stellte das LAG Köln in der zweiten Instanz fest, dass der Kläger die betroffene Person eindeutig abgewertet bzw. beleidigt hatte. Er hatte eine Formalbeleidigung verwendet, die erkennbar allein darauf zielte, die andere Person verächtlich zu machen. Hier endet die Meinungsfreiheit.

Weiter arbeiten! Am Ende überwogen die Interessen des Arbeitnehmers

Trotz der klar festgestellten Beleidigung hatte die Kündigungsschutzklage des Klägers doch Erfolg. Die Kündigung war unverhältnismäßig. Der Kläger war schwerbehindert, zum Zeitpunkt der Kündigung 60 Jahre alt und seit 23 Jahren beim Beklagten beschäftigt. Bis dahin hatte er noch nie eine Abmahnung erhalten. Zudem hatte sich der Beklagte vertragswidrig verhalten und dazu beigetragen, dass sich der Kläger in einer Extremsituation befand. Denn der Beklagte hatte bei dem häufig erkrankten Kläger kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt, wozu er verpflichtet gewesen wäre (§ 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Genau an dem Tag eines geplanten Gesprächs hatte der Beklagte den Kläger überraschend freigestellt und ihm Hausverbot erteilt. Diese Umstände insgesamt führten für das LAG dazu, dass die Pflichtverletzung des Klägers, so schwer sie auch war, zunächst hätte abgemahnt werden müssen.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 16.05.2023

– 4 Sa 559/22 –

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